08.05.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 97 / Zusatzpunkt 1

Reinhard HoubenFDP - Aktuelle Stunde zum Stand der Wirtschaftsverfassung Deutschlands

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Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mal ehrlich: Was hat diese soziale Marktwirtschaft denn außer Frieden, Wohlstand, Freiheit, Teilhabe und Eigentum eigentlich schon gebracht? Das las ich gestern bei Twitter. Ich finde, es trifft den Nagel auf den Kopf.

Aber, meine Damen und Herren, ich muss Ihnen leider mitteilen: Die soziale Marktwirtschaft hat nicht mehr sehr viele Freunde, weder in Deutschland noch in Europa.

(Zuruf von der AfD: Und nicht bei der FDP)

Nicht nur die parlamentarische Demokratie, sondern auch die soziale Marktwirtschaft wird zunehmend von Populisten von rechts und links infrage gestellt.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Wo sind denn die von links? Ich sehe keine!)

Deutschland braucht Fürsprecher und Verteidiger der sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall bei der FDP)

Leider sucht man diese in diesem Parlament sehr lange – findet sie manchmal vielleicht noch in der Union –, und auch in der Regierung sucht man sie mehr oder minder vergeblich.

Herr Minister Altmaier, Sie haben uns einmal eine Charta der sozialen Marktwirtschaft versprochen. Sie wollten das umsetzen. Es sind jetzt ungefähr anderthalb Jahre vergangen. Es ist nichts passiert.

Herr Altmaier, ich höre Sie ja häufiger, in verschiedenen Veranstaltungen

(Dr. Diether Dehm [DIE LINKE]: Sie sind das!)

– ja, genau, ich bin das; ich bin immer da –,

(Heiterkeit bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und kenne Sie eigentlich als guten Rhetoriker. Aber jetzt muss ich einmal festhalten: Frau Teuteberg hat Ihre Nationale Industriestrategie in ihrer Rede überhaupt nicht erwähnt.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Frau Teuteberg für etwas zu kritisieren, was sie nicht angesprochen hat, und dieses dann zu verteidigen, ist rein rhetorisch schon interessant.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage mal, es ist auch schwierig. Sie beziehen sich da ja auf Franz Josef Strauß und Airbus. Mit dem Ende des A380 fehlen uns aber 80 Millionen Euro im ERP-Sondervermögen. Das ist Geld, das im Moment zur Unterstützung der mittelständischen Wirtschaft fehlt. Darauf sollten Sie vielleicht einmal eingehen und nicht Airbus und die Ideen von Franz Josef Strauß permanent vor sich hertragen!

(Beifall bei der FDP)

Alle – Wirtschaftsverbände, Institute, Experten, selbst die FDP – haben gewarnt: Der Boom bleibt nicht ewig. – Sie haben sich aber lieber auf den Erfolgen der Wirtschaft und der Menschen in diesem Land ausgeruht. Herr Altmaier, Sie haben uns 20 Jahre lang 2 Prozent jährliches Wachstum versprochen. Wir sind jetzt quasi kurz vor der Null. Sie sollten sich in dieser Frage mal etwas infrage stellen. Ich finde es schon etwas arrogant, wenn man so mit Wirtschaftszahlen umgeht.

(Beifall bei der FDP)

Die Koalition hat Zeit vergeudet und keine Mittel eingesetzt, um auf eine abkühlende Wirtschaft einzugehen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Er hat als Erster vor einem geringeren Anstieg des Bruttoinlandproduktes gewarnt!)

– Herr Kollege, er hat diese Aussage zum Wachstum getätigt; deshalb muss er auch zu dieser Aussage stehen. – Es ist für uns jedenfalls sehr schwer nachvollziehbar, dass man die Möglichkeiten der Hochkonjunktur nicht genutzt hat, um entsprechend Vorsorge zu treffen.

