10.05.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 99 / Zusatzpunkt 17

Sybille BenningCDU/CSU - Aktuelle Stunde zum globalen Report zur Artenvielfalt

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Zuhörer! Auf dem Weg zum Reichstag prangt am BPA derzeit ein großes Plakat mit dem Aufruf: „Jetzt Bienen füttern!“ Das macht aufmerksam. Ich bin Imkerin. Gemeinsam mit einer Freundin betreue ich sechs Bienenvölker. An diesem Hobby kann ich in Gesprächen anschaulich zeigen, was die Natur für uns Menschen leistet: Wir können Honig essen, Bienenwachskerzen herstellen, und als Wildbestäuber sind Bienen für eine ertragreiche Landwirtschaft ein unschätzbarer Faktor. Es gibt noch viel mehr Leistungen, die die Natur und die Ökosysteme erbringen. Um nur ein paar zu nennen: Luftqualität, sauberes Wasser – das alles wird in Ökosystemen reguliert. Wir gewinnen Energie, Arzneien und Baumaterialien aus der Natur. Und selbstverständlich bringt uns eine intakte Natur Lebensqualität, Erfahrungen mit der Natur, die unserer Seele guttun. Das kann man monetär gar nicht ausdrücken.

Wenn aber Pflanzenarten, kleinste Bodenorganismen, Insekten, Säugetiere aussterben, Korallen und Algen sterben, dann ist die Funktionsfähigkeit der Ökosysteme beeinträchtigt. Sie verändern sich und die Leistungen sinken. Das hat gravierende Folgen. Dem müssen wir endlich mehr Aufmerksamkeit widmen, und wir müssen handeln.

Aufmerksamkeit ist in der Politik ein wichtiges und zugleich knappes Gut. Die Konferenz von Paris und der Bericht des IPBES schaffen die Aufmerksamkeit für das Thema Artenvielfalt, ein Thema, das mit vielen anderen konkurriert, sowohl in der Öffentlichkeit wie auch im politischen Prozess, zum Beispiel mit dem Thema Klimaschutz, wobei der Klimawandel als eine der Ursachen für das Artensterben bekannt ist. Wir müssen diese beiden globalen Probleme in ihrem engen Zusammenhang betrachten.

(Karsten Hilse [AfD]: Richtig! Einen Zusammenhang gibt es dazwischen! Das ist richtig!)

Der politische Rahmen dafür liegt in den 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung, den sogenannten SDGs der Vereinten Nationen. Ökosystemleistungen unterstützen uns auf dem Weg zur Erreichung der SDGs direkt und indirekt. Direkt bei den Zielen zum sauberen Wasser, zum Leben in Gewässern, zum Leben an Land und zum Klimaschutz. Indirekt können Ökosystemleistungen aber zum Beispiel auch zu den Zielen „Beendigung von Hunger und Armut“ und „Verbesserung von Gesundheit und Wohlergehen“ beitragen.

Wir haben jetzt mit dem am Montag vorgestellten Bericht erstmals für 132 Mitgliedstaaten des Weltbiodiversitätsrats eine gemeinsame wissenschaftliche Grundlage über den Zustand der Artenvielfalt und der Ökosysteme. So unterschiedliche Staaten wie die USA, China, Peru und Simbabwe haben anerkannt, was die direkten und indirekten Ursachen für den Verlust von Biodiversität sind.

Die Aufmerksamkeit ist da. Dieses Momentum müssen wir nutzen. Aus meiner Sicht geht es darum, gemeinsam an Lösungen für die Probleme in den Bereichen Artenschutz und Klimaschutz zu arbeiten. Ich meine damit uns selbst, die Politik und die Verbraucher, aber auch die Wirtschaft und die Landwirtschaft als ein Teil davon.

