Sybille BenningCDU/CSU - Pakt für Forschung und Innovation
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Titel des Antrags der FDP lautet: „Forschungsoutput stimulieren“. Klingt erst mal gut. Aber was ist damit gemeint? Bei Ihnen liest sich das so: Sie wollen erst mal Forschungsergebnisse bewerten und dann Fleißkärtchen verteilen.
(René Röspel [SPD]: Ja, genau!)
Dazu listen Sie eine Vielzahl von Indikatoren auf, an die Sie einen Teil der Mittelvergabe des Pakts für Forschung und Innovation binden wollen.
Zuerst sei gesagt: Der allergrößte Teil dieser langen Liste ist doch schon längst Realität. Peer Review praktiziert die Wissenschaft seit Jahrzehnten. Wissenschaftliche Kongresse, Ausgründungen, Drittmitteleinwerbung, Frauenanteile an Führungspositionen, Transfer – alles gängige Dinge, die die Forschungseinrichtungen in ihren eigenen Gremien, auch in den Kuratorien, in denen die Zuwendungsgeber, also auch der Bund, vertreten sind, zugrunde legen.
(Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Frösche im eigenen Teich! – Gegenruf des Abg. René Röspel [SPD]: Quak! Quak!)
Sie, liebe Kollegen, blasen mit Ihrem Antrag kräftig in die Floskeltrompete des Managementsprechs.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Doch wer nur schrill in die Floskeltrompete bläst, sieht vor lauter Input, Output, Outcome, Controlling und Impact die Grund- und Vorzüge des deutschen Wissenschaftssystems gar nicht mehr und redet es außerdem auch noch schlecht. Es ist natürlich richtig, dass wir Ziele zur Verwendung der Paktmittel setzen und ihre Umsetzung überprüfen. Das findet statt.
(Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Sie wären doch froh, Sie könnten es machen!)
Wir halten den Transfer von wissenschaftlicher Erkenntnis in Gesellschaft und Wirtschaft für zentral. Nur unterscheidet sich unser Verständnis von Transfer wohl fundamental von dem in diesem Antrag durchscheinenden Transferverständnis:
(Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Da fragen Sie mal den Herrn Rupprecht! – Gegenruf des Abg. Albert Rupprecht [CDU/CSU]: Ich sitze hier! Fragen Sie mich!)
Sie haben verpasst, liebe Kollegen der FDP, dass wir in den letzten Jahren einen Kulturwandel im Innovationsprozess erlebt haben. Innovation entsteht nicht wie auf einer Produktionsstraße, wo vorn die Grundlagenforschung steht und hinten irgendwann die Anwendung herauskommt.
(Beifall des Abg. René Röspel [SPD])
Nein, Erkenntnisgewinn und Anwendung stehen in vielen Disziplinen von Beginn an in einer Interaktion. Es ist Forschungsalltag, dass Anwendung mitgedacht wird. Ihr Verständnis von Transfer aber scheint linear zu sein, und es scheint sehr technokratisch zu sein.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Wie halten Sie es denn mit der Freiheit der Wissenschaft, wenn Sie für Sozial- und Geisteswissenschaften vorschlagen, den Eingang ihrer Erkenntnisse in politisches Handeln zur Fördergrundlage zu machen? Sie schreiben, dass in Großbritannien derlei Bewertung zur Vergabe von öffentlichen Forschungsmitteln genutzt wird, und seitdem dies so sei, würden die Institute die Auswirkungen ihrer Forschung deutlich stärker in den Blick nehmen. Ich bin mir nicht sicher, dass das in dieser Art erstrebenswert ist. Ich will betonen: Erst zweckfreie Forschung, Grundlagenforschung, ermöglicht oft den Gewinn von Erkenntnissen, die dann zu bahnbrechenden Erfindungen und Innovationen führen.
Meine Damen und Herren, im Mai dieses Jahres wird unser Grundgesetz 70 Jahre alt. In Artikel 5 Absatz 3 steht: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ Wir sind in Deutschland in der wunderbaren Lage, dass die Freiheit der Wissenschaft nicht nur in der Verfassung steht, sondern dass wir auch die materiellen Mittel haben, sie produktiv für Gesellschaft und Wirtschaft zu nutzen.
