Achim KesslerDIE LINKE - Gesetzliche und private Krankenversicherung
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Bundesregierung ist uneins beim Thema Zweiklassenmedizin, und eine Regierung, die uneins ist, ist handlungsunfähig. Bei einem Problem, das für die Bürgerinnen und Bürger so wichtig ist, ist das untragbar.
(Beifall bei der LINKEN)
Gesundheitsminister Spahn hält die Zweiklassenmedizin für ein – ich zitiere – gefühltes Problem. Die Wahrheit ist aber: Wer bei einem Arzt oder einer Ärztin anruft, wird als Erstes gefragt, wie er versichert ist. Ärztinnen und Ärzte lassen sich bevorzugt in wirtschaftsstarken Gebieten mit vielen Privatversicherten nieder. Das ist einer der Gründe für den Ärztemangel auf dem Land.
(Beifall bei der LINKEN – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: 10 Prozent Privatversicherte!)
Genau diese Ungleichheit will Die Linke mit ihrem Antrag beenden.
(Beifall bei der LINKEN)
Herr Lauterbach von der SPD hat im Unterschied zu Minister Spahn vor kurzem an dieser Stelle behauptet, dass mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz die Zweiklassenversorgung bei Fachärzten abgebaut werde. Aber vom Wahlkampfversprechen der SPD, die Zweiklassenmedizin durch eine Bürgerversicherung grundsätzlich zu überwinden, ist nicht mehr viel zu hören.
(Beifall bei der LINKEN)
Hand aufs linke Herz, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD, Sie wissen doch so gut wie wir: Mit ein paar Extrasprechstunden und ein paar Extravergütungen für Ärztinnen und Ärzte ist das Problem der Zweiklassenmedizin nicht behoben.
(Beifall bei der LINKEN)
Die private Versicherungswirtschaft ist da wesentlich ehrlicher. Sie wirbt ganz offen mit Ersteklassemedizin. Ich zitiere: Werden Sie jetzt Patient erster Klasse, Chefarztbehandlungen, Krankentagegeld, keine Rezeptgebühren und optimale Behandlungsmethoden. – Dazu sagen wir: Nein, wir wollen die private Krankenversicherung als Vollversicherung abschaffen.
(Beifall bei der LINKEN)
90 Prozent der Menschen sind in der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie beruht auf dem Prinzip der Solidarität. Das heißt, die Höhe der Beiträge richtet sich nach der Höhe der Einkommen, und die Leistungen richten sich nach dem individuellen Bedarf. Das finden wir gut.
(Beifall bei der LINKEN)
In der privaten Krankenversicherung dagegen sind nur 10 Prozent der Bevölkerung. Sie hilft den Besser- und Spitzenverdienern, ihre Einkommen der Solidargemeinschaft zu entziehen. Das, meine Damen und Herren, ist unsozial und muss beendet werden.
(Beifall bei der LINKEN)
Doch die Bundesregierung tut genau das Gegenteil. Sie hält die private Krankenversicherung künstlich am Leben. Ungefähr die Hälfte der Privatversicherten sind Beamtinnen und Beamte. Bei insgesamt sinkenden Mitgliederzahlen der privaten Krankenversicherungen stieg die Anzahl der privatversicherten Beamtinnen und Beamten von 2012 auf 2017 um 250 000 auf insgesamt 4,35 Millionen. Ohne die staatliche Beihilfe für Beamtinnen und Beamte wäre die private Krankenversicherung schon längst verschwunden. Diese staatliche Subventionierung der Versicherungskonzerne muss aufhören.
(Beifall bei der LINKEN)
Zur Wahrheit gehört auch, dass die niedrigen Zinsen auf den Kapitalmärkten und die sinkende Zahl der Privatversicherten zu steigenden Beiträgen führen, was im Alter oft zur Kostenfalle wird. Ich bekomme ganz oft Briefe von Rentnerinnen und Rentnern, die ihre Beiträge für die private Krankenkasse nicht mehr bezahlen können. Sie fallen dann in die Basis- und Notlagentarife. Meine Damen und Herren, das ist sozialpolitisch verantwortungslos.
(Beifall bei der LINKEN)
Auch volkswirtschaftlich ist die private Krankenversicherung völlig unsinnig. 2017 lagen die Ausgaben für ärztliche Leistungen in der privaten Krankenversicherung bei 6,3 Milliarden Euro, das entspricht 718 Euro pro Person. Die tatsächlichen Kosten liegen sogar noch um ein Viertel höher, weil die Beihilfe noch obendrauf kommt. Das macht dann also ungefähr 1 000 Euro pro Privatversicherten. In der gesetzlichen Krankenversicherung liegen die Ausgaben bei 38 Milliarden Euro, also bei 529 Euro pro Versicherten. Meine Damen und Herren, das bedeutet, dass die Behandlung in der privaten Krankenversicherung doppelt so teuer ist wie in der gesetzlichen Krankenversicherung. Davon profitieren nur die Versicherungskonzerne und die Ärzte. Wir sagen: Schluss damit!
(Beifall bei der LINKEN)
Außerdem ist die private Krankenversicherung mit einer unglaublichen Bürokratie verbunden. Die gesetzliche Techniker Krankenkasse hat ungefähr so viele Versicherte wie alle Privatversicherungen zusammen. Sie kommt mit 13 900 Angestellten aus. Für die privaten Versicherungen dagegen arbeiten sage und schreibe 87 000 Beschäftigte, das sind sechsmal so viele. Noch dazu sind diese Versicherungsmakler oft prekär beschäftigt und von Erfolgsprämien abhängig. Sehr geehrte Damen und Herren von der CDU und von der FDP, hier haben Sie einmal die Chance, wirklich etwas gegen unsinnige Bürokratie zu tun.
(Beifall bei der LINKEN)
Wir sagen: Die Privatversicherten müssen in die gesetzliche Krankenversicherung überführt werden, ohne Wenn und Aber.
(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Das ist Ihre Antwort?)
Mit dieser Forderung ist Die Linke nicht allein. Nach einer repräsentativen Umfrage aus dem Jahr 2018 würden sogar 40 Prozent der Privatversicherten ein einheitliches Versicherungssystem bevorzugen.
Unser Antrag packt das Problem Zweiklassenmedizin bei der Wurzel; denn wir brauchen eine solidarische Gesundheits- und Pflegeversicherung, die allen Menschen zugutekommt.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Der nächste Redner ist der Kollege Erich Irlstorfer, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7343455 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 95 |
Tagesordnungspunkt | Gesetzliche und private Krankenversicherung |