09.05.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 98 / Tagesordnungspunkt 4

Lorenz BeutinDIE LINKE - Europäische Energiepolitik

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Liebe Nicola Beer von der FDP, als ich eben Ihre Rede gehört habe, habe ich gedacht: Irgendetwas stimmt daran nicht. – Ich habe vorher Ihre Aussagen gelesen, auch die, die Sie Ende letzten Jahres gemacht haben und von denen Sie noch immer nicht Abstand genommen haben. Sie haben erklärt, das zunehmende Auftreten von Extremwettern infolge des Klimawandels sei Fake News.

(Nicola Beer [FDP]: Nein!)

Das haben Sie wortwörtlich gesagt, ich habe es extra noch einmal nachgelesen. Sie haben auch gesagt, der Bericht des Weltklimarates betreibe Panikmache. – Ganz ehrlich: Erzählen Sie das den Menschen in Bangladesch, erzählen Sie das den Menschen in Indonesien, erzählen Sie das den Menschen in Mosambik!

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der Klimawandel, die Extremwetter sind eine Tatsache.

(Jürgen Braun [AfD]: Das ist und bleibt Fake News! Es gibt keine Erhöhung von Extremwetterlagen!)

Das können wir nicht bestreiten, sondern wir müssen handeln.

Worin unterscheidet sich Ihre Aussage von den Aussagen der Rechtsradikalen hier im Hohen Hause? Ich sehe da keinen Unterschied. Sieht so Ihre europäische Klima- und Energiepolitik aus? Ich hoffe nicht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns die Ausführungen der FDP zu Ihrem Antrag anhören, hören wir doch wieder nur die alte Leier davon, dass der Markt schon alles regeln würde. Wir sollen uns auf den europäischen Emissionshandel verlassen, und dann werde schon alles klappen. – Die Politik, die Sie in Ihrem Antrag vorschlagen, ist in den letzten 30 Jahren krachend gescheitert.

(Christian Dürr [FDP]: Nein! Die nationale Klimapolitik ist gescheitert, Herr Kollege!)

Sie hat nicht zu mehr Klimaschutz geführt, sondern genau zum Gegenteil.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie mit Ihren Rezepten von gestern kommen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Sehen Sie es doch endlich ein: Dieser Neoliberalismus, den Sie hier wieder vorschlagen, hat abgewirtschaftet.

(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der FDP)

Wenn vom Bundesumweltministerium endlich ein Klimaschutzgesetz vorgelegt wird, in dem es um die Einsparziele nach Sektoren geht, dann sagen Sie, das sei alles Planwirtschaft, das sei nur die nationale Ebene, das könne nicht funktionieren.

(Nicola Beer [FDP]: Sozialismus!)

Nein. Wir haben beim Klimaschutz kein Problem mit zu viel Staat. Unser Problem momentan ist, dass wir zu wenig verbindliche Regelungen, zu wenig verbindliche Vorgaben beim Klimaschutz auf nationaler Ebene haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Kollege Beutin, der Kollege Theurer, FDP, würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ja.

Herr Kollege Theurer.

Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade behauptet, dass der Emissionshandel nicht funktioniert. Fakt ist doch, dass in den Sektoren, die in den europäischen Emissionshandel einbezogen sind, nämlich die stromerzeugende Industrie, die Klimaschutzziele erreicht werden und es eine CO 2 -Minderung gibt, während in den Bereichen, in denen der Markt nicht funktioniert und die in den Emissionshandel nicht einbezogen sind, nämlich Verkehr und auch Wärme, also Heizungsenergie, die Klimaschutzziele eben nicht erreicht werden.

Also, Ihre Behauptung, der Markt funktioniere nicht, ist doch absurd und nicht von den Fakten getragen.

(Beifall bei der FDP)

Sind Sie bereit, diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen, oder wollen Sie weiterhin faktenfrei diskutieren?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Lieber Kollege von der FDP, ich werde Ihnen das einmal erklären und das Ganze auseinandernehmen. Es gibt da unterschiedliche Komponenten.

