Carl-Julius CronenbergFDP - Entlastung bei den Sozialabgaben
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD fordert die Abkehr vom Versicherungsprinzip im Sozialsystem und möchte die Finanzierungslücke in Höhe von 36 Milliarden Euro durch eine Kürzung im EU-Budget gegenfinanzieren. Damit kopiert die AfD die Hard Brexiteers, die den Briten vor drei Jahren vorgegaukelt haben, mit weggesparten EU-Beiträgen das marode Gesundheitssystem sanieren zu können.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Jutta Krellmann [DIE LINKE] – Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Genau das!)
Dieses leere Versprechen hat genau bis zum Tag nach dem Referendum gehalten. Jetzt verknüpft die AfD linkspopulistische Sozialfantasien mit rechtspopulistischen Europaressentiments.
(Kay Gottschalk [AfD]: Arbeitnehmer entlasten ist populistisch?)
Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Da sind mir, lieber Kollege Schneider, die Europafantasien von Präsident Macron aber dreimal lieber.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Sie schreiben in Ihrem Antrag – ich zitiere – „der mehrjährige Finanzrahmen der EU“ könnte „auf ein Volumen von 0,22 Prozent des Bruttonationaleinkommens angesetzt werden“. 0,22 Prozent? Zurzeit beträgt der MFR ohne die Beiträge Großbritannien circa 1,2 Prozent. In dieser Größenordnung bewegen sich auch die Vorschläge von Kommission und Parlament für den nächsten Haushalt. Die AfD schlägt 0,22 Prozent vor. Das entspricht einer Haushaltskürzung von über 80 Prozent.
(Kay Gottschalk [AfD]: Das ist eine Entbürokratisierung! Wasserkopf! – Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN], an die AfD gewandt: Sie wollen die Europäische Union nicht!)
Meine Damen und Herren, wer den EU-Haushalt um 80 Prozent zusammenstreichen will, dem geht es nicht um die Entlastung von Durchschnitts- und Geringverdienern, sondern der legt in Wahrheit die Axt an die Funktionsfähigkeit der Europäischen Union.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kay Gottschalk [AfD]: Hier geht es um gerechte Lastenverteilung, Herr Kollege!)
Aber was bezwecken Sie eigentlich mit Ihren Finanzierungsvorschlägen konkret? Sie beklagen doch tagein, tagaus die unkontrollierte Migration nach Europa. Wir wollen Frontex endlich zu einer echten Grenzschutzagentur ausbauen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Europa braucht sichere Außengrenzen. Das kostet Geld, Geld, das Sie jetzt streichen wollen.
Sie beklagen in Ihrem Wahlprogramm den Ausverkauf der Wirtschaft durch China. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit stärken, indem wir in eine europäische KI-Strategie investieren. Das kostet Geld, Geld, das Sie jetzt streichen wollen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Sie schüren Angst vor EU-Bürgern, die angeblich in unsere Sozialsysteme einwandern. Wir wollen über den Europäischen Sozialfonds Plus Jugendarbeitslosigkeit in Problemregionen bekämpfen, damit genau das nicht passiert. Auch das kostet Geld, Geld, das Sie jetzt streichen wollen.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Mit Verlaub: Ihre Politik ist an Widersprüchlichkeit nicht zu überbieten.
Deutschland ist eine Exportnation. 60 Prozent unserer Exporte gehen in die EU, 20 Prozent unserer Arbeitsplätze hängen am EU-Binnenhandel. Kollege Witt, das war wohl ein Freud’scher Versprecher, dass Sie statt „entlasten“ „entlassen“ gesagt haben. Wer jetzt leichtfertig die Basis für den Binnenmarkt untergräbt, der gefährdet Millionen Arbeitsplätze, der entlastet nicht, s ondern gefährdet Arbeitsplätze.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Gehen Sie ruhig hinaus auf die Straßen und Plätze, und erklären Sie den Bürgern, warum Sie eigentlich in ein Parlament einziehen wollen, das Sie gleichzeitig bis zur Unkenntlichkeit entmachten wollen!
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)
Wir jedenfalls kämpfen unbeirrt weiter für ein liberales Europa des Fortschritts, des Mehrwerts und der Chancen, für seine Menschen im Sinne der Präambel unseres Grundgesetzes.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Abgeordnete Alexander Ulrich für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
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Electoral Period | 19 |
Session | 101 |
Agenda Item | Entlastung bei den Sozialabgaben |