12.04.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 96 / Zusatzpunkt 14

Kirsten LühmannSPD - Bahninfrastruktur

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Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen! Verehrte Zuhörende! Die Fraktion Die Linke fordert in ihren Anträgen den Stopp des Abbaus der Bahninfrastruktur und die Reaktivierung von Bahnstrecken. Ich habe mir mal angeguckt, was das bedeutet. Die Zahlen, die ich gesehen habe, sind etwas andere; dazu gleich mehr.

Wenn Strecken stillgelegt werden, heißt das nicht unbedingt, dass alle Gleise abgebaut werden. Viele von diesen Strecken werden als Nebenbahnen, also zum Rangieren, weiterbenutzt, oder sie werden verkauft und sind dann private Gleisanschlüsse, zum Beispiel für Firmen.

Die Güterverkehrsstellen, deren Schließung Sie ansprechen, werden auch nicht abgebaut. Das heißt nur, dass sie nicht mehr regelmäßig angefahren werden. Sie können jederzeit reaktiviert werden.

Sie haben in Ihrem Antrag noch einen wichtigen Punkt angesprochen. Das ist der Fahrkartenverkauf im Bahnhof. Ja, da werden viele Verkaufsstellen geschlossen oder privatisiert. Das hat allerdings auch mit den Ausschreibungsbedingungen von Landesnahverkehrsgesellschaften zu tun. Zugegeben, diese Privatisierungen funktionieren manchmal besser und manchmal leider nicht so gut.

Die Strecken, die stillgelegt werden, werden auch oft nicht komplett abgebaut, sondern es wird, wie bei der sogenannten Amerikalinie, von einer doppelgleisigen Bahnstrecke ein Gleis weggenommen, und eins bleibt liegen. Bei dieser Amerikalinie haben wir jetzt aber zum Beispiel beschlossen, dass wir Teile des abgebauten Gleises wieder hinbauen.

Also Zahlen hin, Zahlen her: Ich denke, wir können uns darauf einigen, es wurde einfach zu viel abgebaut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Noch einmal zu der Frage: Wer entscheidet eigentlich, dass eine Strecke stillgelegt wird? Das Eisenbahn-Bundesamt hat dazu ein sehr kompliziertes Verfahren: Als Erstes muss festgestellt werden, dass die Strecke nicht mehr gebraucht wird – in der Regel ist dort zwei Jahre lang kein Zug mehr gefahren –, und es darf auch niemanden geben – das ist ganz wichtig –, der diese Strecke irgendwann wieder bedienen will. Erst dann wird sie stillgelegt. Ich denke, das sind die begründeten Ausnahmen, von denen Sie in Ihrem Antrag sprechen. Es ist so, dass im Moment solche Ausnahmen gemacht werden. Ganz aktuell: In diesem Monat sind wieder Strecken stillgelegt worden, unter anderem in Bochum der ehemalige Anschluss an das Opel-Werk. Das waren circa 500 Meter. Das Gelände von Opel ist inzwischen veräußert. Die neuen Besitzenden haben kein Interesse an dem Anschluss. Also wird das Gleis stillgelegt.

Aber es gibt auch Stilllegungen, die im Interesse von Kommunen sind. In Niedersachsen gibt es eine Kommune, in der es eine Bundeswehrkaserne gab. Die hatte ein Gleis, um Bundeswehrmaterial zu verladen. Die Kaserne gibt es nicht mehr. Das Gleis ist über. Die Kommune würde da gerne einen Fahrradweg bauen. Ich glaube, wir sind uns einig: Es kann durchaus sinnvoll sein, so ein Gleis stillzulegen.

(Sabine Leidig [DIE LINKE]: Aber wenn da ein Wohngebiet entsteht?)

Viele dieser stillgelegten Strecken sind aber Nahverkehrsstrecken. Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen, dass die Länder inzwischen Programme haben, um diese Strecken zu reaktivieren, auch um Haltepunkte zu reaktivieren, damit dort wieder Verkehre stattfinden können. Der Bund unterstützt diese Ansinnen – das wurde auch schon gesagt – mit den weit über 8 Milliarden Euro, die wir jährlich an die Länder für den Nahverkehr geben; und das ist auch sehr gut so.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das reicht aber nicht!)

Wir haben auch die zuletzt 2016 angepasste Gleisanschlussförderrichtlinie. Mit dieser Richtlinie können eigentlich unwirtschaftliche Gleisanschlüsse für Firmen wirtschaftlich werden, und wir können dadurch viele Güter, die sonst auf der Straße transportiert worden wären, auf die Schiene holen. Also, das ist ein weiteres Konzept der Bundesregierung, das durchaus Sinn ergibt.

