Eckhardt RehbergCDU/CSU - Rückabwicklung von Finanzhilfen für Griechenland
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Boehringer, eine Vorbemerkung: Ich würde mir schon mal überlegen, wie ich als Abgeordneter im Deutschen Bundestag einem Volke, das eine ganz lange Tradition hat und dessen Land Geburtsort der Demokratie ist,
(Zurufe von der AfD)
das sicher schwierige Zeiten hinter sich hat, verbal gegenübertrete.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ich rate Ihnen und ich rate uns auch aufgrund unserer Geschichte gelegentlich zu ein bisschen mehr Demut an dieser Stelle.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ich finde, ein bisschen mehr Demut könnte an dieser Stelle guttun.
(Zurufe von der AfD)
Ich sage dabei ganz ausdrücklich: Das, was in Griechenland zum Thema Reparationen betrieben wird, findet unsere und meine Zustimmung nicht.
Zweite Bemerkung. Meine Damen und Herren von der AfD, haben Sie sich eigentlich mal überlegt, was in Griechenland, in Europa und in Deutschland passieren würde, wenn Ihr Antrag eine Mehrheit bekäme? Wissen Sie eigentlich, was Sie hier beantragen?
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Da werden Kreditkonditionen nicht eingehalten! Wovon sprechen Sie eigentlich? Da werden Kreditkonditionen einfach nicht eingehalten!)
Haben Sie an die Menschen in Griechenland gedacht? Haben Sie an die Auswirkungen dieses Antrages gedacht? Das wären die gleichen wie im Sommer 2015, als die Menschen vor Bankautomaten gestanden haben und kein Geld bekommen haben.
(Zurufe von der AfD – Gegenruf des Abg. Christian Petry [SPD]: Brüllaffe!)
Der griechische Staat könnte keine Löhne, keine Gehälter und keine Renten mehr zahlen. Das trifft gerade die sozial Schwachen. Ihr Antrag ist verantwortungslos, und er ist menschenfeindlich, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie würden dem griechischen Staat Milliardenbeträge entziehen. Die Wirtschaft würde kollabieren. Die Banken würden zusammenbrechen. Die Euro-Zone würde Riesenprobleme bekommen. Letztendlich: Ihr Antrag hat nur eins zum Ziel, nämlich vor den Europawahlen am 26. Mai Unruhe zu stiften und Unsicherheit zu schüren. Sie, Herr Boehringer, waren – entschuldigen Sie – mit Ihrer Rede nicht nah an der Wahrheit.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie haben ein scharfes Auge auf Griechenland geworfen. Wenn Sie es mit der Politik ehrlich meinen würden,
(Marc Bernhard [AfD]: Werden Sie mal konkret!)
dann sollten Sie auch Ihre Freunde in Italien ins Visier nehmen, die ganz bewusst und massiv die Stabilitätskriterien der Europäischen Union missachten und die dagegen verstoßen.
(Frank Pasemann [AfD]: Ich habe noch keine einzige Zahl gehört!)
Dann wäre Ihre Politik vielleicht noch ansatzweise glaubwürdig. Aber Ihre Freunde vom rechten Rand lassen Sie da völlig außen vor.
(Marc Bernhard [AfD]: Hören Sie auf mit Ihrem Populismus!)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Ihrem Antrag – –
(Zurufe von der AfD)
Moment! Ich finde ja richtig, dass es lebendig zugeht; aber Sie haben heute Morgen wirklich eine Lautstärke, die anstrengend ist. Deswegen: Einfach heftig und kräftig und streitbar miteinander umgehen, aber bitte geben Sie uns dabei auch die Möglichkeit, den Rednerinnen und Rednern zuhören zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, der FDP, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Alice Weidel [AfD]: Bei uns wird permanent reingebrüllt!)
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, Ihr Antrag hat den falschen Adressaten. Nicht die Bundesregierung ist Letztentscheider für alle Hilfen, die gegeben werden.
(Otto Fricke [FDP]: Na ja!)
Herr Boehringer, anscheinend waren Sie am 1. August 2018 mental abwesend, als wir den Maßgabebeschluss gefasst haben.
(Dr. Alice Weidel [AfD]: Bisher habe ich noch keine Zahl von Ihnen gehört!)
