05.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 93 / Tagesordnungspunkt 28

Armin SchusterCDU/CSU - Verfassungsschutz des Bundes

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß jetzt gar nicht, wozu ich reden soll. Herr Dr. von Notz, das war eine gescheite Taktik. Jedoch mit Ihrem Antrag, so sympathisch Sie hier auch vorgetragen haben, hatte das wenig zu tun.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben Sie ihn nicht gelesen, Herr Schuster! Sie haben die falsche Rede eingepackt!)

Da könnte man ja vermuten, dass man sich einigen kann.

Aber jetzt mal im Ernst. Ich habe den Antrag extra mitgenommen und zitiere aus dem Antrag:

Überwachungen politischer Parteien und Gruppierungen … dürfen nicht den Anschein einer geheimdienstlichen Gesinnungsüberprüfung haben …

Das bezog sich auf das BfV.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Was ist daran falsch?)

Das BfV dürfe nicht den Eindruck erwecken, „Waffe im parteipolitischen Meinungskampf“ zu sein.

(Lachen bei der AfD – Dr. Alexander Gauland [AfD]: Das hört sich ja toll an!)

Seit Jahren gebe es erkennbare Missstände bezüglich praktisch aller Bereiche des BfV.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, das steht da nicht, Herr Schuster! Dann lesen Sie vor, was da steht!)

Es erkenne aufgrund fehlender klar definierter Aufgaben seine analytischen Defizite nicht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gebe einen unreflektierten Einsatz von V-Leuten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Allerdings!)

Die Wissenschaft – Achtung, meine Damen und Herren! – wisse mehr über die Entwicklungen im Bereich der Sicherheitslage als das BfV selbst.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gebe unsachgemäßes, rechtswidriges Geheimhalten, Vertuschen, Überwachung Unbeteiligter.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das stimmt alles!)

– Ja, genau, Herr Dr. Hahn. Ich habe dreimal meine Mitarbeiter gefragt: Kommt der Antrag von den Linken, oder kommt er von den Grünen? Nein, er kommt von den Grünen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Frank Pasemann [AfD]: Das ist doch beides richtig!)

Bisher dachte ich, es sei der destruktiv motivierten Sicherheitspolitik dieser Fraktion geschuldet, dass Sie in den letzten zehn Jahren alles abgelehnt haben, was wir hier vorgelegt haben. Unendlich viele Reformgesetze, unendlich viele Sicherheitsgesetze: Die Grünen haben immer abgelehnt – außer bei Besoldungserhöhungen für Beamte. Ich dachte bisher, das sei destruktiv motiviert. Nach diesem Antrag habe ich das Gefühl, Sie haben ein echtes Problem. Die Lücke zwischen den Fraktionen der CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, die Sie hier im Raum sehen, hat sich durch diesen Antrag unglaublich erweitert. Ich frage mich, wo die Lockerungsübungen sind, die Sie, wie ich in den deutschen Zeitungen lese, angeblich machen. Diese Lockerungsübungen uns oder den Sicherheitsbehörden gegenüber sind so verspannt. Sie sind reif für eine Therapie, wenn Sie wirklich glauben, was hier drinsteht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darunter geht es nicht, oder? Herr Schuster, wir sind ein besseres Niveau von Ihnen gewöhnt!)

Ich will als jemand, der in drei Untersuchungsausschüssen war, sagen: Es ist feige, sich nur am Bundesamt für Verfassungsschutz zu vergreifen. Es gab eine klare Analyse nach dem NSU-Komplex. Diese hat auch Wolfgang Wieland hier so vorgetragen: Es war ein komplettes Systemversagen der deutschen Sicherheitslandschaft, ja, auch deutscher Regierungen, auch der Gerichte und der Staatsanwaltschaften.

(Benjamin Strasser [FDP]: Leider keine Konsequenzen gezogen!)

Wenn Sie all diese Fehler bereinigen wollen, indem wir diese Behörden auflösen,

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat niemand gesagt!)

wenn Sie neue Institute und damit eine total verkopfte und akademisierte Landschaft schaffen wollen, dann machen Sie die deutsche Sicherheitsarchitektur kaputt; Sie machen sie nicht besser.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssen den Antrag lesen!)

Meine Damen und Herren, wir haben Gesetzesreformen gemacht. Ich bin sehr stolz, dass wir richtigerweise in Personal investiert haben. Wir haben etwas für die Finanzen getan: Die deutsche Sicherheitslandschaft im Bund hat in den letzten fünf Jahren einen einmaligen Aufwuchs erlebt. Wir machen es besser, wenn wir Fehler erkennen. Aber ein x-tes Institut, von dem Sie, glaube ich, selbst gar nicht wissen, wie es funktionieren soll, ist keine Lösung.

(Frank Pasemann [AfD]: Das Von-Notz-Institut! – Philipp Amthor [CDU/CSU], an den Abg. Frank Pasemann [AfD] gewandt: Anschlussverwendung!)

Es soll im BMI angesiedelt sein, das aber keine Rechts- und Fachaufsicht haben darf. Und gewählt wird das Ganze im Deutschen Bundestag. Geht es eigentlich noch komplizierter?

(Dr. Alexander Gauland [AfD]: Nein!)

Ich habe es nicht verstanden.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das merkt man!)