Deutschland braucht eine Agenda der Fleißigen. Deutschland braucht eine Agenda der Mutigen. Was haben wir bekommen, Herr Altmaier? Wir haben eine Nationale Industriestrategie bekommen. Das ist für mich mehr eine Agenda für die Großen.

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Sie wollen europäische Champions über Unternehmenseinkäufe orchestrieren. Sie wollen, dass gegebenenfalls sogar der Staat Unternehmen kauft. Die Schlüssel zum Erfolg jedoch sind Wettbewerb und Innovation. Größe ist da keineswegs nötig. Das beweist der Mittelstand jedes Jahr.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Altmaier, Sie sind als neuer Ludwig Erhard angetreten und geben sich jetzt häufig als Franz Josef Strauß. Sie haben in Ihrem Beitrag sehr oft „damals“ gesagt. Es geht nicht um damals. Es geht um den Blick nach vorne, es geht um Zukunft. Deswegen: Setzen Sie nicht auf eine Industriepolitik, die mich eher an Günter Mittag, den letzten Wirtschaftsminister der DDR, erinnert!

(Beifall bei der FDP – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Oah!)

Die sozialdemokratischen Kollegen haben den Namen ja vermieden, aber ich könnte mir inzwischen vorstellen, dass man Kevin Kühnert sogar zum Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium macht.

(Heiterkeit und Beifall des Abg. Bijan Djir-Sarai [FDP])

Selten, meine Damen und Herren, waren sich Wirtschaftsverbände so einig in der Kritik am Wirtschaftsministerium. Die Familienunternehmer haben die Vorschläge „Antimittelstandspolitik“ genannt. Die Unternehmensteuerreform, die Bekämpfung des Fachkräftemangels, der Bürokratieabbau, die Abschaffung des Soli, Investitionen statt Wahlgeschenke: Das wären Dinge, die uns nach vorne bringen und uns neue Möglichkeiten in einer abkühlenden Konjunktur geben würden. Das geschieht aber nicht.

Herr Minister Altmaier, Sie haben heute in der „Welt“ angekündigt, dass Sie den Soli abschaffen und etwas bei der Körperschaftsteuer sowie den Energiepreisen tun wollen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Abschaffung des Soli? Nutzt nur den 10 Prozent Reichsten!)

Wenn gleichzeitig Ihr haushaltspolitischer Sprecher, Herr Rehberg, zum gleichen Zeitpunkt in der gleichen Zeitung sagt: „Nein, wir haben überhaupt gar keinen Spielraum für Steuersenkungen“, muss ich Sie doch fragen: Sind Sie in Ihrer Fraktion, im Ministerium und in dieser Regierung isoliert? Wie kann es zu solchen Aussagen kommen, die sich so stark widersprechen?

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss.

Einerseits spricht Altmaier vom Abbau, andererseits sagt Rehberg, dass das nicht geht. Das ist schon eine merkwürdige Kombination.

Ein letztes Wort.

Herr Kollege, bitte.

Mein einziger Trost ist: Auch wenn Sie den Abschwung nicht werden verhindern können, richten Sie wahrscheinlich auch keinen größeren Schaden an; denn – –

(Das Mikrofon wird abgeschaltet)

Herr Kollege, ich habe Ihnen das Wort entzogen, weil Sie bereits fast eine Minute über Ihre Redezeit von fünf Minuten hinweg sind. Meine Nachsicht hat hier ihre Grenzen.

(Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Das war der beste Teil der Rede! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Willkommen im Klub! Ich hatte das auch schon!)

Ist gut.

(Beifall bei der FDP)

Ich bin in der Tat nicht Schöpfer der Geschäftsordnung, sondern ihr Hüter, und sie gilt für alle in gleicher Weise.

Als nächster Redner hat das Wort der Kollege Klaus-Peter Willsch, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7352411
Wahlperiode 19
Sitzung 97
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum Stand der Wirtschaftsverfassung Deutschlands
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