Andreas LenzCDU/CSU - Europäische Energiepolitik
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Guten Morgen! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es liegen verschiedene Anträge der Opposition zu energiepolitischen Themen vor. Einige Punkte darin sind durchaus richtig. Vieles ist aber entweder unvollständig oder schlichtweg falsch. Zunächst einmal möchte ich betonen, dass wir beim Ausbau der erneuerbaren Energien vorankommen. Über 40 Prozent der Nettostromerzeugung erfolgt mittlerweile durch erneuerbare Energien.
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotz dieser Bundesregierung! – Gegenruf des Abg. Carsten Müller [Braunschweig] [CDU/CSU]: Gerade wegen dieser Bundesregierung!)
Ebenso gilt es zu betonen, dass der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen allein im letzten Jahr um 4,5 Prozent zurückging, und das bei steigender Wirtschaftsleistung. Das alles ist ein Erfolg.
(Beifall bei der CDU/CSU – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Trotz dieser Bundesregierung!)
Dass wir aber im Rahmen einer vollständigen Dekarbonisierung oder Klimaneutralität unserer Gesellschaft – wie auch immer man das ausdrückt – noch erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, ist unstrittig. Was auch richtig ist, ist, dass diese Anstrengungen möglichst global und, wenn das nicht möglich ist, auf europäischer Ebene unternommen werden müssen.
Aber es gibt nicht das eine Instrument, mit dem man sozusagen mit einem Schnipp alle vorhandenen Probleme lösen könnte. Im Gegenteil: Wir brauchen viele Instrumente, um unterschiedliche Technologien anzureizen, um Effizienzen hinsichtlich der weiteren Einsparung von Energie zu erzielen. Das alles hilft dann auch, den Ausstoß von CO 2 weiter zu reduzieren. Wir wollen hier möglichst viele Innovationen und möglichst wenige zusätzliche Belastungen. Wir wollen nicht die Lust am Gängeln und an Verboten. Wir wollen die Lust an Zukunft und an Innovation.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die FDP fordert in ihrem Antrag: „Energiepolitik europäisch denken“. Sie waren zwar vier Jahre nicht in diesem Parlament, aber in dieser Zeit ist durchaus was passiert, auch auf europäischer Ebene, wo Sie eigentlich vertreten waren. So hat sich die EU für 2030 das Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen um mindestens 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Darüber hinaus soll der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch der EU bis 2030 auf 32 Prozent gesteigert werden, und im Bereich der Energieeffizienz sollen zusätzlich 32,5 Prozent erreicht werden. Es gilt das Leitmotiv „Efficiency First“, also Effizienz zuerst. All diese Maßnahmen dienen auch der Umsetzung der Klimaschutzverpflichtungen der EU aufgrund der Pariser Verträge.
Die FDP fordert mehr Anstrengungen im Bereich von Forschung und Entwicklung. Das ist zunächst richtig; es ist natürlich immer richtig. Sie fordern aber auch, dass beispielsweise der Unbundling-Grundsatz unbedingt eingehalten wird, also die Trennung von Netzbetrieb und Stromerzeugung. Das ist prinzipiell auch richtig, verhindert auf der anderen Seite aber teilweise Innovationen. Wir brauchen gleichzeitig Energienetzbetreiber, die die Netzsituation durch Speicher zukünftig weiter stabilisieren. Also: Innovationen bedürfen eines allumfassenden Ansatzes. Wir sind es, die zukünftig Power-to‑X-Technologien anreizen und auch die Wasserstofftechnologie auf den Markt bringen werden.
Sie wollen – so wörtlich – die „unterschiedlichen energiepolitischen Strategien der EU-Mitgliedstaaten zusammenführen“. Die Koordinierung ist zwar wichtig – das ist überhaupt keine Frage –, wir können und wollen es allerdings den Ländern selber überlassen, welche Instrumente sie zur Erreichung der Ziele letzten Endes anwenden. Für uns gilt auch hier der Grundsatz der Subsidiarität. Der einzige Punkt, bei dem ich mit Herrn Beutin übereinstimme, ist der, dass bei Ihrem Antrag zwar einige Spezialisten am Werk waren, aber noch längst keine Profis in der Klima- und Energiepolitik.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Grünen nehmen wiederum explizit Bezug auf das EU-Paket „Saubere Energie für alle Europäer“. Das Clean-Energy-Paket bildet mit acht Richtlinien und Verordnungen und über 1 000 Seiten Rechtstext den Rahmen für die europäische Energiepolitik der Zukunft. Sie von den Grünen haben die über 1 000 Seiten anscheinend schon durchgearbeitet und können jetzt schon sagen, was der nationale Gesetzgeber daraus machen muss. Deswegen fordern Sie in einem Schnellschuss, den aktiven Kunden in die nationale Gesetzgebung zu überführen.
