05.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 93 / Tagesordnungspunkt 26

Volker UllrichCDU/CSU - Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bei dem heute vorliegenden Gesetzentwurf der Koalition zur Stärkung der Rechte von Betroffenen bei Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen geht es um die sehr sensible Frage, wie wir mit Menschen umgehen, denen bereits die Freiheit entzogen worden ist und die im Rahmen dieses Freiheitsentzugs durch eine Fixierung eine verschärfte Form der Freiheitsentziehung erdulden müssen. Die sogenannten 5-Punkt- und 7-Punkt-Fixierungen sind nicht irgendwelche technischen Begriffe, sondern sie stellen einen der gravierendsten und einschneidendsten Eingriffe in die persönliche Freiheit dar, die sich der Rechtsstaat überhaupt leisten muss.

Bei der 5-Punkt- und der 7-Punkt-Fixierung wird man an Händen, an den Beinen, am Hals und gegebenenfalls, bei der 7-Punkt-Fixierung, noch an der Stirn und am Kopf fixiert. Gerade weil das eine ganz elementare, einschneidende Erfahrung für die Betroffenen darstellt, reicht die richterliche Anordnung dieser Maßnahme zum Entzug der Freiheit nicht aus, es reicht auch keine ärztliche Anordnung aus, sondern in unserem Rechtsstaat muss vor dem Hintergrund der Eingriffsintensität auch eine präventive Rechtsschutzkontrolle erfolgen. Gegebenenfalls muss jede dieser Fixierungen auch richterlich überprüfbar sein. Da geht es um die Verwirklichung von Grundrechten und damit auch um die Stärkung des Rechts und die Würde des Einzelnen. Deswegen werden wir mit diesem Gesetz sehr sorgsam umgehen und im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens die unterschiedlichen Aspekte einfließen lassen.

Es geht zunächst einmal um die Frage: Wer ist überhaupt zuständig? Auch hier haben wir eine Situation, bei der wir eine eher unübersichtliche Gemengelage haben. Für die Zivilhaft ist der Bund zuständig. Für den Straf- und Maßregelvollzug sind es die Länder, und für die Unterbringung existiert sogar eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder. Dennoch ist es wichtig, dass überall in Deutschland vor dem Hintergrund der großen Eingriffstiefe der gleiche Rechtsschutz existiert. Das sind wir den Betroffenen schuldig. Deswegen hat die 89. Justizministerkonferenz den Bund gebeten, eine einheitliche Regelung zu schaffen. Es geht also nicht darum, den Föderalismus auszuhebeln, sondern darum, deutschlandweit die Rechte der Betroffenen auf das gleiche Niveau zu heben. Ich glaube, das sind wir auch denjenigen, die dieser Freiheitsentziehung unterworfen sind, schuldig.

Deswegen werden mit diesem Gesetz – sowohl durch eine Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen als auch durch eine Änderung des Strafvollzugsgesetzes als auch durch eine Änderung der Strafprozessordnung – die Voraussetzungen für eine richterliche Anordnung geschaffen. Diese Voraussetzungen sind zu Recht streng. Wenn eine Freiheitsentziehung durch Fixierung länger als eine halbe Stunde dauert, dann muss das richterlich angeordnet sein. Die Länder sind auch aufgerufen, einen einheitlichen Bereitschaftsdienst von 6 bis 21 Uhr vorzuhalten, damit diese richterliche Anordnung auch getroffen werden kann.

Und ja, wir wollen nicht, dass eine Auseinanderdividierung von Zuständigkeiten erfolgt, sondern wichtig ist, dass einheitlich die Amtsgerichte vor Ort bei demjenigen, der betroffen ist, auch die Zuständigkeit nachweisen können. Vor diesem Hintergrund brauchen wir auch eine klare Haltung der Länder, dass sie diesen Bereitschaftsdienst auch stellen und dass jederzeit der Rechtsschutz gewährleistet werden kann.

Wir müssen auch über die Frage sprechen, wie es gerade in sogenannten geschlossenen Einrichtungen der Psychiatrie aussieht. Ich glaube, dass auch hier die Fixierung nur die Ultima Ratio sein darf. Wir müssen alles dafür tun, dass durch eine Sicherstellung im personellen und therapeutischen Bereich Fixierungen vermieden werden können,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

weil Fixierungen sich immer dann verbieten, wenn sie aus Hilflosigkeit oder, was noch schlimmer ist, aus Personalmangel heraus vorgenommen werden. Nein, die Menschen, die in einer Einrichtung untergebracht sind, verlieren ihre Würde nicht. Es ist schlimm genug, dass wir ihnen ihre Freiheit entziehen mussten; aber sie haben einen Anspruch darauf, dass sie menschenwürdig behandelt werden.

Die Frage, wie wir in diesen Einrichtungen mit Fixierungen umgehen, ist vielleicht kein Thema für die große Öffentlichkeit; aber sie wird in Betroffenenkreisen sehr stark diskutiert. Vor dem Hintergrund, dass die Betroffenen auch Rechte haben, die wir respektieren müssen, müssen wir diesem Thema in den Anhörungen breiten Raum geben, damit wir insgesamt einen Gesetzentwurf haben, der Freiheit und Würde respektiert. Lassen Sie uns uns da auf den Weg machen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die FDP-Fraktion hat nun die Kollegin Katharina Willkomm das Wort.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342308
Wahlperiode 19
Sitzung 93
Tagesordnungspunkt Fixierungen im Rahmen von Freiheitsentziehungen
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