Uli GrötschSPD - Verfassungsschutz des Bundes
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, lieber Kollege Konstantin Kuhle, dass du an dieser Stelle auf diesen wichtigen Aspekt hingewiesen hast. Wahrheit ist nun mal Wahrheit.
(Karsten Hilse [AfD]: Genau!)
Dass es der rechten Seite oftmals nicht schmeckt, wenn es um die Wahrheit geht, ist eine Erfahrung, die wir in den letzten Jahren ja eigentlich schon zur Genüge gemacht haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Wenn ich sage: „zur Genüge gemacht haben“, dann will ich das auch auf die Grünen beziehen: In der letzten Sitzungswoche standen wir zu dieser Zeit hier und haben über den sinnvollen Gesetzentwurf von Bündnis 90/Die Grünen zur Einführung eines unabhängigen Polizeibeauftragten diskutiert. Nun habe ich in dieser Woche eine Erfahrung mit Ihrer Fraktion gemacht, die ich schon öfter gemacht habe. Als ich Ihren Antrag gelesen habe, habe ich mich gefragt: Same procedure as last year? Die Antwort, die ich mir dann für mich selber gegeben habe, war: „Same procedure as every year“, weil es schon fast zur Tradition wird, dass Sie einmal im Jahr die Abschaffung des Bundesamtes für Verfassungsschutz fordern. Immer wieder haben wir es abgelehnt; aber im Kern bleibt die Forderung doch trotzdem die gleiche.
Herr Schuster, Sie haben sich eben gefragt, welche Rede Sie heute halten sollen. Sie hätten die Rede vom letzten Jahr noch mal nehmen können, weil im Antrag der Grünen im Kern das Gleiche drinsteht wie beim letzten Mal.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist noch nicht einmal lustig, Uli!)
Ich glaube, dass wir uns hier alle einig sind und dass auch die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen das unterschreiben würden, dass man verlorenes Vertrauen – das wurde eben angesprochen – in den Verfassungsschutz nicht dadurch zurückgewinnt, dass man ihn etwa acht Jahre nach seinem größten Desaster abschafft. Das ist bestimmt kein Mittel, um verlorenes Vertrauen wieder zurückzugewinnen, zumal in einer Zeit – und das ist eigentlich der wichtigste Punkt –, in der wir einen gut aufgestellten und parlamentarisch effektiv kontrollierten Verfassungsschutz so dringend brauchen wie schon lange nicht mehr; ich gehe noch mal ausführlicher darauf ein. Das zeigt uns auch die Festnahme der drei mutmaßlichen Terroristen in Schleswig-Holstein vom Januar dieses Jahres. Diese Festnahmen hätte es nicht gegeben, hätten wir in Deutschland keinen gut aufgestellten und effizient arbeitenden Verfassungsschutz. Das vergisst man aber oftmals. Sie vergessen oftmals, zu erwähnen, was dort an wertvoller Arbeit für die Sicherheit in diesem Land geleistet wird.
(Beifall des Abg. Hans-Jürgen Irmer [CDU/CSU])
Wenn irgendwas schiefläuft, ist es in gewissen Kreisen, so nenne ich das, politisch durchaus en vogue, zu schimpfen und auf den Verfassungsschutz einzuschlagen usw. usf. Dass wir uns in unserer parlamentarischen Arbeit mit den Fehlern auseinandersetzen, ist Kerngeschäft unserer Arbeit im Innenausschuss und in den anderen Gremien, die sich mit dem Verfassungsschutz befassen.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Aber es läuft zu viel schief!)
Aber dass man dann, wenn etwas gut gemacht wurde, das auch mal unterstreicht, halte ich für einen ganz wichtigen Aspekt, der hier auch nicht unerwähnt bleiben soll.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Philipp Amthor [CDU/CSU] – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich klatsche einfach mal für die Sozis!)
Ganz ohne Nachrichtendienste geht es offenbar auch bei den Grünen nicht. Aber statt des Verfassungsschutzes wollen Sie hier ein unabhängiges Institut zum Schutz der Verfassung und ein Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr. Ich habe mir, als ich neu im Bundestag war, die Liste angeschaut, welche Bundesämter es in Deutschland gibt. Ich musste bei manchen Titeln schmunzeln und habe mir gedacht, für was es nicht alles ein Bundesamt bei uns im Land gibt. Das Bundesamt für Gefahrenerkennung und Spionageabwehr haben wir schon, das würden wir aber nicht auf der Liste finden. Das ist gut untergebracht im Bundesamt für Verfassungsschutz, in der dort zuständigen Abteilung. Dass Sie trotzdem V-Leute einsetzen wollen, so steht es in Ihrem Antrag, bestätigt wiederum uns als Große Koalition in unseren Reformen, die wir hinsichtlich des Einsatzes von V-Leuten gemacht haben.
(Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Einfach so weitermachen, Uli!)
Hinzu kommt noch eine mysteriöse Stelle beim Bundeskriminalamt, die nachrichtendienstlich arbeiten soll – Stichwort: Trennungsgebot –, und all das, was sonst noch im Antrag steht.
Ist das wirklich Ihr Ernst, liebe Kolleginnen und Kollegen?
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht im Antrag der anderen, nicht bei uns!)
Ich habe mich ernsthaft gefragt, ob Sie es ernst meinen mit diesem Antrag in diesen Zeiten. Während wir hier sitzen, arbeiten beim Bundesamt für Verfassungsschutz die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im internationalen Verbund an der Aufklärung der Strukturen des Attentäters von Christchurch. Wir haben alle in dieser Woche gelesen, dass er in der ganzen Welt unterwegs war, dass er dem Vernehmen nach auch in Deutschland war, dass er europäische Bezüge hatte. Wenn wir eine Antwort darauf haben wollen, welche Bezüge es nach Deutschland gibt, welche deutschen Neonazis und Rechtsextremisten er als seine Brüder angesehen hat, dann brauchen wir das Bundesamt für Verfassungsschutz, weil es die einzige Stelle ist, die uns die Antwort auf solche komplexen Fragen geben kann, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Weiterentwickeln muss man das Amt, ganz ohne Frage. Das liegt auch in der Natur der Sache und in der Art und Weise, wie das Amt arbeitet und für was es zuständig ist. Ich glaube, dass wir dem auch gerecht werden. Es geht dabei aber immer um die maßvolle Mitte. Es geht nicht darum, entweder das Amt abzuschaffen oder es mit allen Befugnissen auszustatten, die irgendjemandem irgendwann einmal einfallen. Es geht um die maßvolle Mitte. In keiner Sicherheitsbehörde des Bundes ist wahrscheinlich dieser Spagat zwischen Freiheit und Sicherheit auf der einen Seite so notwendig und auf der anderen Seite so schwierig, wie es im Bundesamt für Verfassungsschutz der Fall ist. Gerade deshalb ist es gut, dass es so effektiv kontrolliert wird, wie wir das nach Kräften jede Woche tun.
Ich will Ihnen zum Ende meiner Rede noch einen Grund geben, warum ich glaube, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz gerade in diesen Zeiten – ich habe das eingangs schon gesagt – so extrem wichtig ist. Wir alle spüren doch, dass sich in diesem Hause etwas verändert hat, dass das Klima im Deutschen Bundestag, hier im Plenarsaal und in den Ausschusssälen und sogar auf den Gängen des Hauses seit 2017 anders geworden ist. Mit der Klimaveränderung meine ich Nachrichten, die es ihrer Lesart nach gar nicht gibt.
(Zurufe von der AfD)
– Sie sind diejenigen, die den Klimawandel leugnen, um das noch einmal zu sagen.
Wir haben doch alle erst gestern gelesen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass ein Funktionär der Identitären Bewegung ein Mitarbeiter bei einem Abgeordneten der AfD-Bundestagsfraktion ist. Gerade für solche Sachverhalte, wenn den Rechtsextremisten oder gar den Neonazis der Zugang zu diesem Haus ermöglicht wird, brauchen wir ein gut arbeitendes und ein genau so arbeitendes Bundesamt für Verfassungsschutz, wie es die Abteilung Rechtsextremismus jetzt tut. Ich bin sehr wohl der Meinung, dass die Prioritäten beim Amt absolut richtig gesetzt sind. Ich bin darauf gespannt, welche Antworten ihr neuester und wohl interessantester Prüffall der letzten Jahrzehnte hervorbringen wird.
Ich bin froh, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass das BfV diese Bestrebungen, die ich eben genannt habe, ganz klar einstuft und sehr genau beobachtet. Zum Schutz vor den Demokratiefeinden gibt es den Verfassungsschutz. Um die Verfassung vor den Feinden derselbigen zu schützen, dafür gibt es das Bundesamt für Verfassungsschutz heute, und
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
dafür brauchen wir es auch in Zukunft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat Benjamin Strasser für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7342343 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 93 |
Tagesordnungspunkt | Verfassungsschutz des Bundes |