Peter BoehringerAfD - Target-Forderungen
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Target2 ist eine Kreditvergabe der Bundesbank – ohne Fälligkeitsdatum, ohne Tilgungspflicht, ohne Obergrenze, ohne Verzinsung. Es sind unbesicherte, nicht beitreibbare und damit buchhalterisch wertlose Forderungen in Höhe von fast drei Bundesjahreshaushalten. Das Target-System ist faktisch das größte Einzelvehikel der Euro-Rettung.
Die Bundesbank leugnet jedoch weiterhin den Risikocharakter dieser Position. Die Euro-Zone wird faktisch als unveränderbar, ja, als unsterblich angesehen, obwohl es überall im Gebälk knirscht. Gestern hat Italien seine Defizitprognose stark erhöht. Die UBS und das „Handelsblatt“ haben eben diese Woche einen Italo-Exit diskutiert.
Grenzüberschreitende Zahlungen wurden jahrzehntelang und noch bis 2007 gänzlich ohne Target-Salden vom privaten Interbankenmarkt ausgeführt. Es gab auch vor Target2 eine florierende Handelswelt. Und ja: Wir hatten das hier schon früher ausgeführt. Warum also eine weitere Target-Debatte? Es gibt dafür gleich vier gute Gründe.
Erstens. Es zeigt sich aktuell, dass die Erwartung der Bundesbank von 2018 leider falsch war, dass mit dem Ende der Anleihekäufe der EZB auch der Target-Saldo nicht mehr weiter aufwachsen würde. Dem ist nicht so. Es gab einen einmaligen technisch bedingten Saldenrückgang im Januar dieses Jahres. Der aktuelle Märzsaldo liegt nun wieder um 70 Milliarden Euro höher als im Februar: mit 941 Milliarden Euro nun fast wieder auf Allzeithoch.
Übrigens hoffte schon die Bundesregierung vor sieben Jahren auf Besserung bei Target2. Staatssekretär Koschyk sagte hier 2012:
Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die … Target-Salden … mittelfristig wieder zurückbilden.
Seitdem sind sie um Hunderte Milliarden Euro angewachsen. Die Billion ist jetzt in Sichtweite. Die langjährigen Ursachen der Target-Salden, Handelsungleichgewichte als Folge des Euro-Wechselkurskorsetts und Kapitalflucht aus den Euro-Südländern, sind unverändert wirksam. Es hat sich nichts geändert.
Zweiter Grund. Die im Herbst 2018 angekündigte Statutenänderung des ESZB zur Neuregelung seiner Zahlungssysteme ist noch nicht vollzogen. Es besteht also weiterhin eine gute Chance für dieses Haus und für die Bundesregierung zur Beteiligung bei der Neuregelung, die wir jetzt endlich ergreifen sollten.
Dritter Grund. Es hat sich ein kleiner Fortschritt ergeben: Es wurde immerhin eine Anhörung – schauen wir mal – zu dem Thema in den Ausschüssen angekündigt. Unser heute vorliegender Antrag ist dazu ein Beitrag.
Der vierte Grund. Auch in der wissenschaftlichen Debatte ebenso wie beim Bundesrechnungshof und beim Rechnungsprüfungsausschuss wurden nun in jüngster Zeit Stimmen hörbar, die im Target-System ein Risiko auch beim Fortbestand des Euro sehen – eine Sichtweise, die wir schon seit Jahren teilen und einnehmen. Die Target-Forderungen sind in jedem Fall, das heißt nicht erst bei einem Zusammenbruch des Euro-Systems insgesamt, riskant.
So besteht etwa bei einem Italo-Exit ein hohes Risiko, wenn die Aktiva der Banca d’Italia und der italienischen Geschäftsbanken aufgrund von ansteigenden Zinsen notleidend würden, während genau dann auch die 490 Milliarden Euro italienischer Target-Verbindlichkeiten zinstragend würden. Italien müsste gerade dann in einer ohnehin kritischen Lage auch noch sehr hohe Target-Zinsen bezahlen. Ein solcher Ausfall würde zunächst bei der EZB und dann anteilig bei der Bundesbank zu einem hohen Milliardenschaden führen. Schon materiell ist im Falle eines Euro-Austritts vollkommen klar, dass die Target-Forderungen der Bundesbank durch Italien und Spanien als größte indirekte Schuldnerstaaten niemals mehr werthaltig zurückgezahlt werden können. Volkswirtschaftlich stehen diese Forderungen voll im Risiko.
(Beifall bei der AfD)
Übrigens war die Bundesregierung bereits 2012 ehrlicher bei der Risikoeinschätzung. Staatssekretär Kampeter sagte damals:
Risiken aufgrund der TARGET2-Salden können sich nur bei Austritt eines Landes aus der Währungsunion manifestieren.
