Johannes FechnerSPD - Verbandsklagerecht
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer auf den Tribünen! Eigentlich wollte ich Herrn Brandner loben, dass er als Vorsitzender des Rechtsausschusses ausnahmsweise mal wieder an einer rechtspolitischen Debatte teilnimmt. Sie schwänzen die ja regelmäßig. Aber ehrlich gesagt: Sie haben so viel Unsinn erzählt, dass ich auch in Zukunft auf Ihre Präsenz verzichten kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Stephan Brandner [AfD]: Wir nehmen das zu Protokoll!)
Wer recht hat, der muss auch recht bekommen. Das war unser Leitmotiv, als wir vor wenigen Monaten die Musterfeststellungsklage eingeführt haben; denn es kann nicht sein, dass Hunderttausende beim Dieselskandal betrogen wurden und sich dann nicht getraut haben, gegen große Konzerne vor Gericht zu gehen, und auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche verzichtet haben. Das konnte nicht so bleiben. Deswegen haben wir mit der Einführung der Musterfeststellungsklage einen Meilenstein für den Verbraucherschutz geschaffen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Bei den damaligen Beratungen haben wir überlegt: Machen da 10 000 mit, machen da 12 000 mit? Unsere Erwartungen wurden übertroffen: 412 000 Verbraucherinnen und Verbraucher haben sich der Klage gegen VW angeschlossen, die wegen unseres Gesetzes zur Einführung einer Musterfeststellungsklage erst möglich wurde. 412 000 Personen fühlen sich nicht mehr im Stich gelassen und machen jetzt ihre Rechte geltend. Ich finde, das ist ein wirkliches starkes Zeichen für unseren Rechtsstaat, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Ein besonderer Dank gilt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundesamtes für Justiz, die bei der Eintragung in die Klageregister wirklich Schwerstarbeit geleistet haben. Ein ganz herzliches Dankeschön nach Bonn von dieser Stelle!
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Mit großer Spannung sehen wir der Terminierung entgegen, die das Oberlandesgericht Braunschweig für den Herbst angekündigt hat. Der entscheidende Vorteil der Musterfeststellungsklage besteht darin, dass der Verbraucher ohne Kostenrisiko seine Rechte geltend machen kann. Wenn die Musterfeststellungsklage zu seinen Gunsten ausgeht, dann gehen wir davon aus, dass es Vergleichsangebote gibt.
(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Ja! Und wenn nicht?)
Wo das nicht der Fall ist, wird eben noch einmal geklagt werden müssen.
Man kann durchaus diskutieren – da bin ich bei Ihrem Thema, Frau Rottmann –, ob bei einfach zu berechnenden Kleinstbeträgen eine Leistungsklage im Rahmen des kollektiven Rechtsschutzes sinnvoll ist, ob wir im New Deal for Consumers auch Elemente der Leistungsklage unterbringen müssen; das ist überhaupt keine Frage. Aber wir sind der Meinung: Speziell für die Konstellation beim Dieselskandal ist die Feststellungsklage das bessere Mittel.
Nun aber zu Ihrem Antrag. Ich finde es – hier muss ich deutlich werden – einfach kleinkariert und schlecht, wie Sie krampfhaft versuchen, dieses Erfolgsmodell, das vom vzbv, vom ADAC und von vielen Verbänden gelobt wird, kaputt- und kleinzureden.
(Katharina Willkomm [FDP]: Es gibt doch noch gar kein Ergebnis!)
Sie besorgen damit das Geschäft der Gegner des Verbraucherschutzes und der Konzerne, die diesen Verbraucherschutz nicht haben wollen. Das kann doch nicht wahr sein!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wenn das Oberlandesgericht Stuttgart nun erstinstanzlich entschieden hat, dass die Klagebefugnis fehlte, dann ist doch nicht die Klageart daran schuld, sondern der klagende Verband hat den Fehler gemacht; das muss man so deutlich sagen. Das ist ein Standardvorgang in der Justiz: Wenn die Klagebefugnis fehlt, wird eine Klage abgelehnt.
