Sarah RyglewskiSPD - Verbandsklagerecht
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vielen Dank, Frau Rottmann, dank Ihrer Rede wissen wir jetzt auch, warum wir uns hier mit zwei fast inhaltsgleichen Anträgen beschäftigen. Herzlich willkommen! Die Grünen sind im Europawahlkampf angekommen.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU])
Ich muss Ihnen sagen: Das tut der Qualität Ihrer politischen Arbeit nicht gut. Das Einzige, was mir an Ihrem Antrag gefällt, ist der Titel: „Kollektiven Rechtsschutz ausbauen und nicht ausbremsen“. Super; darin sind wir uns, glaube ich, fast alle einig. Genau das würde ich mir auch von Ihnen wünschen; denn das, was Sie hier jetzt schon seit Monaten machen, ist mehr als kontraproduktiv für den kollektiven Rechtsschutz in Deutschland.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
Wir haben mit der Musterfeststellungsklage ein wirksames Instrument eingeführt, mit dem die Verbraucherinnen und Verbraucher zügig und ohne Kostenrisiko ihr Recht einklagen können. Das ist ein Meilenstein für den Verbraucherschutz in Deutschland,
(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das glauben Sie doch selber nicht!)
den Sie nicht müde werden kaputtzureden –
(Beifall bei der SPD)
und das, obwohl mit der Klage des vzbv gegen VW mittlerweile die europaweit größte Sammelklage auf den Weg gebracht wurde. Sie können noch so sehr dagegenreden: Das ist einfach Fakt, und das ist ein Meilenstein für den Verbraucherschutz.
(Beifall bei der SPD)
Was machen die Grünen? Sie befassen sich nicht im Detail mit dem Instrument und werben auch nicht dafür, dass noch mehr Verbraucherinnen und Verbraucher auf diesem Weg zu ihrem Recht kommen. – Durch dieses Instrument wird es zu mehr Klagen kommen, und zwar auch in den Bereichen, für die wir das Gesetz originär gedacht haben. Ich betone es noch mal: Das ist hier keine Lex VW, vielmehr geht es uns gerade darum, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht daran gehindert werden, aufwendige – auch zeitaufwendige – Verfahren zu führen. Sie wissen vielleicht auch gar nicht, dass sie Rechtsansprüche haben. Wir sagen: Das können Verbände besser identifizieren, am Beispiel vzbv sieht man das ja ganz deutlich. Wenn an einer Stelle vermehrt Probleme auftreten, dann kann ein Verband das Instrument nutzen und sagen: Wir reichen eine Klage ein, öffnen das Klageregister, machen die Verbraucherinnen und Verbraucher darauf aufmerksam, dass sie hier Rechte haben, und ermöglichen es ihnen, ihre Rechtsansprüche durchzusetzen.
Genau dieses Instrument haben wir bei der Musterfeststellungsklage gewählt. Damit wollen Sie sich aber überhaupt nicht befassen.
(Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oh!)
Wir haben die Musterfeststellungsklage als Verbandsklage ausgestaltet. Wenn man das tut, dann muss man die Klagebefugnis im Sinne des Verbraucherschutzes an bestimmte Kriterien knüpfen.
(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die kein Mensch versteht!)
Anders geht es nicht, und das ist im deutschen Recht auch nichts Ungewöhnliches.
Wir haben das Thema Unterlassungsklagegesetz, an dem sich die Kriterien orientieren, schon genannt. Wenn man den Grünen zuhört, dann kann man den Eindruck gewinnen, hier wären unüberwindliche Hürden aufgebaut worden, als wäre es für einen Verband quasi unmöglich, sich hier als qualifizierte Einrichtung eintragen zu lassen. Das ist mitnichten der Fall.
Laut der Argumentation der Grünen ist es beispielsweise unzumutbar, dass ein Verband, der eine Klage stellvertretend für eine Vielzahl von Menschen führt, eine gewisse Mitgliedszahl haben soll, nachgewiesene Verbraucherinteressen vertritt, über die entsprechende Kompetenz in diesem Bereich verfügt, die Klage nicht zum Zweck der Gewinnerzielung führt und in seinen finanziellen Mitteln nicht durch Zuwendungen von Unternehmen bestimmt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist für mich, ehrlich gesagt, eine Selbstverständlichkeit.
Deswegen, denke ich, ist es auch nachvollziehbar, dass wir sagen: Diese Kriterien möchten wir auch auf europäischer Ebene angewandt sehen. Ich habe von Ihnen, ehrlich gesagt, noch kein vernünftiges Argument dagegen gehört.
Ich glaube nicht, dass irgendwer in diesem Raum ein Interesse daran hat, dass wir so was nicht an Kriterien knüpfen, mit der Folge, dass dann zum Beispiel die großen Automobilkonzerne in Deutschland einfach den verbraucherschützenden Verband Deutschland gründen könnten und damit klageberechtigt wären. Wollen wir so was? Nein.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben sie doch gar nicht nötig! Geht auch so oder so!)
Eine Liste der registrierten qualifizierten Einrichtungen ist im Übrigen auch auf der Internetseite des BMJV für alle einsehbar. Wer das googelt, findet das sofort. Die Behauptung, für Verbraucherinnen und Verbraucher sei nicht nachvollziehbar, wer klagebefugt ist, wie Sie das in Ihrem Antrag ausführen, ist einfach falsch.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Ihre Unterstellung, wir wollten gezielt – und dann auch noch in persona der Ministerin höchstpersönlich – unliebsame Verbände von der Klagebefugnis ausschließen oder gar eine Klage durch einen vermeintlich unbefugten Verband vereiteln, ist nichts anderes als eine Unterstellung.
(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Frau Winkelmeier-Becker genau so gesagt!)
In Bezug auf die von Ihnen genannte Deutsche Umwelthilfe ist das besonders absurd. Wenn Sie „BMJV, klagebefugte Verbände“ googeln, dann stellen Sie fest: Die Deutsche Umwelthilfe erfüllt die Kriterien; sie ist klagebefugt.
Ich würde Ihnen deswegen einfach mal empfehlen, dass Sie die Dinge auch mal auseinandersortieren.
Wir haben hier über das Pro und Kontra des von Ihnen favorisierten Gruppenverfahrens diskutiert, und wir haben in verschiedenen Diskussionen – sowohl in diesem Hohen Hause als auch im Ausschuss – auch darüber gesprochen, dass wir uns anschauen werden, ob wir mit der Musterfeststellungsklage tatsächlich den Effekt erreichen, den wir erreichen wollen. Unsere Zielsetzung ist, dass wir schnell zu einer Feststellung von Rechten kommen und dass Rechtsklarheit herrscht, und wir setzen darauf, dass sich die Leistungsansprüche dann über Schiedsverfahren klären lassen. Wir haben aber auch immer gesagt: Wir behalten das im Auge und gucken uns an, was wir machen müssen, wenn das nicht erfolgt.
Es war notwendig, die Systematik der Musterfeststellungsklage so auszugestalten, wie wir das getan haben. Sich einfach hinzustellen und zu sagen: „Das nehmen wir weg; es ist eine Unzumutbarkeit, Kriterien an klagebefugte Verbände zu knüpfen“, macht deutlich, dass Sie einfach nicht bereit sind, sich auf die innere Logik dieses Konstruktes einzulassen und hier die Vorteile zu sehen. Das ist pure Ideologie, oder besser gesagt – mit Verweis auf das Datum –: Das ist Wahlkampf.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Katharina Willkomm für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7344132 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 96 |
Tagesordnungspunkt | Verbandsklagerecht |