Carsten KörberCDU/CSU - Rückabwicklung von Finanzhilfen für Griechenland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vor einigen Tagen wurde eine Umfrage von Infratest dimap zur Europawahl veröffentlicht. Danach sagen acht von zehn Befragten, dass sie sich sehr stark oder stark mit Europa verbunden fühlen. Das gilt grundsätzlich für die Anhänger aller Parteien, mit Ausnahme der Anhänger der AfD. Eine Mehrheit der AfD-Anhänger, nämlich 54 Prozent, fühlt sich laut dieser Umfrage weniger oder gar nicht mit Europa verbunden.
(Peter Boehringer [AfD]: Haben die den Unterschied zwischen EU und Europa berücksichtigt?)
89 Prozent der AfD-Mitglieder haben sich im vergangenen Herbst für den EU-Austritt Deutschlands als letzte Option ausgesprochen. Dieser Passus steht nun, wie wir alle wissen, im Europawahlprogramm.
Diese Zahlen zeigen: Die AfD ist eine Partei, die Europa nicht im Herzen trägt.
(Marc Bernhard [AfD]: Das ist doch nicht richtig! Wir wollen eine Reform von Europa!)
Neben unserer Bundeskanzlerin ist die EU Feindbild Nummer eins. Überall dort, wo die blaue Europaflagge weht, wittert die AfD Abzocke, Bevormundung, Unterdrückung und den Totalitarismus Brüsseler Bürokraten.
(Jürgen Braun [AfD]: Da ist was dran, Herr Körber!)
Aber wenn man auf der anderen Seite einmal schaut, mit wem Sie sich auf internationaler Bühne ganz gerne zeigen, zum Beispiel mit Herrn Putin oder auch mit Herrn Orban,
(Marc Bernhard [AfD]: Er ist doch bei Ihnen in der Fraktion im Europaparlament, oder nicht? Die Fidesz ist doch bei Ihnen in der Fraktion und nicht bei uns!)
dann könnte man meinen, dass Sie mit Unterdrückung und auch autoritärem Gehabe im Grunde gar kein Problem haben – ganz im Gegenteil!
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Salvini darf man nicht vergessen!)
In zwei Wochen ist Europawahl. Deshalb haben Sie heute diesen Antrag eingebracht, der sich mit den Finanzhilfen für Griechenland beschäftigt.
(Marc Bernhard [AfD]: Das ist unser erster Antrag dazu!)
Dieser Antrag ist Mittel zum Zweck, um die eigentliche Agenda durchzusetzen, nämlich die Verächtlichmachung der Europäischen Union.
(Fabian Jacobi [AfD]: Das schafft die schon ganz gut alleine!)
Es geht Ihnen um die Delegitimation der Europäischen Union.
(Jürgen Braun [AfD]: Das macht doch Brüssel alleine! – Marc Bernhard [AfD]: Wir zählen nur die Fakten auf, sonst nichts! – Gegenruf des Abg. Christian Petry [SPD]: Pseudofakten!)
Für Sie ist die EU – so steht es in der Präambel Ihres EU-Wahlprogramms, aus der ich zitiere – „ein Widerspruch in sich“, „ein bürgerferner Kunststaat, der auf Vertrags- und Rechtsbrüche zurückgeht“, eine „Pervertierung“.
(Marc Bernhard [AfD]: Wo kommt denn der Bürger in der EU vor? Wo kommt er denn wirklich vor?)
Für uns hingegen ist die Europäische Union nicht nur eine Wirtschaftsunion. Für uns ist die Europäische Union vor allem eine Wertegemeinschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Über Jahrhunderte ist die europäische Geschichte neben vielem Positiven eben auch durch Gewalt und Blutvergießen gekennzeichnet. Es brauchte erst die ultimative Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, um zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und dann schließlich zur Europäischen Union zu gelangen. Die europäische Einigung hat uns mehr als 70 Jahre lang Frieden, Freiheit und Wohlstand gebracht.
(Marc Bernhard [AfD]: Ich dachte, das war die NATO!)
Eine so lange Periode von Frieden gab es noch nicht in Europa. Mit Blick in die Gegenwart und die Zukunft wird die EU für uns noch wichtiger.
(Jürgen Braun [AfD]: Die EU hat es doch damals gar nicht gegeben! Das war die NATO!)
Die Welt wird zunehmend multipolar und unübersichtlicher. Die USA fallen als verlässlicher Partner aus. Auch Russland agiert zunehmend kompromisslos und kümmert sich nicht um die internationale Ordnung. Chinas Aufstieg hingegen setzt diese Ordnung noch weiter unter Druck. Dabei propagiert China ein autoritäres Staats- und Gesellschaftsmodell, das im scharfen Gegensatz zu unseren westlichen Werten steht. Das alles zeigt: Weder Deutschland noch die anderen europäischen Staaten können international alleine bestehen. Deshalb brauchen wir alle gemeinsam die Europäische Union.
(Fabian Jacobi [AfD]: Aber nicht so!)
Das heißt natürlich nicht, dass die Europäische Union perfekt ist. Das heißt auch nicht, dass nicht Fehler gemacht wurden. Das gilt ganz klar und ausdrücklich auch für die Griechenland-Rettungspolitik. Das würde auch in diesem Hause niemand ernstlich abstreiten. Und die Nachrichten, die wir jetzt aus Athen hören, bestätigen uns; das ist richtig. Aber wir Abgeordnete des Deutschen Bundestages haben Verantwortung für Deutschland.
(Marc Bernhard [AfD]: Eben!)
Und genau aus dieser Verantwortung für Deutschland heraus stehen wir fest zur Europäischen Union.
Dazu gehört auch, dass wir die Einhaltung der Zusagen der griechischen Regierung einfordern werden; denn nur so funktioniert eine Gemeinschaft. Wir werden alles dafür tun, dass Griechenland seine gegebenen Zusagen einhält.
(Lachen des Abg. Peter Boehringer [AfD])
Wir riskieren nicht die Finanzstabilität der Euro-Zone – im Gegensatz zu Ihnen und Ihrem Antrag.
Am Ende haben wir als Haushaltsausschuss des Bundestages Vorsorge getroffen; denn ohne unsere Zustimmung – dazu dient der Maßgabebeschluss, den wir letztes Jahr gefasst haben – wird es keine Auszahlung der Zinsgewinne an Griechenland geben. Nun kann sich Herr Tsipras überlegen, was er will: Will er jetzt mit seiner lauten Wahlkampfrhetorik auf diese Gelder verzichten, oder kommt er doch zur Vernunft und geht diesen langen und schwierigen Weg, der aber letzten Endes erfolgversprechend ist, mit uns weiter?
Dem AfD-Antrag stattzugeben, würde einen massiven Rückschritt bedeuten und Europa wieder in die Krise stürzen.
(Zuruf des Abg. Jürgen Braun [AfD])
Das dürfen und werden wir nicht zulassen. Deshalb lehnen wir diesen Antrag entschieden ab.
Vielen Dank.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7353170 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 99 |
Tagesordnungspunkt | Rückabwicklung von Finanzhilfen für Griechenland |