Wieland SchinnenburgFDP - Reform der Psychotherapeutenausbildung
Herr Präsidentin! Meine Damen und Herren! Keine Frage: Hier liegt ein vernünftiger Ansatz vor.
(Zuruf der Abg. Sylvia Gabelmann [DIE LINKE])
– Entschuldigung! Das fängt schon schlecht an.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Es liegt ein guter Ansatz vor. Es ist richtig, dass man analog zur Humanmedizin zunächst eine spezifische anspruchsvolle Ausbildung zum Psychotherapeuten macht, dann approbiert wird und anschließend in einer Weiterbildung die Sache vertieft.
Es gibt aber ganz erheblichen Nachbesserungsbedarf, oder – um es in der Fachsprache zu sagen –: Das Psychotherapeutenausbildungsreformgesetz muss noch mal auf die Couch.
Lassen Sie mich das an sieben Punkten näher erläutern.
Der erste und wichtigste Punkt ist: Minister Spahn will, dass wir hier die Katze im Sack kaufen. Wir erfahren nichts Näheres über die Studieninhalte, und wir erfahren auch nicht, was in der Approbationsprüfung abgeprüft werden soll. Das heißt, Sie wissen eigentlich gar nicht genau, was am Ende passieren soll.
(Dr. Roy Kühne [CDU/CSU]: Steht aber im Gesetz!)
Dies, meine Damen und Herren, ist nicht akzeptabel.
Zweiter Punkt. Es gibt einen viel zu geringen Praxisanteil. Wenn wir schon die Parallele zur Humanmedizin ziehen, dann muss ich sagen: Die Humanmediziner müssen ein praktisches Jahr absolvieren. Man kann darüber streiten, ob man ein praktisches Jahr braucht oder ob ein Praxissemester reicht. Das brauchen wir auf jeden Fall. Kurz gesagt: Man kann Psychotherapie nicht nur aus Büchern lernen, man muss auch am Menschen, am praktischen Fall lernen, wie es denn geht. Dies belegt nicht nur das Beispiel der Kinder von Pfarrern und Zimmerleuten, sondern das gilt bei allen Menschen. Deshalb wollen wir ein Praxissemester.
Der dritte Punkt: die Prüfungen. Die Approbationsprüfung, wie sie bisher vorgesehen ist, ist einfach unzureichend. Wir fordern wie die Bundesärztekammer eine dritte Prüfung, eine schriftliche Prüfung, die sicherstellt, dass derjenige, der die Prüfung bestanden hat, am Ende auch in der Lage ist, selbstständig psychisch kranke Menschen zu behandeln. Das ist aus meiner Sicht derzeit nicht sichergestellt.
Vierter Punkt. Minister Spahn zeigt ein weiteres Mal, wie wenig er von der Expertise von Fachleuten hält. Es gibt einen Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie, gebildet von Bundespsychotherapeutenkammer und Bundesärztekammer. Diesen Beirat gibt es; das ist gut. Aber im Gesetzentwurf steht nur, dass sich die Behörde bei der Anerkennung eines Verfahrens im Zweifelsfall in irgendeiner Weise darauf stützen kann. Das, meine Damen und Herren, ist zu wenig. Fachleute sollen sagen, was gebraucht wird, und nicht Minister Spahn in seinem Ministerbüro.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Fünfter Punkt. Wir fordern überall Transparenz. Diese Transparenz wird mit diesem Gesetz nicht hergestellt. Es gibt den einheitlichen Begriff des Psychotherapeuten, und Sie wissen als Patient nicht: Ist dieser Mensch in Psychotherapie ausgebildet worden, oder ist er in Humanmedizin ausgebildet worden? Deshalb wollen wir, dass die einen den Titel „Psychologischer Psychotherapeut“ führen und die anderen den Titel „Ärztlicher Psychotherapeut“. Das ist ein Grundgebot der Transparenz. Auch dieses wird mit diesem Gesetz verletzt.
(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sechster Punkt. Ein ganz wesentliches Problem des derzeitigen Systems ist doch, dass die Psychotherapeuten in Ausbildung, freundlich formuliert, in einer finanziell ungünstigen Lage sind. Man könnte es auch ganz anders formulieren. An diesem Punkt tut der Minister nichts. Es muss doch wenigstens möglich sein, dass das Schulgeld, also die Bezahlung für die theoretische Ausbildung nach der Approbation oder nach dem Studium, nicht von den Studenten oder von den Auszubildenden selber getragen werden muss. Dazu finden wir im Gesetz ebenfalls nichts. Das entscheidende Problem wird nicht angegangen.
(Beifall bei der FDP)
Siebter Punkt. Die halbseidene Lösung wird nicht etwa in Kürze greifen, sondern, wenn man es genau nimmt, erst in zehn Jahren. Noch in diesem Jahr und auch noch im nächsten Jahr werden Menschen ihre Ausbildung nach dem alten System beginnen und in genau dem Schlamassel stecken, in dem die Auszubildenden seit Jahren stecken. Was wir hier sehen, ist keine Lösung, sondern die Aufschiebung einer Lösung. Auch das, meine Damen und Herren, reicht nicht aus.
Sie merken: Auf der Couch ist noch viel zu tun. Wir als Freie Demokraten, als Serviceopposition, sind gerne bereit, zu helfen. Lassen Sie uns aus einem guten Ansatz ein gutes Gesetz machen.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP)
Das Wort hat die Kollegin Sylvia Gabelmann für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 19 |
Session | 98 |
Agenda Item | Reform der Psychotherapeutenausbildung |