09.05.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 98 / Zusatzpunkt 11

Florian HahnCDU/CSU - EU-Erweiterungspläne für den Westbalkan

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen heute einmal mehr über einen Antrag der AfD-Fraktion diskutieren. Es ist ja auch das gute Recht der AfD-Fraktion wie jeder anderen Fraktion, entsprechende Anträge zu stellen. Aber nachdem wir in dieser Legislatur jetzt bereits über ein Jahr hier miteinander diskutieren, uns austauschen und die Argumente abwägen, kann man eigentlich schon erwarten, dass solche Anträge auch Hand und Fuß haben.

Schon in den vergangenen Debatten mussten wir immer wieder mal auf handwerkliche Fehler in Ihren Anträgen hinweisen. Auch in dem uns vorliegenden Antrag, Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion, haben Sie Wesentliches übersehen. Sie schreiben wortwörtlich:

Dennoch möchte die Europäische Kommission im Jahre 2019 offiziell die Beitrittsverhandlungen eröffnen, voraussichtlich zunächst mit Albanien, Montenegro und/oder Nord-Mazedonien.

Ich möchte nur darauf hinweisen: Die Europäische Kommission führt längst Beitrittsgespräche mit Montenegro, und dies schon seit 2012.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gehen Sie also nicht so schlampig mit den Dingen um, sondern beschäftigen Sie sich mal ganz genau damit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und der Abg. Thomas Hacker [FDP] und Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das kann man ja nicht wissen!)

Ich kann nur sagen: Uns in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sind dieses Thema und die ganze Region Westbalkan sehr wichtig. Aus europäischer Sicht können wir es uns nicht erlauben, diese Region stiefmütterlich zu behandeln, so wie Sie es vorschlagen.

Es geht auf dem westlichen Balkan um ganz zentrale Interessen. Es geht um den EU-Binnenmarkt, der wie ein großes Konjunkturprogramm wirkt. Er sorgt für Wettbewerb und Wachstum. So wurde die Europäische Union zum größten Wirtschaftsraum der Welt, noch vor den USA und China. Die Europäische Union ist auch der größte Handelspartner der Welt. Deutschland profitiert als Exportnation von dieser Vernetzung ganz besonders. So weit zu den deutschen Interessen, die wir in dieser Frage haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Schauen Sie sich die Entwicklung in der Europäischen Union an! Alle – ich wiederhole: alle – Länder haben von dem europäischen Binnenmarkt profitiert. Überall haben sich die Lebensbedingungen der Menschen verbessert.

Natürlich haben wir auch ein großes Interesse an Stabilität. Die Europäische Union trägt maßgeblich zur Stabilisierung innerhalb der Mitgliedsländer und auch zwischen ihnen bei. Beispiele hierfür sind Südtirol und Nordirland. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Befriedung auf dem Balkan im Schutz der Europäischen Union vorangetrieben werden kann.

Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, dass auch andere Länder große Interessen mit dem westlichen Balkan verbinden, und das nicht unbedingt zugunsten unserer Interessen. Kein anderer Akteur kann aber ein so attraktives Angebot machen wie die Europäische Union, und das sollten wir entsprechend nutzen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD und des Abg. Thomas Hacker [FDP])

Schließlich geht es auch um das Thema Migration. Die Länder des westlichen Balkans brauchen eine europäische Perspektive. Sehen die Menschen in ihrem Land keine Zukunft in Europa, machen sie sich auf den Weg nach Europa, und das gilt vor allem für die jungen.

Meine Damen und Herren, die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen bedeutet noch lange keinen Beitritt. Das ist ein Prozess, der sich so lange hinzieht, bis alle Bedingungen, die sogenannten Kopenhagener Kriterien, erfüllt sind. Das kann dauern, vielleicht zehn Jahre, vielleicht auch länger. Und da darf es keine Rabatte geben. Darauf zu achten, ist auch unsere Aufgabe im Deutschen Bundestag, und das tun wir. Schauen Sie sich die Bedingungen an, die wir zum Beispiel an eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Serbien geknüpft haben. Der Deutsche Bundestag war das einzige Parlament in der Europäischen Union, das solche konkreten Vorgaben gemacht hat. Wir gehen nicht blauäugig an die Sache heran.

Mit europäischen und bilateralen Initiativen versuchen wir, eine positive Entwicklung zu fördern. Im konkreten Fall von Albanien und Nordmazedonien sollten wir zur Kenntnis nehmen, dass zahlreiche Reformanstrengungen mit bemerkenswertem Engagement und messbarem Erfolg durchgeführt wurden und werden. Nordmazedonien hat eine entscheidende Hürde genommen, indem es den Namensstreit beendet hat. Es ist aber weiter viel zu tun. Und Albanien kämpft mit großen Anstrengungen, um der Korruption im Lande Herr zu werden, den Drogenanbau in den Griff zu bekommen und den Justizapparat zu säubern.

Ich möchte noch auf einen anderen Aspekt hinweisen: Den stärksten Hebel und die härtesten Druckmittel gegenüber den Ländern haben wir in der Phase von Beitrittsverhandlungen. Sie sind eine große Chance für die betroffenen Länder und für uns als Europäische Gemeinschaft.

Klar ist: Der westliche Balkan gehört zu Europa. Wir müssen den Ländern dort helfen, Anschluss an europäische Standards zu finden. Sie brauchen eine Perspektive. Ich würde mich freuen, wenn wir sie ihnen gemeinsam geben könnten. Klar ist aber auch: Liefern müssen die Länder im Beitrittsprozess selbst. Sie haben es selbst in der Hand, ob der Traum von einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union Realität werden kann oder nicht.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Thomas Hacker [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7352987
Wahlperiode 19
Sitzung 98
Tagesordnungspunkt EU-Erweiterungspläne für den Westbalkan
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