05.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 93 / Tagesordnungspunkt 25

Stephan StrackeCDU/CSU - Tarifbindung

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Grüß Gott! Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Sozialpartnerschaft ist im letzten Jahr 100 Jahre alt geworden. Es gehört heute in Deutschland zum Selbstverständnis, dass die Arbeitsbedingungen von den Tarifvertragsparteien autonom ausgehandelt und in Tarifverträgen geregelt werden. Diese Unabhängigkeit vom staatlichen Einfluss und das verantwortungsvolle Zusammenwirken der Tarifpartner sind ein starkes Fundament, ein Fundament, auf dem auch unser wirtschaftlicher Erfolg sowie Wohlstand und sozialer Frieden in diesem Land beruhen. Daran halten wir fest.

Nur eine funktionsfähige Tarifautonomie sichert Lohngerechtigkeit und hat Schutz-, Befriedungs- und Ordnungsfunktion. Es ist und bleibt vorrangig Aufgabe der Tarifpartner, gute Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne zu verhandeln – Löhne, die zum Leben reichen und im Alter eine auskömmliche Rente sichern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, richtig ist, dass die unmittelbare Bindung an Tarifverträge rückläufig ist. Der Anteil der Betriebe ohne Tarifbindung hat zugenommen. Aber auch die Zahl der Betriebe, die sich an tariflichen Vereinbarungen orientieren, ist im gleichen Maße gestiegen. Das zeigt: Die Branchen- und Flächentarife haben immer noch eine signifikant hohe Breitenwirkung. Das ist gut so; denn Tarifverträge – darauf wurde in dieser Debatte bereits hingewiesen – haben auch große und wichtige Effekte für die Beschäftigten. So ist beispielsweise der Anteil der hochqualifizierten Fachkräfte in Betrieben mit Tarifbindung signifikant höher. Dies gilt ebenso für die Personalfluktuation. Das hat oftmals damit zu tun, dass die Betriebe, die tarifgebunden sind, auch größer sind. Aber auch im Ausbildungsbereich zeigen sich Unterschiede. In tarifgebundenen Unternehmen sind die Zahl derjenigen, die sich ausbilden lassen, und der Anteil der Unternehmen, die Ausbildungsplätze bereitstellen, deutlich größer. Das zeigt, wie wichtig Tarifbindung ist.

Dies gilt auch im Bereich der Pflege. Jetzt gehen wir ja daran, die Pflegekommission neu aufzustellen. Das ist ein erster wichtiger Schritt in diesem Bereich. Wir werden dann dafür sorgen, dass wir auch den Kirchen die Möglichkeit eröffnen, bei den tarifvertraglichen Regelungen zusammenzuwirken – mit der Idee, eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung im Bereich der Pflege hinzubekommen. Gute Arbeitsbedingungen für die Pflege sind wichtig, damit wir auch in Würde altern können. Das ist etwas für die Gesellschaft Maßgebliches. Deswegen werden wir dies in diesem Bereich auch tun.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben in der Vergangenheit die Tarifautonomie gestärkt. Im Tarifautonomiestärkungsgesetz haben wir vor allen Dingen mit der Reform der Allgemeinverbindlichkeitserklärung dafür gesorgt, dass das sogenannte 50-Prozent-Quorum nicht mehr notwendig ist. Ab jetzt genügt das sogenannte öffentliche Interesse. Das ist eine wirkliche Vereinfachung, was die Allgemeinverbindlichkeitserklärung angeht. Mehr Handlungsbedarf in diesem Bereich sehe ich nicht. Die Allgemeinverbindlichkeit ist ein scharfes Schwert und muss deshalb auch Ausnahmecharakter haben.

Es gibt gute Gründe dafür, dass der Tarifausschuss ein Kontrollorgan ist. Es geht darum, zwischen den Interessen der Arbeitgeber, der Antragsteller und Betroffenen, aber auch der Wirtschaft abzuwägen und eine Balance zwischen der positiven und negativen Koalitionsfreiheit – Freiheit der Ordnung – zu finden, wie wir es in diesem Bereich beschreiben. Deswegen ist es auch richtig, dass innerhalb des Tarifausschusses die Mehrheit entscheiden muss. Eine Abschaffung des Vetorechts der Arbeitgeber im Tarifausschuss lehnen wir ab.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben auch im Arbeitnehmer-Entsendegesetz dafür gesorgt, dass alle Branchen erfasst werden. Wir haben uns in der Vergangenheit für tariflich vereinbarte Branchenmindestlöhne eingesetzt. 4 Millionen Menschen profitieren davon. Das zeigt sich auch in der Lohnhöhe. Diesen erfolgreichen Weg der Branchenmindestlöhne wollen wir entsprechend weitergehen.

Die staatliche Einmischung muss die Ausnahme bleiben, gerade bei der Willensbildung der Sozialpartner. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit, sowohl der positiven als auch der negativen, ist für uns nicht verhandelbar. Deswegen ist und bleibt es eine freie Entscheidung der Arbeitnehmer, aber auch der Arbeitgeber, einer tarifschließenden Gewerkschaft oder einem tarifschließenden Arbeitgeberverband beizutreten oder ihm fernzubleiben.

Es ist und bleibt vor allem originäre Aufgabe der Tarifvertragsparteien, ihre Attraktivität und Funktionsfähigkeit in diesem Bereich zu erhöhen. Ziel muss es sein, dass in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung gerade die Tarifvertragspartner für wettbewerbsfähige flexible Tarifverträge sorgen. Das ist eine zentrale Fragestellung, die in diesem Bereich bearbeitet werden muss. Darauf gibt der Antrag der Linken keine Antwort. Deswegen lehnen wir ihn ab.

Herzliches Dankeschön.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342298
Wahlperiode 19
Sitzung 93
Tagesordnungspunkt Tarifbindung
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