Sascha RaabeSPD - Europäischer Entwicklungs- und Hilfsfonds
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Letzte Woche Freitag haben wir hier auch einen Antrag der AfD beraten. Frau Weidel und Herr Gauland waren auch anwesend. Herr Frohnmaier hat dazu geredet und sich empört, als ich erklärt habe, warum es wegen des Klimaschutzes und für den Erhalt des Regenwaldes sinnvoll ist, auch mit Ländern wie Brasilien und Indonesien Entwicklungszusammenarbeit zu machen. Nachdem er gesagt hat, die Gelder würden dann der deutschen Rentnerin verloren gehen, habe ich ihm gesagt, was ein Streichen der Entwicklungszusammenarbeit für arme, hungernde Kinder in Togo und Ghana bedeuten würde, die ich kurz zuvor auf einer Dienstreise gesehen habe. Daraufhin hat er gesagt: Das ist ja unverschämt. Wie können Sie uns unterstellen, dass wir die Entwicklungszusammenarbeit mit Ghana und Togo streichen wollen? – Frau Weidel und Herr Gauland haben sich fürchterlich aufgeregt.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Wir regen uns gar nicht auf!)
Ich sage, die Dreistigkeit zu haben, eine Woche später einen Antrag vorzulegen, der fordert, genau diesen Kindern, diesen Menschen in Subsahara-Afrika, den ärmsten Menschen der Welt, die Mittel zu streichen, ist unerhört. Das können Sie Ihrem Kollegen Frohnmaier auch ausrichten.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Er ist ja heute nicht da. Vielleicht ist er in Moskau. Richten Sie ihm das bitte aus.
Herr Raabe, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung aus der AfD-Fraktion?
Ja, die Kollegen sollen sich ja nicht benachteiligt fühlen.
Verehrter Dr. Raabe, müssten Sie nicht zugeben, dass die Nothilfe, die von der Welthungerorganisation, von der UNO, von diversen Unterorganisationen
(Zuruf von der SPD: Die Namen mal lernen! Dann melden!)
und natürlich auch bilateral von Deutschland geleistet wird, eine ganz andere Geschichte ist als die vor 60 Jahren aufgelegte Entwicklungshilfe, sei es im Rahmen des EEF oder der Entwicklungsdekaden etc.? Keiner bestreitet die Notwendigkeit von und die Bereitschaft zu echter Nothilfe. Wir reden hier aber von einem Strukturwandel, der die Nothilfe zu einer Dauereinrichtung macht und die Probleme nicht beseitigt, sondern zementiert und zum Geschäftsmodell in aller Welt macht.
Ich bin sehr froh, dass Sie diese Frage stellen; denn ich gebe nie die Hoffnung auf, dass vielleicht das eine oder andere hängen bleibt, wenn man Ihnen die Dinge ein paarmal erklären kann.
Zu dem – das ist das Erste –, was sie zur Nothilfe gesagt haben: Zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Nothilfe besteht ein Unterschied. Die Nothilfe kommt vom Auswärtigen Amt; das ist humanitäre Hilfe.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Sie sprechen von Strukturwandel. Uns geht es mit der Entwicklungszusammenarbeit darum, eben nicht nur nach einer Klima- oder Wetterkatastrophe Weizen in die entsprechenden Regionen zu liefern, sondern wir wollen langfristig Hilfe zur Selbsthilfe geben, damit Menschen durch gute Bildung, durch Jobs vorankommen. Sie brauchen gute Straßen, über die sie die Märkte erreichen können, damit sie Weiterverarbeitung machen können, vor Ort zum Beispiel aus Kakaobohnen Schokolade herstellen können. Das wollen wir mit der Entwicklungszusammenarbeit erreichen. Das ist natürlich auch Teil des EEF. Es geht eben nicht nur um Nothilfe.
(Abg. Dr. Harald Weyel [AfD] nimmt wieder Platz)
– Nein, nein, ich bin noch nicht fertig mit meiner Antwort.
Aber bitte nicht mehr so lange. – Herr Weyel, dann stehen Sie noch mal auf.
Ich möchte noch weiter ausführen, weil ich schon hoffe, dass Sie es begreifen. – Entwicklungszusammenarbeit bedeutet eben etwas ganz anderes als Nothilfe, und dafür werden wir auch weiterhin Mittel brauchen.
Das Nächste, das Sie begreifen müssen – Sie haben die bilaterale Hilfe angesprochen –: Diese afrikanischen Länder haben auch nur eine Administration. Zurzeit geben sich viele Geber ständig die Klinke in die Hand:
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Kommt noch die Antwort? Das ist doch keine Antwort auf die Frage!)
Japaner, US-Amerikaner, Chinesen und auch die Mitgliedstaaten der Europäischen Union – alle wollen Entwicklungszusammenarbeit machen.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist gar nicht die Antwort auf die Frage!)
