11.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 95 / Tagesordnungspunkt 17

Niema MovassatDIE LINKE - Unternehmensstrafrecht

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag fordern wir, in Deutschland ein Unternehmensstrafrecht einzuführen. Es leuchtet nicht ein, dass jemand, der 5 Euro klaut, strafrechtlich verfolgt wird, während Unternehmen, die kriminelle Geschäfte tätigen, die einen massiven Steuerbetrug begehen oder die elementare Menschenrechte verletzen, ungeschoren davonkommen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen. So ist es bisher, weil wir kein Unternehmensstrafrecht haben. Die Linke will das ändern.

CDU/CSU und SPD schreiben auf Seite 126 ihres Koalitionsvertrages – ich zitiere –:

Wir wollen sicherstellen, dass Wirtschaftskriminalität wirksam verfolgt und angemessen geahndet wird. Deshalb regeln wir das Sanktionsrecht für Unternehmen neu.

Wo sind denn Ihre Vorschläge dazu?

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Warten Sie es ab! Seien Sie doch mal nicht so ungeduldig!)

Jetzt muss Die Linke die Koalition schon an ihren eigenen Koalitionsvertrag erinnern.

(Beifall bei der LINKEN – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: So ist das!)

Die damals SPD-geführte Landesregierung in NRW hatte einen Gesetzentwurf für ein Unternehmensstrafrecht vorgelegt. Ich fand den ganz gut, aber der ist im Sande verlaufen. Packen Sie den doch endlich wieder aus!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, Unternehmen haben fast alle Rechte, welche auch natürliche Personen haben. Sie können Eigentum erwerben, sie werden durch die Grundrechte geschützt, sie genießen alle Vorteile des demokratischen Rechtsstaates. Anders als für jede natürliche Person gilt für sie aber nicht das scharfe Schwert des Strafrechts. Diese Rosinenpickerei ist inakzeptabel.

(Beifall bei der LINKEN – Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Sie sind auch keine natürlichen Personen!)

Zahlreiche deutsche Unternehmen sind in Skandale verwickelt, etwa die Deutsche Bank. Ein ehemaliger Mitarbeiter warf ihr eine kriminelle Unternehmenskultur vor. Das ist angesichts der Verwicklungen der Deutschen Bank in den Cum/Ex-Skandal, den größten Steuerbetrug der Geschichte, kein Wunder. Oder nehmen wir den Dieselskandal: Volkswagen und andere Autokonzerne haben systematisch Kunden betrogen, indem sie Fahrzeuge mit manipulierten Abschalteinrichtungen verkauften.

Zwar wird gegen einzelne Mitarbeiter von VW und der Deutschen Bank ermittelt, aber in solchen Fällen gibt es eine Gesamtverantwortung des Konzerns. Volkswagen und die Deutsche Bank gehören als Unternehmen auf die Anklagebank – und nicht nur einzelne Mitarbeiter.

(Beifall bei der LINKEN)

In 21 von 28 EU-Staaten haben wir bereits ein Unternehmensstrafrecht.

(Sebastian Steineke [CDU/CSU]: Schlimm genug!)

In Deutschland gibt es nur § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz. Dieser ermöglicht es, Unternehmen für Straftaten ihrer Leitungspersonen zur Verantwortung zu ziehen. Aber es ist halt, wie das Falschparken, nur eine Ordnungswidrigkeit.

Nehmen wir den VW-Dieselskandal: Nach § 30 Ordnungswidrigkeitengesetz kommt maximal eine Geldbuße von 10 Millionen Euro in Betracht – dafür, dass Zehntausende Kunden betrogen worden sind.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Und viele Millionen Vermögensabschöpfung!)

Das zahlt doch fast jeder Großkonzern aus der Portokasse.

(Beifall bei der LINKEN – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Aber die Vermögensabschöpfung! Herr Kollege, das wissen Sie doch!)

Zudem muss die Staatsanwaltschaft nicht mal ermitteln. Sie ist da bei Ordnungswidrigkeiten frei. Eine Studie der Universität Köln zeigt, dass es fast niemals Ermittlungen gegen Unternehmen gibt.

Hätten wir ein Unternehmensstrafrecht, wären erstens Geldstrafen gemessen an der Wirtschaftskraft der Unternehmen möglich, zweitens müsste dann die Staatsanwaltschaft ermitteln, und drittens wäre bei systematischem kriminellem Verhalten eines Unternehmens mehr als nur eine Geldstrafe möglich, etwa Lizenzentzüge oder auch Betriebsbeschränkungen.

Verfassungsrechtlich spricht nichts gegen ein Unternehmensstrafrecht. Kriminalpolitisch ist ein Unternehmensstrafrecht notwendig, um der kriminellen Energie einiger Unternehmen gerecht werden zu können.

Der Kölner Entwurf für ein Verbandssanktionengesetz – geschrieben von vielen Wissenschaftlern – wäre eine super Vorlage.

(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ja!)

Setzen Sie von der Koalition sich bitte damit auseinander!

(Beifall bei der LINKEN)

Hören Sie auf den Deutschen Richterbund, auf das katholische Hilfswerk Misereor

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Dass Sie sich mal auf die Katholiken beziehen, hätte ich auch nicht gedacht!)

und auf die Menschenrechtsorganisation ECCHR! Sie und viele mehr fordern strafrechtliche Sanktionierungen von Unternehmen, wenn diese kriminelle Machenschaften aufweisen. Setzen Sie endlich um, was Sie Ihren Wählerinnen und Wählern im Koalitionsvertrag versprochen haben!

Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Jan-Marco Luczak, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7343638
Wahlperiode 19
Sitzung 95
Tagesordnungspunkt Unternehmensstrafrecht
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