Da haben wir klar und deutlich unter Punkt 2 und 3 gesagt, dass wir bei der Freigabe von SMP-Gewinnen neben der Stellungnahme zukünftig entscheiden und dass der deutsche Vertreter sich vorher das Votum des Haushaltsausschusses abzuholen hat. Und wenn der Haushaltsausschuss sagt: „Das entscheiden wir nicht alleine“, dann wird das ans Plenum des Deutschen Bundestages verwiesen. Der Letztentscheider bei allen Hilfen für Griechenland ist nicht die Bundesregierung, sondern der Deutsche Bundestag. Insofern haben Sie an dieser Stelle den falschen Adressaten gewählt.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, es war immer üblich, dass eine gewisse Flexibilität bei den Prior Actions und beim MoU herrschte. Obwohl Griechenland abgewichen ist, haben die Institutionen beim letzten Mal bestätigt, dass die vereinbarten makroökonomischen Ziele eingehalten werden können. Diese Politik – das passt Ihnen ja auch nicht – ist in Europa erfolgreich gewesen.
(Sonja Amalie Steffen [SPD]: Richtig!)
Spanien, Portugal, Irland und Zypern sind auf einem guten Reformkurs. Sie haben in Teilen die höchsten wirtschaftlichen Zuwachsraten in ganz Europa; ich bin davon überzeugt.
Griechenland hat sich im letzten Jahrzehnt – weder unter konservativer Regierung noch unter sozialdemokratischer Regierung – wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Natürlich habe auch ich ein gewisses Misstrauen gegenüber der Tsipras-Regierung, gerade wenn ich die letzten 24 Stunden betrachte. Nur, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Die Institutionen werden sehen, ob die Maßnahmen, die Griechenland vorgenommen hat, den Zielvorstellungen entsprechen. Wenn ich es richtig sehe, wird der vorgegebene Primärüberschuss eingehalten.
(Otto Fricke [FDP]: Nein! Nicht!)
– Kollege Fricke, ich warte den nächsten Vierteljahresbericht von ESM, EZB und Europäischer Kommission ab. Dann können wir uns im Haushaltsausschuss darüber unterhalten, ob die Worte, die ich heute sage, stimmen oder nicht stimmen. Ich möchte hier jetzt nicht, kilometerweit entfernt, einfach sagen, das sei nicht so. Da bin ich etwas zurückhaltender als Sie.
Auch ich sehe die eine oder andere Maßnahme kritisch, die Tsipras vorgenommen hat. Aber auf der anderen Seite muss man sehen: In den letzten fünf Jahren ist die Arbeitslosigkeit um fast 10 Prozentpunkte gesunken, das Wirtschaftswachstum ist bei 2 Prozent,
(Sonja Amalie Steffen [SPD]: So ist es!)
und die Rückkehr an den Kapitalmarkt ist im März dieses Jahres mit zehnjährigen Anleihen zu knapp 4 Prozent durchaus gelungen.
Ich sage für die Unionsfraktion ganz klar: Wir stehen zu dem Maßgabebeschluss vom 1. August 2018. Ganz nebenbei: Der ist auf unsere Initiative hin zustande gekommen. Ich will auch sehr deutlich in Richtung Griechenland sagen: Das Prinzip „Hilfe gegen Reformen“ ist weiter die Basis für unser politisches Handeln. Wolfgang Schäuble ist für seine strikte Haltung zur Haushaltskonsolidierung unter Einhaltung von Reformen oft kritisiert worden. Ich kann jetzt und heute sagen: Ich halte die Zusammenarbeit mit dem Bundesfinanzministerium, sowohl mit Olaf Scholz als Minister als auch mit Staatssekretär Kukies, der dafür verantwortlich ist, für exzellent. Ich fühle mich gut vom Haus informiert, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben als Deutscher Bundestag Verantwortung gegenüber dem deutschen Steuerzahler. Wir haben aber auch Verantwortung gegenüber Europa. Ich glaube, dass sich Griechenland in den letzten Jahren auch beim Thema Mazedonien sehr verantwortungsvoll verhalten hat. Wenn ich mir diese Region, diesen Raum anschaue – nebenan die Türkei, nicht ganz einfach, der Nahe Osten, Syrien, Libyen –, dann glaube ich, dass es ganz wichtig ist, dass wir als Bundesrepublik Deutschland, als das größte Land in Europa, wirtschaftlich, aber auch politisch, verantwortlich sagen: Stabilität ist uns wichtig. – Deswegen: Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD, würde das genaue Gegenteil bewirken. Er ist unsolidarisch, er ist menschenfeindlich, und er ist verantwortungslos. Ich wiederhole 14 Tage vor der Europawahl das, was ich zu Beginn gesagt habe: Wir wollen ein starkes, ein solidarisches, ein handlungsfähiges Europa. Ihr Antrag würde das genaue Gegenteil bewirken.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Eckhardt Rehberg. – Nächster Redner in der Debatte: Otto Fricke für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7353152 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 99 |
Tagesordnungspunkt | Rückabwicklung von Finanzhilfen für Griechenland |