Deshalb ist es sinnvoll, dass wir europäisch zusammen mit diesen Ländern Entwicklungszusammenarbeit machen, damit der Bildungsminister von Ghana oder Togo nicht immer 50 Ansprechpartner hat. Eine effiziente Entwicklungszusammenarbeit zeichnet sich dadurch aus, dass man die Sachen bündelt.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das soll eine Antwort sein? Das ist doch keine Antwort! Kommen Sie doch mal zum Ende!)
Wenn Sie in Ihren Antrag geschrieben hätten, dass Sie die Mittel für den EEF, die Sie streichen wollen, wenigstens wieder in die nationalen Haushalte zurückführen wollen, dann hätte man darüber noch reden können. Aber Sie schreiben, dass Sie die Mittel ersatzlos streichen wollen.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Das ist doch keine Antwort!)
Und Milliarden Euro für die Ärmsten der Armen ersatzlos zu streichen, ist zynisch und unverantwortlich. Und das machen wir hier nicht mit, meine sehr verehrten Damen und Herren!
(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist gut, dass es heute auch Anträge gibt, die sich nicht nur auf die klassische Entwicklungszusammenarbeit beziehen, sondern auch auf die Handelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Afrika.
(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Denn so wichtig es ist, dass wir mit Entwicklungsprojekten Strukturen schaffen, angefangen mit Bildung, und Menschen in die Lage versetzen, dass sie zum Arzt gehen können etc., so wichtig ist es auch, dass wir für faire Handelsbedingungen sorgen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Im Augenblick sind die Handelsbeziehungen nicht fair. Wir haben ein System, das vor allem Agrarrohstoffe oder Mineralien aus dem Bergbau aus Afrika nach Europa und in die Industrieländer befördert. Durch die Weiterverarbeitung werden hier hohe Profite erzielt. Derjenige, der vor Ort Kaffee- oder Kakaobohnen anbaut, bekommt nur wenig. Und das müssen wir ändern.
Das ist übrigens auch ein großes Thema im Hinblick auf die Entwaldung. Wir haben diese Woche im Ausschuss ein Expertengespräch gehabt, in dem gesagt wurde, dass 70 bis 80 Prozent der jährlichen Entwaldung weltweit darauf zurückzuführen sind, dass Wälder für Agrarflächen abgeholzt werden und zum Beispiel Soja angebaut wird, das dann wiederum als billiges Tierfutter nach Deutschland und Europa kommt. Das sind eigentlich die Schrauben, an denen man drehen muss.
Ich hätte mir einen Antrag zum Landwirtschaftssubventionsfonds der Europäischen Union gewünscht, nicht zum Europäischen Entwicklungsfonds. Den müssen wir kürzen, da müssen wir ran,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
um eine faire Landwirtschaftspolitik in der Europäischen Union zu betreiben. Es darf nicht länger sein, dass subventionierte Lebensmittel, die wir hier herstellen, zu deren Erzeugung Regenwälder für den Anbau entsprechender Futtermittel abgeholzt werden, etwa Fleisch oder weiterverarbeitete Produkte, auch Milch, in Entwicklungsländer zurückfließen und, weil sie billig sind, dort die lokalen Märkte zerstören.
Deswegen glauben wir, dass das, was die Europäische Union jetzt mit den neuen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen vorgeschlagen hat, nicht der richtige Weg ist. Vielmehr sollten wir schauen, dass wir im Rahmen einer neuen afrikanischen Freihandelszone, die sich im Aufbau befindet, mit dem gesamten Kontinent eine Vereinbarung abschließen. Ich habe in Ghana mit dem dortigen Wirtschafts- und Handelsminister vor zwei Wochen ein langes Gespräch geführt. Er sagte unter anderem, er fühle sich von der Europäischen Union erpresst; er fühle sich in dieses Freihandelsabkommen reingezwungen, und es bereite ihm große Sorge für den Mittelstand und die Wirtschaft.
Ich glaube, es wäre besser, die Präferenzsysteme weiter auszudifferenzieren.
(Beifall der Abg. Heike Hänsel [DIE LINKE])
Das wäre auch WTO-konform. Dann können wir auch darauf achten, dass Menschenrechte und Arbeitnehmerrechte dort eingehalten werden. Denn es kann nicht sein, dass Kinderarbeit dort noch an der Tagesordnung ist. Wenn Produkte nach Deutschland geliefert werden, dann muss sichergestellt sein, dass Menschenrechte eingehalten werden, dass die Produkte ohne Kinderarbeit hergestellt wurden, dass eine faire Entlohnung der Menschen erfolgt. Da müssen wir auch mal schauen, ob wir nicht diese ganzen Kartelle aufbrechen können, die auch die Preise für Kaffee und Kakao weltweit so niedrig halten.
Herr Raabe, das machen wir jetzt nicht mehr.
Wir brauchen fairen statt freien Handel, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Und wir brauchen die Einhaltung der Redezeit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Danke, Sascha Raabe. – Letzter Redner in der Debatte: Uwe Feiler für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7344156 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 96 |
Tagesordnungspunkt | Europäischer Entwicklungs- und Hilfsfonds |