Wir haben in dieser Woche im Forschungsausschuss die Vorsitzende des Wissenschaftsrates, Frau Professor Brockmeier, zu Gast gehabt. Sie hat uns noch mal daran erinnert, wie wichtig es ist, Forschung auch auf Feldern zu betreiben, deren Nutzen in der Mehrheit der Gesellschaft umstritten ist oder sogar rundherum von ihr abgelehnt wird.
(René Röspel [SPD]: Kluge Frau! So was bräuchte die FDP mal!)
Sie nannte als Beispiel die Grüne Gentechnik. Warum muss es uns als Forschungspolitiker interessieren, dass es in Deutschland möglich ist, diese Themen zu erforschen? Weil sonst nur noch Forschungsergebnisse in Ländern entstehen, die nicht unsere Wertevorstellungen teilen und deren Methoden wir im Zweifelsfall auch nicht gutheißen.
Meine Damen und Herren, der Pakt für Forschung und Innovation hat sich seit 2005 als wirkungsvolles Instrument zur Stärkung des deutschen Wissenschaftssystems erwiesen. Diesen überaus erfolgreichen Kurs wollen wir mit einer Fortschreibung des Paktes für die Jahre 2021 bis 2025 fortsetzen. Die Unionsfraktion steht dazu, dass auch künftig ein verlässlicher Budgetaufwuchs von mindestens 3 Prozent für die außeruniversitären Forschungsorganisationen und die DFG notwendig ist.
Der Vorschlag der FDP, Bundesmittel, die für den Aufwuchs der DFG-Mittel bestimmt sind, für die Grundfinanzierung der Hochschulen umzuwidmen, lässt die Verantwortung der Länder völlig außer Acht.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Sie sind für die Grundfinanzierung der Hochschulen zuständig. Übrigens: Sie sind es anteilig auch für die Finanzierung der außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Darum wollen wir die Länder wieder an der Finanzierung des jährlichen Aufwuchses beteiligen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Der Aufwuchs sorgt dafür, dass die Forschungsorganisationen ihre Leistungsfähigkeit gut erhalten können. Damit sind wir bislang gut gefahren. Im forschungsintensiven Wirtschaftsbereich steht Deutschland hervorragend da. Als Unionsfraktion können wir uns vorstellen, einen Teil des jährlichen Budgetaufwuchses variabel zu gestalten. Die Leistungskomponente würde einen gelungenen Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft belohnen. Sie müsste aber je nach Mission der jeweiligen Forschungsorganisation gestaltet sein.
Wir schlagen vor, dass ein international besetztes Expertenteam künftig die Transfererfolge bewertet. Ein solches Peer Review würde mit dem bestehenden Monitoring des Paktes verzahnt. Wir wollen außerdem, dass die Forschungsorganisationen öffentlich noch verständlicher kommunizieren, in welchen Wissenschaftsfeldern aktuelle Schwerpunkte liegen. Damit können sie den gesellschaftlichen Nutzen verdeutlichen und die Bürgerakzeptanz erhöhen.
Ein persönliches Anliegen ist mir die Chancengerechtigkeit. Dass der FDP-Antrag dieses Thema besonders betont, ist eine gute Sache.
(Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Wir sanktionieren nur das Nichterreichen!)
Bei der Erhöhung des Frauenanteils in Führungspositionen des Wissenschaftssystems ist der Fortschritt seit Jahren eine Schnecke. Aber es gibt Fortschritte – man kann sie für die einzelnen Forschungsorganisationen im Monitoringbericht nachlesen –, aber eben nicht für alle Karrierestufen und Organisationen gleichermaßen und schon gar nicht für die einzelnen Disziplinen.
(Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Und auch nicht für die Zielgrößen!)
Den meisten von uns ist der Anstieg zu langsam. Weil das so ist, habe ich zwar eine gewisse Sympathie für die Idee, finanzielle Sanktionen folgen zu lassen, wenn die Forschungsorganisationen die von ihnen selbst gesetzten Ziele beim Frauenanteil verfehlen. Aber es muss einfach schneller gehen, meine Damen und Herren. Trotzdem: Noch halte ich am Kaskadenmodell fest.
(Dr. h. c. Thomas Sattelberger [FDP]: Wie lange noch?)
Zum Schluss noch mal auf den Punkt: Die deutschen Forschungsorganisationen wollen, sollen und können sich mit den international besten messen. Wir unterstützen sie dabei. Mit uns ist der Bund ein verlässlicher Partner für die Forschungsorganisationen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Michael Espendiller für die AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7342321 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 93 |
Tagesordnungspunkt | Pakt für Forschung und Innovation |