Dann fordern Sie auch noch, dass die Bundesregierung auf EU-Ebene nicht an den Prinzipien der Musterfeststellungsklage festhält. Ich darf daran erinnern, dass die zuständige EU-Kommissarin, Frau Jourova, bei uns im Rechtsausschuss war und ich sie gefragt habe: Was halten Sie von der Musterfeststellungsklage? Ist das vereinbar mit Ihren Ideen für den New Deal for Consumers? – Sie hat ausdrücklich – das können Sie nachlesen – gesagt, dieses Modell entspreche ihren Vorstellungen.
(Amira Mohamed Ali [DIE LINKE]: Das stimmt nicht! Was reden Sie denn da?)
– Das kann man nachlesen. – Es kann also überhaupt keine Rede davon sein, dass diese Musterfeststellungsklage nicht in das Konzept der EU-Kommission passt, meine lieben Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Schauen wir doch mal, was die Grünen, wenn es ernst wird, an kollektivem Rechtsschutz wollen. Sie reden und schreiben die Musterfeststellungsklage bei jeder Gelegenheit kaputt. Da kann man sich ja mal überlegen: Welches Instrument wollen Sie denn, wenn es ernst wird? Mit welcher Klage, mit welchem Rechtsschutz wollen Sie dem Verbraucher dienen? Schauen wir dazu ins Jamaika-Sondierungspapier. Was steht dort? Da heißt es – ich zitiere –:
Im Sinne einer Verbesserung der Rechtsdurchsetzung führen wir eine Musterfeststellungsklage ein.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU] – Dr. Heribert Hirte [CDU/CSU]: Hört! Hört!)
Ja, was ist das denn? Die ganze Zeit reden Sie dagegen, aber wenn es ernst wird in den Verhandlungen, dann kommen Sie auf das Modell zurück, das wir umgesetzt haben. Das ist pure Heuchelei, liebe Kolleginnen und Kollegen von den Grünen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Jürgen Martens [FDP]: Das war unser Vorhaben!)
Richtig seltsam wird Ihr Antrag, wenn Sie der Bundesregierung den Vorschlag vorwerfen, dass die Klagebefugnis eines Verbandes Engagement für den Verbraucherschutz voraussetzt.
(Dr. Manuela Rottmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei der Gruppenklage brauche ich keinen Verband!)
Ja, was sonst soll denn ein solcher Verband machen? Er soll sich um den Verbraucherschutz kümmern. Das muss auch in der Klagebefugnis geregelt sein. Hätten Sie im Rahmen des Dieselskandals etwa die VW-Stiftung oder den Verband der Automobilindustrie klagen lassen wollen? Wohl kaum, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
An der Stelle darf ich auch noch mit dem Gerücht aufräumen, dass die SPD die Deutsche Umwelthilfe raushalten wollte. Auf gar keinen Fall! Ich sehe nach wie vor keinen Grund, warum nicht auch die Deutsche Umwelthilfe ein Verfahren anstrengen sollte. Das ist durchaus möglich mit den Regelungen, die wir beschlossen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Musterfeststellungsklage haben wir einen Meilenstein für den Verbraucherschutz geschaffen. Ich bin dem Bundesjustizministerium und insbesondere unserer äußerst engagierten Justizministerin sehr, sehr dankbar dafür, dass sie hier so gut gearbeitet und das Thema vorangetrieben hat. Bei den Verhandlungen über den Inhalt eines europäischen kollektiven Rechtsschutzes im Rahmen des New Deal for Consumers sollte unsere Musterfeststellungsklage deshalb als eine Möglichkeit des kollektiven Rechtsschutzes enthalten sein.
Ich komme zum Schluss. Wir lehnen den Antrag ab. Ihr Antrag ist unnötig und in der Sache kleinkariert. Hören Sie endlich auf, die Musterfeststellungsklage kleinzureden! Sie verunsichern die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das Wort hat der Kollege Dr. Jürgen Martens für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7344139 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 96 |
Tagesordnungspunkt | Verbandsklagerecht |