09.05.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 98 / Zusatzpunkt 10

Jörg CézanneDIE LINKE - Aktuelle Stunde zur CO2-Steuer und ihre Auswirkungen auf Energiepreise

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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn wir heute über eine CO 2 -Bepreisung reden, dann lassen Sie uns noch einmal die Herausforderungen in den Blick nehmen. Wir stehen historisch vor einer ungekannten doppelten Herausforderung. Wir müssen in den nächsten 30 Jahren – das ist nicht ganz so lang; ich habe sie schon zweimal hinter mir – die Produktions- und Lebensweise so verändern, dass die ökologischen Grenzen des Planeten eingehalten werden können, und dies unter Wahrung des sozialen Zusammenhalts, der Überwindung der sozialen Spaltung und dem Erhalt demokratischer Verhältnisse.

(Beifall bei der LINKEN)

Es geht um das Ende der Nutzung jeglicher fossiler Energie, und es geht um die Durchsetzung einer Kreislaufwirtschaft, in der Rohstoffe nach der Nutzung nicht weggeworfen, sondern in geschlossenen Kreisläufen weiter genutzt werden.

Ist die CO 2 -Bepreisung dazu ein sinnvoller Weg? Zunächst einmal muss man festhalten: Es geht hier um absolute Grenzen. Da hilft Preissteuerung allein nicht weiter. Lassen Sie uns einmal die historischen Herausforderungen anschauen. Wir müssen bis 2050 auf ein Niveau des CO 2 -Ausstoßes pro Kopf der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger von deutlich unter 2 Tonnen kommen.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Also wie Afrika!)

Wir liegen im Moment bei 11 Tonnen. Das wird allein mit einem naiven Glauben an Preissteuerung nicht gehen. Wir brauchen die großen ordnungspolitischen Veränderungen.

(Beifall bei der LINKEN – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

Um es plastisch zu sagen: Wo keine Straßenbahn oder kein Zug fährt, hilft es auch nicht, den Benzinpreis zu erhöhen, weil es für niemanden etwas ändert, außer dass es das Leben schwerer macht. Wir brauchen die Verkehrswende. Wir brauchen den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, der Bahn und am besten Preissenkungen bis hin zum Nulltarif.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir brauchen klare Ökodesignvorgaben für energie- und ressourcensparende Produkte und deren Wiederverwertbarkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Das sind die Herausforderungen, die zunächst erreicht werden müssen. Erst in einem solchen ordnungspolitischen Rahmen kann eine CO 2 -Bepreisung überhaupt sinnvoll greifen. Dann kann sie korrigieren, kann sie falsche Preissignale eines fehlgesteuerten Marktes, der den Schaden, der durch das CO 2 entsteht, überhaupt nicht preislich berücksichtigt, korrigieren.

Falsche Preissignale finden wir überall: Flugreisen sind zum Teil deutlich billiger als Bahnreisen, E-Autos – die nicht die Lösung sind, die wir aber trotzdem brauchen werden – wesentlich teurer als Autos mit Verbrennungsmotoren, gesunde Lebensmittel deutlich teurer als industriell erzeugte oder durch Massentierhaltung produzierte. Wir müssen die Schadenskosten, die durch das CO 2 entstehen, ausgleichen. Das Umweltbundesamt spricht hier von 180 Euro pro Tonne CO 2  – ein hoher Schadenspreis.

Energiearmut ist aber bereits Alltag für Millionen Menschen: Laut Eurostat gaben 3,7 Prozent der Befragten 2016 an, dass sie ihre Wohnung nicht angemessen heizen konnten. Das wären fast 3 Millionen Menschen in Deutschland. Im Jahr 2017 gab es hierzulande 340 000 Stromsperrungen. Stromlieferanten haben ihren Kunden 4,8 Millionen Mal solche Sperrungen angedroht. Eine CO 2 -Abgabe oder -Bepreisung kann also zwingend nur so ausgestaltet werden, dass sie Menschen mit geringerem Einkommen nicht nur nicht mehr belastet, sondern sogar besserstellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Der Witz ist ja: Das geht auch. Man kann die CO 2 -Bepreisung so ausgestalten, dass die Einnahmen an die Verbraucherinnen und Verbraucher zurückgezahlt werden, so wie es in der Schweiz geschieht. Ein solcher Ökobonus würde für mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland, insbesondere für die Bezieherinnen und Bezieher unterer Einkommen, eine deutliche Verbesserung bringen. Sie würden im Jahr netto entlastet werden.

So könnte es gehen. Die Bedingungen wären berücksichtigt. Wir sollten ernsthaft darüber reden. Es liegen verschiedenste Vorschläge vor, wie wir die Maßnahme sinnvoll ausgestalten können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Vielen Dank, Herr Kollege Cezanne. – Als nächster Redner hat für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen der Kollege Oliver Krischer das Wort.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7352924
Wahlperiode 19
Sitzung 98
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zur CO2-Steuer und ihre Auswirkungen auf Energiepreise
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