09.05.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 98 / Zusatzpunkt 11

Philipp AmthorCDU/CSU - EU-Erweiterungspläne für den Westbalkan

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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Selbst am heutigen Europatag schafft es die AfD nicht, über den eigenen Schatten zu springen, und selbst am heutigen Europatag schaffen Sie es hier nicht, mit einer halben Silbe einmal etwas Positives über diese Europäische Union und ihre Errungenschaften zu sagen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Bleser [CDU/CSU]: Unglaublich!)

Wir betreiben das Gegenteil.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Frieden, Freiheit, Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, das sind die Errungenschaften der Europäischen Union. Das sind vor allem Errungenschaften, die stark sind, weil wir sie gemeinsam mit anderen Staaten angehen. Dafür können wir heute an diesem Europatag ein Zeichen setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

In Europa ist nicht alles perfekt; aber es ist doch eine Erfolgsgeschichte. Das wollen Sie nicht sehen. Sie schwadronieren stattdessen hier und andernorts, im Parlament und im Europawahlkampf, über den Ausstieg Deutschlands aus der Europäischen Union. Sie treten als AfD bei einer Europawahl an, um das Europaparlament abzuschaffen, und dann sagen Sie: Das haben wir doch alles nicht so gemeint. – Das ist nicht unsere Vorstellung von Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Für uns ist wichtig: Bei aller Euphorie und bei allen positiven Stimmungen zu Europa steht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion vor allem auch für Realismus in dieser Debatte.

(Lachen bei Abgeordneten der AfD)

Wir stehen für ein Europa, das seine Grenzen kennt.

(Lachen bei der AfD)

Zu einer Europäischen Union, die ihre Grenzen kennt, gehört es, dass wir sagen: Wir wollen zum Beispiel in der Erweiterungsdebatte keine Vollmitgliedschaft der Türkei. Wir haben uns – das ist für uns ein wichtiger Grundsatz – zu den Balkanstaaten bekannt. Das ist unsere Agenda, auch wenn Sie uns anderes unterstellen wollen. Für uns gilt: Vertiefung vor Erweiterung. Das ist für uns der entscheidende Punkt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben uns in unserem Europawahlprogramm dazu bekannt, dass wir eine EU-Erweiterung in den nächsten fünf Jahren nicht als realistisch empfinden. Wir arbeiten für Vertiefung statt Erweiterung. Gleichzeitig müssen wir aber auch sehen – das ist in der Debatte heute schon angeklungen –, dass wir die strategische Bedeutung des Weltbalkans natürlich nicht vergessen; denn sie ist stark. Es liegt im deutschen Interesse und es liegt im europäischen Interesse, dass wir den Westbalkan teilhaben lassen an unserer Integration in Bezug auf die Wirtschaftskraft sowie an unserer Integration in Bezug auf funktionierende Rechtsstaatlichkeit und dass wir diese Region nicht in eine Abhängigkeit gegenüber Russland bringen.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage aus der AfD-Fraktion?

Herr Droese, bitte.

(Zurufe von der CDU/CSU: Nein! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der wusste doch noch nicht mal, wer da Mitglied ist!)

Kollege Amthor, vielen Dank für die Gestattung der Frage. – Ich habe gerade meinen Ohren nicht getraut. Wir hatten vor wenigen Wochen im Hohen Hause eine Türkei-Debatte. Dort sagten Sie, Sie möchten nicht, dass die Türkei die Vollmitgliedschaft erreicht. Das war der Sinn unseres Antrages. Wir werden darüber noch diskutieren. Aber ich hatte, ehrlich gesagt, ein völlig anderes Bild von der Union. Können Sie mir das erklären? Jetzt entsteht nämlich für die Bevölkerung und uns hier im Hohen Hause der Eindruck, dass die Union nicht für einen Beitritt der Türkei stimmen würde. Das klang jetzt ein bisschen anders.

Danke.

Herr Droese, nach Ihrer Wortmeldung entstünde der Eindruck, die AfD würde hier vernünftige Anträge vorlegen. Das ist nicht der Fall.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß ja nicht, was Sie bei der Debatte gemacht haben. Vielleicht haben Sie den guten Argumenten unserer Redner nicht zugehört, die damals dargestellt haben, warum wir das ablehnen. Dass die CDU/CSU-Bundestagsfraktion gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union ist, können Sie in unserem Wahlprogramm nachlesen; da steht auch noch viel anderes drin. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Lektüre! Tut Ihnen sicher gut! – Herzlichen Dank dafür.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Aber ich war da angekommen, dass wir mit Blick auf den Westbalkan schon auch die geostrategische Bedeutung sehen müssen; die ist wichtig für Deutschland. Die Aufnahme von Gesprächen zu einer Erweiterung bedeutet ja nicht, dass sie dann auch kommt. Es gibt für uns keinen Rabatt auf die Beitrittskriterien. Wir erwarten stabile Institutionen, einen besseren Kampf gegen Korruption, Rechtsstaatlichkeit, ein Bekenntnis zur Marktwirtschaft und eine Übernahme des EU-Acquis in den Regeln. Das sind für uns die Kriterien.

Aber ich will der AfD dann doch noch etwas Positives sagen:

(Zuruf von der AfD: Was?)

Herr Brandner, Sie bekommen von mir ja wirklich selten Lob. Aber als Vorsitzender des Rechtsausschusses – ich war ganz erstaunt – haben Sie im November 2018 eine Delegationsreise nach Albanien und Kosovo gemacht.

(Stephan Brandner [AfD]: Was Sie alles wissen!)

– Hören Sie gut zu! – Bei dieser Reise haben Sie dann als Vorsitzender des Rechtsausschusses – ich lese Ihnen das einmal vor – folgende Abschlusserklärung unterschrieben – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

Albanien ist ein Land in der Mitte Europas, dessen berechtigte Erwartung und Hoffnung, bald Beitrittsverhandlungen mit der EU zu führen, wir überall zu spüren bekommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Grigorios Aggelidis [FDP] – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Der weiß doch nicht, was er vorgestern gesagt hat!)

Und noch besser – ich zitiere weiter –:

Insgesamt war sich die Delegation einig, dass Kosovo Unterstützung verdient, um so früh wie möglich Mitglied der EU werden zu können.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Entweder wissen Sie nicht, was Sie da unterschrieben haben, oder Sie haben kein Gewicht in Ihrer Fraktion. Beides tut mir leid für Sie.

Wir lehnen Ihren Antrag ab.

Herzlichen Dank.

Der nächste Redner ist der Kollege Metin Hakverdi, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7352995
Wahlperiode 19
Sitzung 98
Tagesordnungspunkt EU-Erweiterungspläne für den Westbalkan
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