Vor allen Dingen verstehe ich nicht, warum Sie eine Behörde zerschlagen wollen, die uns x-fach erfolgreich gewarnt hat: ob im Fall „Rizin“, ob bei Albakr, ob bei Oldschool Society oder bei der „Gruppe Freital“. Das Bundesamt für Verfassungsschutz leistet eine hervorragende Arbeit und hat Ihre Diffamierungen nicht verdient, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Wir haben mit den Freien Demokraten und mit der SPD in den letzten zehn Jahren aufgrund der Fehler, die man in vielen Behörden erkannt hat, immer wieder unendlich reformiert. Ja, da hätten Sie einmal zustimmen können. Was dieser Antrag jetzt soll, erschließt sich mir nicht. Wenn Sie schon modern sein wollen, dann lassen Sie uns doch über Fragen der künstlichen Intelligenz, über die Sicherheit der Zukunft diskutieren. Lassen Sie uns über Front Doors reden, wenn Sie über Back Doors nicht reden wollen. Quellen-TKÜ, Onlinedurchsuchungen – –

Kollege Schuster, gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung der Kollegin Mihalic?

Ja. Endlich. Meine Zeit läuft ab.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann können Sie noch länger unseren Antrag vorlesen!)

– Also das erspare ich Ihnen lieber.

Vielen Dank, Herr Schuster, dass Sie die Frage zulassen –. Sie können natürlich auch noch länger aus unserem Antrag zitieren. Sie müssten ihn allerdings vorher lesen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Sie haben gerade gesagt: Die Einrichtung eines Analyseinstituts wäre aus Ihrer Sicht überhaupt nicht nötig; denn das Bundesamt für Verfassungsschutz in seiner heutigen Struktur liefert die wunderbaren Analysen ohne Weiteres. – Jetzt gehörten wir beide drei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen an. Im zweiten parlamentarischen Untersuchungsausschuss, dem wir zusammen angehört haben, ging es um den NSU-Komplex. Wir haben in diesem Untersuchungsausschuss mehrere Sachverständige beauftragt, die uns etwas über rechtsextremistische Strukturen in Deutschland und über die Gefahren, die damit zusammenhängen, über diverse Bezüge zum Nationalsozialistischen Untergrund und zu anderen Neonazi-Organisationen berichtet haben. Warum, glauben Sie, war das eigentlich nötig, wenn die guten Analysen vom Bundesamt für Verfassungsschutz kommen?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Dr. Mihalic, ich bin wirklich dankbar, dass Sie mich fragen; denn ich hätte sonst – das steht hier – nur noch 17 Sekunden Redezeit gehabt.

Wir sind uns doch einig, und zwar in einem einzigen Punkt – das können Sie aus dem Handlungsempfehlungskatalog des NSU-Untersuchungsausschusses herauslesen –: Wir haben deutlich kritisiert, dass die wissenschaftlich fundierte Analyse-, Prognose- und Szenarienfähigkeit des BfV gegenüber dem, was wir von dieser Behörde erwarten, nicht angemessen ist.

(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Das ist aber nicht besser geworden! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darum geht es in dem Antrag! Das erklären Sie jetzt mal Ihrer Fraktion!)

Darin sind wir uns einig.

Wir ziehen daraus aber jeweils eine andere Schlussfolgerung. Sie wollen das BfV zerschlagen und vielleicht irgendwelchen ehemaligen Studienkollegen einen neuen Job in irgendeiner verkopften Behörde besorgen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD und der FDP – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr Schuster, Sie können es besser!)

Wir wollen – ich glaube, das ist im ganzen Haus so; ich bleibe völlig unpolitisch – das tun, was man heute da draußen auch tut. Wir wollen das BfV prozessorientiert dort stärken, wo es nicht gut ist. Deswegen investieren wir in Personal. Wir haben dem BfV ins Stammbuch geschrieben: mehr Beschäftigte im höheren Dienst, höhere Analysefähigkeit, Wissenschaftskompetenz aufbauen. Warum haben wir das getan? Wenn wir das in dieser Behörde nicht haben – das ist der Kopf einer Behörde –, stellt sich die Frage, wie die operativen Maßnahmen in dieser Behörde denn dann gut funktionieren sollen.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Unsere Rede!)

Deswegen wollen wir hier eine Lösung aus einem Guss.

Aber die Idee, die wissenschaftliche und die szenarienhafte Kompetenz aus einer Behörde herauszulösen und sie in einem Institut anzusiedeln und zu denken, das BfV erfülle die operativen Aufgaben dann auf irgendeiner Grundlage, ist doch völlig irre.

Unsere Meinung ist – so steht es auch im GroKo-Handlungskatalog –: Diese Behörde braucht diese wissenschaftliche Basis in Köln und in Berlin-Treptow und nicht in irgendeinem Institut. Dann werden auch die operativen Einsätze besser. Danke, dass ich das noch einmal erklären durfte. So steht es nämlich schon seit 2013 im Empfehlungskatalog des NSU-Untersuchungsausschusses.

(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt haben wir 2019! Das sind sechs Jahre! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie lange wollen Sie noch regieren? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist Herr Seehofer noch im Amt?)

Ihr sehr geschätzter Kollege Wolfgang Wieland hat das genau so mitbeschlossen; da waren wir uns vollkommen einig.

(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Aber auch umsetzen! Wie viele Jahre wollen Sie regieren?)

– Ja, Herr Dr. von Notz, ganz ehrlich: Ihr spielt in irgendwelchen Bundestagsstuben Legoland und baut euch euer BfV irgendwie, während wir uns um Deutschland kümmern und versuchen, die Sicherheit der Zukunft herzustellen. Lasst uns über unseren Gesetzentwurf reden! Er macht das BfV besser.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Metin Hakverdi [SPD])

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bernd Baumann für die AfD-Fraktion.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7342339
Wahlperiode 19
Sitzung 93
Tagesordnungspunkt Verfassungsschutz des Bundes
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