Zunächst findet die Entwicklung des aktiven Kunden oder Consumers – wie auch immer man das bezeichnen will – bereits statt. Die Umsetzung des EU-Pakets umfasst aber natürlich wesentlich mehr. Da geht es um Energieeffizienz, um die EU-Gebäuderichtlinie, um die Strombinnenmarktrichtlinie und, und, und. Sie wollen außerdem Unternehmen beim Eigenverbrauch zusätzlich belasten – das schreiben Sie in Ihrem Antrag – und dadurch Privatverbraucher entlasten. Das ist natürlich Gift für langfristige Investitionen. Wir haben gerade Investitionssicherheit bei der Kraft-Wärme-Kopplung, der KWK, geschaffen, und Sie wollen das jetzt zurückdrehen. Das ist nicht der richtige Weg. Wir werden auch die Spielräume des nationalen Gesetzgebers nutzen, die das EuGH-Urteil erlaubt. Es besagt, dass das EEG eben gerade keine Beihilfe ist.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Hier werden wir die Planungssicherheit weiter stärken.
Natürlich ist das Klimasteuer- und -abgabensystem insgesamt ein Thema. Wir brauchen eine Abgaben- und Gebührenreform. Diese muss mehr auf CO 2 -Gesichtspunkten basieren und sektorübergreifend erfolgen.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Wir müssen und werden die Erneuerbaren noch stärker in den Wärme- und in den Mobilitätsbereich bringen. Wir müssen dieses richtige Vorhaben aber auch richtig umsetzen, damit es eben nicht zu sozialen Verwerfungen kommt.
(Dr. Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie denn? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie doch mal, wie!)
Auch dem Weltklima bringt es nichts, wenn wir durch übereilte Reformen die energieintensive Industrie verlieren, die Landwirtschaft abschaffen und gleichzeitig individuelle Mobilität einschränken, wodurch es zu sozialen Verwerfungen kommt.
Herr Dr. Lenz, erlauben Sie eine Zwischenfrage oder -bemerkung von Frau Nestle?
Ja, bitte.
Danke, dass ich fragen darf. – Ich wollte mich einmal erkundigen, was für Sie „übereilt“ bedeutet. Ich habe 1998 angefangen, Klima- und Energiepolitik zu studieren. Seitdem und auch schon vorher wurde in Deutschland über die richtige Energie- und Klimapolitik nachgedacht. Wir haben alle Technologien und wissen, wie es bezahlbar geht. Wir haben alle politischen Instrumente. Wir haben sie in zig Studien aufeinander abgestimmt, verbessert, optimiert und bewertet. Seit 14 Jahren ist die Union mit in der Regierung. Was ist also für Sie „übereilt“, wenn wir von Ihnen einfordern, dass Sie heute mal eine Maßnahme nennen, zu der Sie sich wirklich bekennen?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Frau Nestle, vielen Dank für Ihre Frage. – Sie haben gerade in Ihren Ausführungen, wenn ich mich richtig erinnere, die FDP kritisiert, weil sie den ETS-Bereich auf andere Sektoren übertragen will, und haben argumentiert, dass der Preis für CO 2 nicht für jeden Sektor unbedingt der gleiche sein sollte. Das ist ja das Argument dafür, dass man sich die Sektoren genau anschauen muss, bevor man eine entsprechende Bepreisung einführt, und nicht alles über einen Kamm scheren darf.
(Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben Sie die letzten 14 Jahre gemacht?)
Deswegen muss man sich solche Instrumente auch im Hinblick auf mögliche Kollateralschäden, die nicht erwünscht sind, beispielsweise im Bereich der energieintensiven Industrie, im Bereich der Mobilität, aber auch in anderen Sektoren, anschauen. Das werden wir machen, und wir werden hier nicht das Kind mit dem Bade ausschütten.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Ingrid Nestle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann? – Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Machen Sie doch gar nicht! Wie viele Jahre wollen Sie noch warten?)
Abschließend möchte ich sagen: Das Paket „Saubere Energie für alle Europäer“ muss sorgfältig in nationales Recht umgesetzt werden. Dabei gilt – das betont auch die Kommission und die EU insgesamt – natürlich auch das Zieldreieck von Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Klimaschutz. Deswegen müssen wir Ihre Anträge leider ablehnen. Warum wir auch die Euratom-Anträge ablehnen werden, wird Ihnen der Kollege Müller erklären.
In diesem Sinne herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und einen schönen Vormittag.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Dr. Lenz. – Nächste Rednerin: für die FDP-Fraktion Sandra Weeser.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7352850 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Energiepolitik |