11.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 95 / Tagesordnungspunkt 10

Gyde JensenFDP - Bericht - Deutsche humanitäre Hilfe im Ausland

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Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Bericht der Bundesregierung zeigt drei verschiedene Dinge ganz eindeutig auf: Humanitäre Krisen nehmen weltweit zu, und der Bedarf an humanitärer Hilfe ist so hoch wie nie zuvor. Zur Versorgung der Opfer von Konflikten und Naturkatastrophen wurde 2017 die Rekordsumme von 23,5 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt. Und die Lücke zwischen den bereitgestellten Mitteln und dem Bedarf wächst trotzdem seit Jahren immer weiter an; momentan wird nur circa die Hälfte des tatsächlich Notwendigen gedeckt.

Mit diesen Fakten müssen die Weltgemeinschaft und vor allen Dingen auch die Bundesregierung umgehen. Deutschlands wachsender Beitrag dazu darf hier natürlich lobend hervorgehoben und nicht zu gering geschätzt werden; denn die deutschen Mittel – Frau Dr. Kofler hat es angesprochen – wurden in den vergangenen Jahren vervierfacht. Das zeigt den Willen, hier Hilfe im Rahmen unserer Möglichkeiten bereitzustellen.

Mit dem Wissen, dass die Dauer humanitärer Krisen stetig zunimmt und dass diese konfliktreicher und komplexer werden, reicht es aber nicht aus, in diesem Bericht sämtliche Einzelmaßnahmen aus den beteiligten Häusern zusammenhanglos aufzulisten. Was wir für eine bessere humanitäre Hilfe brauchen, liefert die Große Koalition in ihrem Bericht nicht. Es gibt kein abgestimmtes Konzept, es gibt keine deutlich erkennbare übergeordnete, ressortübergreifende Strategie, und es gibt keine wirkliche Ursachenorientierung zur nachhaltigen Konfliktlösung – weder hier im Bericht noch in dem angekoppelten Entschließungsantrag der Koalition.

Schwerpunkt der Arbeit meiner Fraktion ist deshalb, auf eine verstärkte Krisenprävention und Krisenfrüherkennung hinzuwirken, und im Mittelpunkt steht für uns die Frage, wie man Hilfe besser koordinieren und vernetzen kann.

(Beifall bei der FDP)

Hier sind vor allen Dingen zwei Dinge entscheidend:

Erstens. Es braucht aus unserer Sicht mehr Aufmerksamkeit für Good Governance – inklusive staatlicher Strukturen, die dazu beitragen, dass Konflikte erst gar nicht entstehen bzw. sie schnell gelöst werden. Wir müssen dafür eigene Ansprüche und Bedingungen formulieren – und das am besten in einem neuen ministeriumsübergreifenden Grünbuch für vernetztes Handeln.

Zweitens braucht es eine Stärkung der Resilienz multilateraler Institutionen, um in diesen immer komplexer werdenden Krisen flexibler reagieren zu können. Es kann nicht sein, dass wir immer erst aufwendige Geberkonferenzen veranstalten müssen und Organisationen quasi zu Bittstellern bei Staaten machen, der Bedarf jedoch letztlich überhaupt nicht ausreichend gedeckt wird.

(Beifall bei der FDP)

Wir müssen daher eine bessere Balance zwischen zweckgebundenen und nicht zweckgebundenen Mitteln finden; denn das Mindeste, was man hier von der Bundesregierung verlangen kann, ist, ihre internationale Zusage von 30 Prozent nicht zweckgebundener Mittel auch einzuhalten. Diesen Wert hat die Bundesregierung nie erreicht. Sie liegt tatsächlich deutlich darunter, nämlich mindestens 10 Prozent unter ihrer Zusage. Das ist tatsächlich nicht nur fahrlässig, sondern dadurch kommt auch die Hilfe nicht dort an, wo sie am meisten gebraucht wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit dem Sitz im UN-Sicherheitsrat kommt auf Deutschland eine besondere Verantwortung zu – vor allem mit dem Vorsitz in diesem Monat –, und zwar die Verantwortung, zu zeigen, dass die internationale Gemeinschaft in Zukunft besser für die Verhinderung von und die Reaktion auf humanitäre Krisen gerüstet ist. Es wäre daher die Aufgabe der Bundesregierung, multilaterale Strukturen zu stärken und gemeinschaftlich mehr in Krisenprävention zu investieren. Der aktuelle Bundeshaushalt zeigt allerdings, dass die Bundesregierung die Schere zwischen multilateralen und bilateralen Vereinbarungen immer weiter öffnet, und das ist in Zeiten, in denen es deutlich mehr Multilateralismus braucht, ein fatales Signal.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, perfide ist – und das muss an dieser Stelle gesagt werden –, dass Sicherheitsratsmitglieder wie China und Russland international ihren humanitären Verpflichtungen nicht im Geringsten nachkommen, gleichzeitig aber aus dem Leid der Menschen in bestimmten afrikanischen Ländern, beispielsweise mit leicht erkauftem Zugang zu Rohstoffen, Profit schlagen.

Meine Redezeit ist leider schon abgelaufen. – Was häufig vergessen wird, hier zu erwähnen, ist, dass es eben nicht nur Krisen im Jemen oder in Syrien gibt, sondern auch die sogenannten zehn vergessenen Krisen, die das Auswärtige Amt erst letztens wieder vorgestellt hat.

Sie müssen jetzt zum Schluss kommen.

Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. – Deswegen brauchen wir nach Istanbul einen neuen humanitären Weltgipfel, mit dem wir entscheidend dazu beitragen, zu zeigen, dass Zivilisiertheit und Humanität ihren Wert in der Welt nicht verloren haben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Für die Fraktion Die Linke hat nun die Kollegin Nastic das Wort.

(Beifall bei der LINKEN – Michael Brand [Fulda] [CDU/CSU]: Jetzt Helm auf!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7343538
Wahlperiode 19
Sitzung 95
Tagesordnungspunkt Bericht - Deutsche humanitäre Hilfe im Ausland
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