16.05.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 101 / Tagesordnungspunkt 5

Till MansmannFDP - Entlastung bei den Sozialabgaben

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte Kollegen von der AfD-Fraktion, vor ein paar Monaten noch hatte Ihre Fraktion überhaupt keine Vorstellung von Arbeits-, Sozial- oder Rentenpolitik. Wenn man damals gefragt hat, stieß man weder in Ausschüssen noch in der Öffentlichkeit bei Talkshows oder Interviews auf irgendwelche Antworten.

(Widerspruch bei der AfD – Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun sollte Ihre Findungsphase ja vorbei sein, doch auf sachlich überzeugende Vorschläge müssen wir weiter warten. Sie legen auf ein paar mageren Seiten einen Vorschlag vor, der so weit geht, dass man sich mehr Details gewünscht hätte.

Immerhin: Das von Ihnen angesprochene Problem existiert. Der Lohnabstand ist bei vielen Beschäftigungsverhältnissen nicht gewahrt, und die Anreize, geringe Einkommen zu verbessern, sind leistungsfeindlich und unsozial ausgestaltet.

(Beifall bei der FDP – Zuruf von der AfD: Hört! Hört!)

Fast jeder Zuverdienst, den Minijobber und Geringverdiener in harter Arbeit aufwendig erwirtschaften, wird auf die staatliche Hilfe angerechnet. Gleichzeitig wird Eigeninitiative durch bürokratische Hürden erstickt. Gerade Menschen mit niedrigen Einkommen brauchen nicht nur Entlastung, sondern bessere Übergänge. Im Grunde wollen Sie eine Gleitzone durch eine andere ersetzen. In diese Richtung denken auch wir, aber viel innovativer. Ihre Grenzsätze werden wieder zu ähnlichen Problemen führen, wie wir sie jetzt schon haben. Stattdessen schlagen wir vor, die starren Grenzen zu dynamisieren und an den Mindestlohn anzukoppeln.

(Beifall bei der FDP)

Das Teilhabechancengesetz wollen Sie gleich ganz abräumen. Dieses Gesetz verfehlt in der Tat in seiner derzeitigen Fassung leider weitgehend sein Ziel. Wir brauchen ausreichend Mittel für berufliche Qualifikationen während der Beschäftigungsphase. Da muss man noch nachlegen. Aber das Gesetz ist doch wenigstens in die richtige Richtung gedacht. Man müsste es grundlegend verbessern, aber nicht abschaffen. Denn hier geht es doch um etwas ganz anderes, als um das eingangs beschriebene Problem, das Problem niedriger Einkommen, es geht um Langzeitarbeitslose, die wir mit der Entlastung bestehender Arbeitsverhältnisse gar nicht erreichen. Das Teilhabechancengesetz ersatzlos streichen zu wollen, das ist, wie ich hoffe, nur eine Eselei unter dem Aspekt „Thema verfehlt“ und nicht etwa die Ankündigung der zukünftigen Sozialpolitik Ihrer Fraktion.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Thomas Heilmann [CDU/CSU])

Ganz abenteuerlich ist dann Ihre Finanzierung. Sie greifen in die Vollen. Im Umgang mit Steuergeldern überbieten Sie an Höhe sogar die immer teuren Vorschläge von Linken und Grünen. 36 Milliarden Euro pro Jahr, wenn das nur reicht! Ein Teil davon soll gleich einem steuerlichen Perpetuum mobile von selbst zurückfließen. Für den Rest greifen Sie auf einen Trick zurück, der schon beim Brexit in Großbritannien angewendet wurde: Wie die britischen Rechtspopulisten fabulieren Sie von Brüsseler Geld und missbrauchen eine ernsthafte Sozialdebatte für ganz andere Zwecke.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Als würde es den Bürgerinnen und Bürgern helfen, wenn man ihre Belastungen einfach von den Sozialabgaben zu den Steuern verschiebt! Aber zu diesem Punkt wird mein Kollege Cronenberg noch ausführlicher Stellung nehmen.

Ja, Steuern, Abgaben und die strukturellen Mechanismen des Arbeitsmarkts gehören reformiert, gerade im Bereich niedriger und mittlerer Einkommen. Gerne gehen wir Freie Demokraten mit gutem Beispiel und fertig entwickelten Vorschlägen voran. Es wäre sinnvoll, Sozialleistungen zusammenzufassen und staatliche Aufgaben zu bündeln, zum Beispiel in einem liberalen Bürgergeld. In Kombination mit moderaten Steuer- und Beitragssätzen könnten die notwendigen Freiräume entstehen, ohne eine Schieflage zu riskieren, wie bei Ihrem Vorschlag. Das Geld, das Sie verbraten wollen, sollten wir lieber zur Finanzierung der Hartz-IV-Verwaltung nutzen. Gleichzeitig ist es zur Unterstützung von Arbeitslosen dringend geboten, die Jobcenter durch Entbürokratisierungsmaßnahmen zu entlasten. Nur so können sich die Mitarbeiter vor Ort persönlich und in der gebotenen Tiefe mit den einzelnen betroffenen Bürgern auseinandersetzen.

(Beifall bei der FDP)

Das würde nicht nur den Geringverdienern helfen, sondern auch den Langzeitarbeitslosen und all denen, die aus der Erwerbslosigkeit gerade wieder zurück in den Arbeitsmarkt finden.

Eine schlecht kalkulierte Milliardenverschiebung von den Sozialkassen in die Steuerbelastung ist kein sinnvoller Vorschlag. Daher lehnen wir Ihren Antrag ab. Wir werden im Ausschuss darüber sprechen, was wir stattdessen an dieser Stelle wirklich tun können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat die Abgeordnete Angelika Glöckner für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7355836
Wahlperiode 19
Sitzung 101
Tagesordnungspunkt Entlastung bei den Sozialabgaben
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