Heute wird dieses Verlustrisiko aber geleugnet mit dem Verweis auf die EZB als Gegenpartei der Bundesbank, die ja nie illiquide werden könnte. Das ist das Narrativ. Das ist bei 941 Milliarden Euro unverantwortlich; denn auch für eine EZB gilt: Schon eine Teilabschreibung der Target-Forderungen würde sofort das Eigenkapital der EZB aufzehren. Damit wäre auch die Bundesbank als Gesellschafterin der EZB betroffen. Trotzdem bildet die Bundesbank leider keine Rückstellungen für Ausfälle. Sie könnte dann auf Jahre hinaus keinen Gewinn in den Bundeshaushalt abführen, was den Bundeshaushalt entsprechend belasten würde. Unter Umständen müsste die Bundesbank sogar mit Steuergeld in bis zu dreistelliger Milliardenhöhe rekapitalisiert werden. Der deutsche Steuerzahler würde die Zeche für die Rettung der Euro-Südstaaten bezahlen.
(Beifall bei der AfD)
Manche sagen jetzt: Die USA haben doch auch ein Target-System. – Das ist korrekt. Aber die EZB hat 1999 eine schlechte Kopie des sogenannten Fedwire-Systems geschaffen. Den praktisch unbegrenzten Risikotransfer, der im europäischen Target-System eingebaut ist, gibt es bei Fedwire nicht. Die Regionalbanken des Fed-Systems müssen jährlich ihre Defizite mit realen Vermögenswerten hinterlegen, formell sogar mit Gold. Und so kommt es im US-Target-System niemals zu solch absurden Verwerfungen wie im EZB-Target-System.
Target2 macht fast die Hälfte des deutschen Nettoauslandsvermögens von etwa 2 Billionen Euro aus. Das sind materialisierte Ersparnisse der Deutschen im Ausland. Diese sind zu fast 50 Prozent unverzinst und ausfallgefährdet.
(Beifall bei Abgeordneten der AfD)
Auch Goldkäufe wären deshalb ein guter Weg: Für 941 Milliarden Euro bekommen Sie etwa 25 000 Tonnen Gold oder fast achtmal das offizielle Staatsgold der Bundesbank.
Kürzlich hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich entschieden, im Rahmen der neuen Basel‑III-Richtlinie künftig auch Gold als Kapital für Banken zu akzeptieren. Das ist neu und eine Chance für die Banken, Eigenkapital bzw. Volksvermögen aufzubauen und zugleich den unsäglich hohen Target-Saldo abzubauen. Gold ist eben doch kein barbarisches Relikt, wie es manchmal in keynesianischen Kreisen heißt.
(Beifall bei der AfD)
Leider sagt die Bundesbank noch immer: Target-Salden sind keine Forderungen, sondern irrelevante Verrechnungspositionen. – Doch, es sind Kreditforderungen; sonst könnte man sie nicht als solche auf der Aktivseite der Bilanz verbuchen. Die Frage ist übrigens sogar offiziell geklärt: EZB-Chef Draghi hat von Italien verlangt, im Falle eines Austritts seine Target-Verbindlichkeiten zurückzuzahlen. Das ist ganz klar ein Anzeichen für einen Kredit. Natürlich könnte und würde Italien das nicht tun: bei einem Italo-Exit als letzte EU-Morgengabe noch seine 490 Milliarden Euro zu begleichen. Natürlich ist das absurd. Deshalb: Target als risikofreie Verrechnungsgröße abzutun, wie es die Bundesbank tut, kommt einer Ablehnung ordentlicher Bilanzbuchführung gleich und damit einer Leugnung der hinter den Salden stehenden ökonomischen Zusammenhänge.
(Beifall bei der AfD)
Hier ist ein Verrechnungssystem zu einer für Deutschland unbeherrschbaren, bald billionenschweren Kreditquelle für Ausländer mutiert.
Beteiligen Sie sich also im Ausschuss bitte konstruktiv an der Suche nach einer gangbaren Lösung für den deutschen Steuerzahler. Die AfD schlägt mit dem Goldkauf und mit der Wiederbesicherung solcher Forderungen und damit implizit auch einer Wiederverzinsung einige Optionen vor.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Mit Goldkäufen kennen Sie sich ja aus!)
Es gäbe daneben auch andere, zum Beispiel einen Mittelmeer-Fonds, gespeist aus deutschen Krediten, oder ein großes Investitionsprogramm zur Sanierung deutscher Schulen und Straßen, das aber operativ durch Firmen aus Euro-Südländern durchgeführt werden müsste. Das wäre zwar keynesianisch schuldentreibend, würde aber den sonst wertlosen Target-Saldo der Bundesbank einer guten Verwendung zuführen. Das wäre doch vielleicht sogar etwas für die linken Fraktionen dieses Hauses. Also sprechen wir bitte im Ausschuss und vielleicht auch in der Anhörung darüber.
Danke schön.
(Beifall bei der AfD)
Für die Fraktion der CDU/CSU hat das Wort der Kollege Dr. André Berghegger.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Sonja Amalie Steffen [SPD])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7343423 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Target-Forderungen |