11.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 95 / Tagesordnungspunkt 9

Michael Roth - Bundeswehreinsatz EU NAVFOR Somalia - ATALANTA

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Vielen Dank. – Lieber Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, bleiben Sie doch! Das ist ein wichtiges Thema. – Seit mehr als zehn Jahren leisten deutsche Soldatinnen und Soldaten, Zivilistinnen und Zivilisten im Auslandseinsatz Atalanta einen ganz wichtigen Beitrag zu Sicherheit und Stabilität am Horn von Afrika. Zehn Jahre sind für einen Kriseneinsatz eine lange Zeit.

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Zu lange!)

Selbstverständlich stellen sich nicht wenige von uns die Frage: Brauchen wir diesen Einsatz überhaupt noch?

(Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Gute Frage!)

Das gilt vor allem angesichts eher hoffnungsvoller Nachrichten vom Horn von Afrika seit dem Friedensvertrag zwischen Äthiopien und Eritrea, der sehr positiv auf die gesamte Region ausstrahlt. Ja, es stimmt: Das Thema der Sicherheit auf den Meeren ist zuletzt etwas aus den Schlagzeilen geraten. Es gibt Entwicklungen, die uns, aber vor allem auch den Menschen in der Region Mut machen. Doch gerade der bisherige Erfolg dieser Operation ist der Grund, warum ich Sie heute abermals um eine Verlängerung des deutschen Beitrags bitte.

Erinnern wir uns zurück an den Sommer 2008. Damals waren mehr als 30 Schiffe am Golf von Aden gekapert worden. Mit rücksichtsloser Brutalität wurden zahlreiche Schiffe angegriffen. Viele Menschen wurden entführt – was für eine menschliche Tragödie! Dank der Operation Atalanta hören und lesen wir heute nur noch wenig von Piraten, die Schiffe kapern und Seeleute als Gefangene nehmen. Dank Atalanta konnten in den vergangenen zehn Jahren mehr als 1,8 Millionen Tonnen Nahrungsmittel sicher von Schiffen des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen zu notleidenden Menschen in der Region geliefert werden. Dank Atalanta können mittlerweile viele Fischer wieder ihrer Arbeit nachgehen. Das ermutigt Menschen, in ihre Heimat zurückzukehren, weil sie wieder eine wirtschaftliche Perspektive haben.

Diese Erfolgsgeschichte ist allerdings nicht einfach vom Himmel gefallen, sondern sie ist das Ergebnis von zehn Einsatzjahren. Und es gibt noch eine Menge zu tun; denn die kriminellen Netzwerke, die einst den Nährboden vor allem für Piraten darstellten, sind nach wie vor aktiv. Sie verfolgen jetzt vorrangig andere kriminelle Machenschaften wie den Waffenschmuggel, den Handel mit Drogen und das Schleusen von Menschen über den Seeweg. Leider kommt es seit dem Frühjahr 2017 auch vereinzelt wieder zu Piraterie: Am 16. Oktober vergangenen Jahres wurde ein Frachter im Indischen Ozean von Piraten angegriffen. Ein privates Sicherheitsteam an Bord des Frachters konnte den Angriff glücklicherweise abwehren. Ein Aufklärungsflugzeug von Atalanta verfolgte das bei dem Überfall benutzte Boot. Anschließend stellten Kräfte der Operation Atalanta das Boot auf dem Meer sicher, zerstörten es, ohne dass jemand zu Schaden kam.

(Armin-Paulus Hampel [AfD]: Welche Kräfte?)

All das war möglich und wurde koordiniert durch das in die Operation integrierte Maritime Lagezentrum.

Europäische Teamarbeit macht die Schlagkraft der Operation aus. An der Operation beteiligen sich 19 Mitgliedstaaten der Europäischen Union und mit Serbien und Montenegro zwei Beitrittskandidaten. Das zeigt: Gemeinsam können wir viel mehr erreichen als jeder für sich allein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Was tun wir gemeinsam mit anderen? Es geht natürlich nicht nur um diese militärische Komponente. Von ziviler Krisenprävention über Stabilisierung und Konfliktnachsorge bis hin zu langfristiger Entwicklungszusammenarbeit ist Deutschland aktiv, und mit unserer Unterstützung kann dringend benötigte humanitäre Hilfe für Menschen in und aus Somalia geleistet werden. Dafür haben wir in diesem Jahr bislang 65 Millionen Euro zur Verfügung gestellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht nur der von mir beschriebene Vorfall macht deutlich: Die Region und insbesondere Somalia sind nach wie vor sehr fragil. Das Seegebiet am Horn von Afrika bleibt immer noch sehr gefährlich für die Handelsschiffe, die Europa mit der Arabischen Halbinsel und Asien verbinden. Dabei gilt: Die Bedrohungen für die Schifffahrt am Horn von Afrika wandeln sich. Neue Konflikte destabilisieren die Region. Daher muss sich auch Atalanta in den nächsten Jahren weiterentwickeln.

Wir haben bereits in den vergangenen Jahren unsere Beteiligung verändert und angepasst: So ist unser Aufklärungsflugzeug samt Besatzung jeweils saisonal vor Ort, nämlich dann, wenn die See ruhig ist und die maritimen Aktivitäten von kleineren Schiffen im Seegebiet am Horn von Afrika zunehmen. Die Obergrenze des Mandats hatten wir schon 2016, als sich Deutschland zum vorerst letzten Mal mit Schiffen beteiligte, abgesenkt. Jetzt werden wir dies erneut tun. In Zukunft wird die Obergrenze von 600 auf 400 Soldatinnen und Soldaten sinken. Damit bleibt Deutschland aber nach wie vor einer der Haupttruppensteller.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bedrohungen verändern sich, aber sie bleiben. Das Horn von Afrika ist eine Brücke zwischen Europa, der Arabischen Halbinsel und Asien. Seine Stabilität und Sicherheit sind von globaler Bedeutung. Die Präsenz internationaler Akteure in dieser Region steigt kontinuierlich. Die Werte und Interessen Deutschlands und der Europäischen Union dürfen dabei nicht ins Hintertreffen geraten. Mit der Operation Atalanta haben wir ein Instrument in der Hand, das auf vielen Ebenen dazu beitragen kann, dass dies nicht geschieht – jetzt nicht und auch in Zukunft nicht.

Ich bitte Sie daher, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Namen der Bundesregierung um Ihre Zustimmung zur Fortsetzung der deutschen Beteiligung an Operation Atalanta.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vielen Dank. – Als Nächster spricht für die Fraktion der AfD der Kollege Armin-Paulus Hampel.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7343521
Wahlperiode 19
Sitzung 95
Tagesordnungspunkt Bundeswehreinsatz EU NAVFOR Somalia - ATALANTA
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