05.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 93 / Tagesordnungspunkt 26

Thomas SeitzAfD - Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der vorgelegte Gesetzentwurf ist inhaltlich im Wesentlichen nicht zu kritisieren. Die Regierungsfraktionen ziehen unvermeidliche Konsequenzen aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Juli 2018 zu zwei Verfassungsbeschwerden wegen Fixierungen im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Unterbringung nach Landesrecht. Das Anliegen der Regierungsfraktionen, einheitliche materielle Regelungen im Rahmen der Zuständigkeit des Bundes und ein einheitliches Verfahrensrecht auch für die der Gesetzgebungskompetenz der Länder unterliegenden Unterbringungsgesetze zu schaffen, ist zu begrüßen.

Kritik ist aber an der Bezeichnung dieses Gesetzentwurfs angebracht, die typisch für den herrschenden Zeitgeist ist. Sie reden hochtrabend von einem „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Betroffenen bei Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen“ und erwecken damit den Eindruck, dass die Rechtsposition der Menschen in einem – wie es früher hieß – „besonderen Gewaltverhältnis“ verbessert werde. Damit erwecken Sie bei den Betroffenen und ihren Angehörigen Hoffnungen, die nicht zu halten sind.

Dieses Gesetz bezweckt in Wirklichkeit eben keine substanzielle Verbesserung der Situation von Menschen in einer geschlossenen Einrichtung. Es geht vielmehr darum, eine verfassungswidrige Rechtslage, aufgrund derer dem bereits seiner Fortbewegungsfreiheit beraubten Menschen auch noch seine verbleibende Bewegungsfreiheit buchstäblich genommen wird, durch eine Rechtslage zu ersetzen, die zwar verfassungsgemäß ist, aber genau den gleichen allerschwersten Eingriff in das Freiheitsrecht des Betroffenen erlauben soll.

Dem psychisch Kranken, der unter seiner Fixierung leidet und diese nicht akzeptieren kann, ist es herzlich egal, ob die Fixierung von einem Arzt oder einem Richter oder beiden gemeinsam angeordnet wird. Ihm ist auch egal, ob die Fixierung von Herrn Professor Voßkuhle persönlich oder nur von der Putzfrau angeordnet wird. Die Betroffenen interessiert nur eines, nämlich das Ergebnis: also ob sie fixiert werden oder ob nicht. Und das wäre etwas, worüber wir hier dringend auch diskutieren müssten. Welche Alternativen gibt es, zum Beispiel durch bauliche Maßnahmen? Welche Risiken akzeptieren wir für mehr Freiheit im Falle der Eigengefährdung?

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die geplante Regelung für den Strafvollzug. Bei Gefahr im Verzug soll die Fixierung vom Anstaltsleiter oder einem anderen Vollzugsmitarbeiter angeordnet werden können und der Arzt sodann unverzüglich herbeigerufen werden. Das hört sich nach einer sinnvollen Ausnahmeregelung an. Wenn man aber bedenkt, dass eine Fixierung überhaupt nur bei einer akuten Eigen- oder Fremdgefährdung in Betracht kommt, liegt hier doch eigentlich immer Gefahr im Verzug vor. In der Praxis könnte daher in der JVA die Ausnahmeregelung zum Regelfall werden. Ob sich dies verfassungsrechtlich halten lässt, erscheint mir fraglich.

Der dritte Punkt meiner Kritik betrifft den Erfüllungsaufwand für die Länder. Diesen beschreiben Sie sehr lässig als einen „nicht näher bezifferbaren Aufwand“, dem aber „mittel- bis langfristig Einsparungen“ gegenüberstünden. Das ist mehr als gewagt. Die Redezeit erlaubt nicht, hier konkret auszuführen. Es ist mit einem erheblichen Arbeitsanfall bei den Amtsgerichten zu rechnen. Auch die Ausweitung der richterlichen Bereitschaftsdienste wird zu erheblichen Belastungen führen. Es bleibt auch abzuwarten, ob sich die Praxis nicht so helfen wird, dass eine Antragstellung umgangen werden kann.

Ich hoffe auf eine konstruktive Diskussion im Ausschuss.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat nun der Kollege Dr. Volker Ullrich das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342305
Wahlperiode 19
Sitzung 93
Tagesordnungspunkt Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen
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