Saskia EskenSPD - Upload-Filter
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörer und Zuhörerinnen! Ich hatte einen Traum und träumte von Uploadfiltern.
(Zurufe: Oh! – Manuel Höferlin [FDP]: So haben schon manche denkwürdige Reden begonnen! – Heiterkeit bei der FDP)
Ich bin in einem Copy-Shop,
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Kopieren Sie das?)
um mein Flugblatt für einen Infostand zu vervielfältigen. Ich lege also mein kreatives Schneide- und Klebewerk auf den Kopierer, tippe ein: „200 Kopien“, und drücke auf Start. Der Kopierer scannt das Original. Ich warte darauf, dass der Papiertransport endlich losgeht – und dann passiert gar nichts.
(Lars Herrmann [AfD]: Das war der Kopierer im Kaufland!)
Ich will schon zum Counter gehen und mich beklagen, da kommt eine Fehlermeldung: „Error 17 – Copy denied“. Wie jetzt, Kopie abgelehnt? Der Mitarbeiter erklärt mir ganz zerknirscht, in meinem Original sei wohl ein urheberrechtlich geschützter Inhalt erkannt worden, für den der Gerätehersteller leider keine Lizenzvereinbarung hat. Nein, er kann jetzt auch nicht erkennen, was an meinem Bastelwerk tatsächlich geschützt sein soll,
(Steffi Lemke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vielleicht das SPD-Logo!)
aber da könne man nichts machen.
Verrückte Geschichte? Ich glaube, mein Traum hat mir die Sache mit den Uploadfiltern für die analoge Welt erklärt. Was beim Kopierer völlig absurd klingt, soll im Netz Wirklichkeit werden: Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie verpflichtet digitale Plattformen nicht nur zur Vereinbarung von Lizenzen mit allen Urhebern dieser Welt – das sind doch ein paar mehr, als man sich das ausmalen mag –, sondern macht sie auch für die Uploads ihrer Nutzer haftbar. Die Plattformen können dieser Haftung nur entgehen, wenn sie Maßnahmen ergreifen, um nichtlizenzierte Uploads zu verhindern. Das ist ohne Uploadfilter, so die einhellige Meinung, kaum zu machen.
In der Sache geht es nicht nur um den wichtigen Ausgleich zwischen Urheberrecht und Meinungsfreiheit, sondern vor allem geht es um das, was wir immer fordern: dass Menschen im Netz nicht nur als Nutzer, als Verbraucher agieren, sondern auch als Gestalter. Es geht um die Kreativität des Netzes, es geht um Netzkultur – Netzkultur, die so ein Uploadfilter niemals erkennen kann.
Für die Fairness gegenüber Kulturschaffenden, Kreativen und Urhebern, um die es heute schon so oft gegangen ist, gibt es beim Kopierer mit Geräteabgabe und Pauschalvergütung gute Lösungen, die hier zwar auch zur Debatte standen, die sich am Ende aber nicht durchsetzen konnten. Das ist schade.
Was bleibt, ist Schadensbegrenzung. Die Union hat einen Vorschlag erarbeitet, der den Schaden in der nationalen Umsetzung begrenzen will. Wir glauben, dass es nicht funktionieren wird. Wir halten aber auch sonst nicht viel von diesem Vorschlag, weil es eine nationale Umsetzung ist. Wir wollen kein Netz der nationalen Netze. Wir wollen den digitalen Binnenmarkt Europa stärken und nicht zerklüften.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Wollen Sie sie nicht national umsetzen, oder wie wollen Sie es machen?)
Wir wollen, dass im vereinten Europa und insbesondere im digitalen Europa einheitliches Recht gilt und dass dieses Recht einheitlich umgesetzt wird.
Außerdem wollen wir uns gar nicht ausmalen, wie der enge Freund der Kollegen von der AfD, Viktor Orban, die Anordnung von Uploadfiltern gegen Meinungsfreiheit und Pressefreiheit einsetzen könnte.
(Zuruf von der AfD: Wie in der EU!)
Insofern sage ich zum Antrag der AfD nur so viel: Mit Freunden von diesem und anderen Autokraten, die Demokratie und Freiheitsrechte mit Füßen treten, debattiere ich nicht über Meinungsfreiheit. Mit Leuten, die Meldeportale für unliebsame Pädagogen betreiben und schwarze Listen von AfD-kritischen Journalisten führen, debattiere ich nicht über Meinungsfreiheit.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Was bleibt, ist also, wie gesagt, Schadensbegrenzung, aber bitte auf europäischer Ebene. Die Regierung hat in ihrer Protokollerklärung zum Beschluss der Richtlinie klargemacht: Wir wollen den Artikel 17 ohne Uploadfilter umsetzen, aber in ganz Europa. – Möglicherweise müssen wir dazu – und zwar noch innerhalb der Umsetzungsfrist – auch den rechtlichen Weg für Pauschallizenzen ebnen. Wenn alle Stricke reißen, dann wollen wir zumindest klare Regeln dafür haben, wie Nutzer sich gegen die Ablehnung eines Uploads wehren können.
So oder so bin ich der Überzeugung – anders als andere hier im Haus –: Unser Kampf für ein zeitgemäßes, faires, Freiheitsrechte wahrendes und kreativitätsfreundliches Urheberrecht im Netz ist mit der Umsetzung dieser Richtlinie noch lange nicht beendet.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Manuel Höferlin [FDP]: Die Justizministerin hat aber schon eine Zwischenniederlage erlitten!)
Das Wort hat der Abgeordnete Uwe Kamann.
(Stephan Brandner [AfD]: Den kennen wir – nicht mehr! – Manuel Höferlin [FDP], an den Abg. Stephan Brandner [AfD] gewandt: Das kommt alles ins Protokoll!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7353041 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 98 |
Tagesordnungspunkt | Upload-Filter |