Die Wissenschaft hilft dabei. Sie zeigt Optionen für die Politik, aber auch für die ganze Gesellschaft auf. Zum Beispiel gibt dieser Bericht Hinweise, dass wir uns bei der Landnutzung von der hergebrachten Vorstellung – auf der einen Fläche wirtschaften, auf der anderen Fläche Umweltschutz – verabschieden müssen. Damit allein konnten wir das Artensterben nicht aufhalten. Wir müssen also die Biodiversität viel stärker auf allen, wie auch immer genutzten Flächen schützen.

Dazu gehört für mich unbedingt der Ausbau der Grünflächen in den Städten. Wir brauchen viel mehr naturnahe, artenreiche Grünflächen, begrünte Fassaden und Dächer. Sie senken die Temperaturen in bebauter Umgebung, können Starkregen aufnehmen, und sie sind kostengünstige, nachhaltig wirksame Lösungen, die die Biodiversität erhöhen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

– Danke. – Darum setze ich mich intensiv für einen Masterplan für das Weißbuch „Grün in der Stadt“ ein, in dem unser Programm „Zukunft Stadtgrün“ einen festen Platz haben muss.

Die Grundlage für alle Artenschutzprogramme ist, die Arten und Organismen zu kennen; das ist die Aufgabe der Taxonomie, einem Teilgebiet der Biologie. Das haben wir in der letzten Legislaturperiode gemeinsam durch einen Antrag gefördert. Dabei bleiben wir natürlich nicht stehen. Das BMBF hat im Februar dieses Jahres eine neue Forschungsinitiative zum Erhalt der Artenvielfalt gestartet und damit auch einen Beitrag zur nationalen Biodiversitätsstrategie geleistet. Dafür stellt das Forschungsministerium 200 Millionen Euro bereit. Der Ansatz ist sektorübergreifend. Es wird eine Dialogplattform Artenvielfalt eingerichtet, die die Schnittstelle sowohl für die verschiedenen Ressorts als auch zu Gesellschaft und Wirtschaft sein soll – ich finde das genau richtig –, damit Handlungsoptionen breite Akzeptanz finden und schnell von politischen Entscheidern umgesetzt werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es hilft doch nicht, wenn wir anfangen, einzelnen Gruppen eine Schuld am Artensterben und am Klimawandel zuzuweisen. In unserer Gesellschaft sind alle gefordert, wenn wir unsere Wirtschaftsweise und unser Verhalten so verändern wollen, dass wir nachhaltig mit Ressourcen und schonend mit der Umwelt umgehen. Es betrifft uns alle als Verbraucher jeglicher Konsumgüter, es betrifft uns als Autofahrer, als Flugreisende, eben als Menschen, die mobil sein wollen. Es betrifft alle. Alles ist mit allem verknüpft. Wir brauchen international verbindliche Handlungsstrategien, die transparent und vergleichbar sind. Und wir müssen kontrollierbare Ziele im Artenschutz festlegen. So schaffen wir auch gleiche Wettbewerbsbedingungen. Man kann Nichtstun eben nicht mit dem Argument beschönigen, Artenschutz sei ein Wettbewerbshindernis. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir doch sagen: Die Biodiversität sichert die Grundlage des Wettbewerbs.

Ich finde, wir müssen die politischen Rahmenbedingungen schaffen, um es allen leichter zu machen, unser Leben nachhaltig zu gestalten.

Kollegin Benning, kommen Sie bitte zum Schluss.

Wir finden nur dann Akzeptanz dafür, wenn wir als Politik nicht immer Verzicht abverlangen. Wir müssen Lösungen anbieten, die einen Wandel unseres Verhaltens vereinfachen.

Kollegin Benning, Sie müssen bitte jetzt den Schlusspunkt setzen.

Ich komme zum Abschluss. – Ich bin der Meinung, dass Sie alle verstanden haben, was ich meine.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Ich wünsche, dass Sie in diesem Sinne handeln, dass Sie unsere Politik unterstützen. Ich weiß, dass sich der Einsatz dafür lohnt.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7353437
Wahlperiode 19
Sitzung 99
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde zum globalen Report zur Artenvielfalt
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