(Lachen bei der FDP)

Die erste Komponente ist die Frage: Was ist beim Klimaschutz in Deutschland die Berechnungsgrundlage? Berechnungsgrundlage ist die Zeitspanne von 1990 bis 2017. Das heißt, die Einsparungen, die wir bei den CO 2 -Emissionen feststellen können, gehen zu einem Teil – das sind etwa ein Drittel; ich habe das extra vorher nachgeguckt, weil ich mir gedacht habe, dass eine solche Frage aus Ihren Reihen kommt – auf den damaligen Zusammenbruch der DDR, auf den Rückbau der Indus­trieanlagen in Ostdeutschland, zurück; ein Drittel der Einsparungen beim CO 2 sind also darauf zurückzuführen. Etwa zwei Drittel der CO 2 -Einsparungen im Stromsektor sind darauf zurückzuführen – das können Sie gerne in den entsprechenden Studien nachlesen; ich schicke sie Ihnen auch gerne zu –, dass wir ein EEG haben, das als Eingriff funktioniert hat, ein EEG, das Sie übrigens abschaffen wollen.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Dürr [FDP]: Das kann ja gar nicht sein!)

Das EEG bedeutet genau das: Mit staatlichen Mitteln wird versucht, erneuerbare Energien anzuschieben, in den Markt zu bringen. Genau das brauchen wir. Es ist verheerend, dass Sie das abschaffen wollen.

Ein weiterer Punkt. Die CO 2 -Preise ziehen jetzt an. Sie sollten ein paar Börsenmagazine lesen.

(Johann Saathoff [SPD]: Das macht die FDP doch gerne! – Alexander Ulrich [DIE LINKE]: Das macht die FDP sowieso gerne!)

– Stimmt, eigentlich liest die FDP solche Magazine ganz gerne. – Dort wird zum Kauf von CO 2 -Zertifikaten geraten, weil man nun Gewinn damit machen kann. Das heißt, die Gewinne im Emissionshandel und der steigende Preis bei den Zertifikaten sind gerade auf eine Spekulation zurückzuführen.

Ich will Ihnen mal erklären, wie ein Markt funktioniert.

(Lachen bei der FDP – Christian Dürr [FDP]: Der war gut! Sozialismus predigen und den andern den Markt erklären! Der war wirklich gut!)

Wir haben im Emissionshandel rund 2 Milliarden überschüssige Emissionszertifikate. Auch Sie können nicht erklären, wie ein Markt funktionieren soll, auf dem keine Knappheit herrscht; denn nach der Logik der FDP und der Logik der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung funktioniert ein Markt nur, wenn Knappheit besteht. Wenn keine Knappheit besteht, funktioniert ein Markt eben nicht. Das sind ein paar Basics.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will kurz fortfahren. Ich habe gesagt: Wenn dann ein Klimaschutzgesetz vorgelegt wird – – Ach, da war ich gar nicht. Entschuldigung, aber ich bin in meinem Manuskript etwas verrutscht.

(Lachen und Beifall bei der FDP)

Die FDP lehnt – das sehen wir auch in Ihrem Antrag – eine kluge und lenkende Gestaltung der Wirtschaft im Interesse der Mehrheit der Menschen ab. Sie lehnt sie auch im Interesse unserer Umwelt ab. – Herr Präsident, haben Sie die Zeit, die ich für die Beantwortung der Zwischenfrage benötigt habe, nicht berücksichtigt?

Sie hatten drei Minuten Redezeit. Sie sind nun fast zehn Minuten am Rednerpult.

Okay, aber ich musste leider der FDP das noch mal erklären.

Ich schließe. Sie diffamieren Jugendliche, die auf die Straße gehen und protestieren, und sagen, sie sollten sich das von den Profis erklären lassen. Die Profis sind aber nicht Sie. Die Profis sind diejenigen, die den Schülerinnen und Schülern recht geben. Die Profis sind die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sagen, dass jetzt Zeit ist, zu handeln. Also: Halten Sie sich an die Profis, und tischen Sie uns hier keinen Klimawandelskeptizismus auf!

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Ingrid Nestle, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

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Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7352847
Wahlperiode 19
Sitzung 98
Tagesordnungspunkt Europäische Energiepolitik
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