Insgesamt werden wir in diesem Jahr die Rekordsumme von 10,7 Milliarden Euro für die Schieneninfrastruktur ausgeben. Das sind 1,3 Milliarden Euro mehr als noch im Jahr 2018. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Linksfraktion, Ihre erste Forderung – deutliche Erhöhung der Finanzmittel für die Schiene – haben wir somit erfüllt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Sabine Leidig [DIE LINKE]: Das reicht aber nicht!)

Wir müssen aber auch zur Kenntnis nehmen, dass es beim Neubau von Schienenwegen, den Sie ja fordern, immer mehr Bürgerproteste gibt. Auch da haben wir gesagt: Wir wollen lieber Ausbau vor Neubau. – Aber auch beim Ausbau haben wir das Problem: Ausbau heißt mehr Züge, mehr Züge heißt mehr Lärm, und davon sind die Menschen an den Strecken natürlich zu Recht nicht gerade begeistert. Wir haben deshalb Dialogforen initiiert, in denen die Menschen mit der Bahn und der Politik Kompromisse erarbeiten. Noch in diesem Jahr werden wir in diesem Hause über mehrere Anträge debattieren, in denen es um zusätzliches Geld für übergesetzliche Maßnahmen geht, die sich aus den Beschlüssen dieser Dialogforen ergeben. Ich bin mir sicher, wenn es sinnvoll ist, werden wir dieses Geld auch zur Verfügung stellen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine ganz zentrale Kennziffer für die Frage „Funktioniert unsere Politik, oder nicht?“ ist die Verkehrsleistung. Es ist schon darauf hingewiesen worden, dass wir Rekordzahlen im Bereich der bestehenden Infrastruktur verzeichnen können: Im Schienenpersonennahverkehr betrug die Zahl der Reisenden im Jahr 2018 knapp 2,7 Milliarden Personen. Das sind im Vergleich zu zehn Jahren zuvor fast 40 Prozent mehr. Eindeutig eine Erfolgsgeschichte, liebe Kollegen und Kolleginnen!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Schienenpersonenfernverkehr haben wir 2018 insgesamt etwa 150 Millionen Fahrgäste befördert. Das sind gut 4 Prozent mehr als im Jahr davor. Also: Mit unserer Politik haben wir allem Anschein nach den richtigen Weg eingeschlagen. Sie trägt Früchte.

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir mit dem Schienennetz, so wie es jetzt ist, natürlich nicht zufrieden sind. Die Vorredner haben schon viele Programme angesprochen. Ich ergänze nur noch das Programm für 740-Meter-Züge, also für lange Güterzüge: Noch in diesem Jahr werden die ersten Strecken dafür ertüchtigt; die Planungen laufen. Wir haben ein Sonderprogramm, das es uns deutlich erleichtern wird, die Güterverkehre auf der Schiene vernünftig und wirtschaftlich abzuwickeln.

Wir haben noch ein ganz großes Problem – ich gebe zu, dass wir uns da noch sehr anstrengen müssen –: Es geht um das Thema Digitalisierung der Schiene. Wenn wir das vernünftig anpacken und finanziell unterlegen können, dann können wir in dem bestehenden Netz eine Kapazitätsreserve von 20 Prozent heben. 20 Prozent, liebe Kolleginnen und Kollegen, die wir dringend für eine Mobilitätswende und für den Klimaschutz brauchen. Gemeinsam müssen wir hier zusammenstehen, damit wir das hinbekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zusammengefasst: Die Forderungen aus dem Antrag nach einer Trendwende haben wir erfüllt. Es gibt mehr Geld für den Schienenverkehr. Wir reaktivieren Strecken.

(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur, draußen merkt man nichts davon!)

Das spiegelt auch der Koalitionsvertrag wider, in dem eindeutig steht – ich zitiere –:

Für uns steht als Eigentümer der Deutschen Bahn AG nicht die Maximierung des Gewinns, sondern eine sinnvolle Maximierung des Verkehrs auf der Schiene im Vordergrund.

(Matthias Gastel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dafür braucht man aber auch die richtigen Maßnahmen!)

Daran richten wir unsere Bahnpolitik aus.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank, Kirsten Lühmann. – Nächster Redner für die FDP-Fraktion: Torsten Herbst.

(Beifall bei der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7344167
Wahlperiode 19
Sitzung 96
Tagesordnungspunkt Bahninfrastruktur
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