16.05.2019 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 101 / Tagesordnungspunkt 7

Falko MohrsSPD - Löhne und Arbeitsbedingungen im Postmarkt

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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Holm, was nehme ich von Ihrer Rede mit? Vor allem eins: Es gibt eine Gruppe, die Ihnen völlig egal ist – die war Ihnen noch nicht einmal eine Erwähnung wert –, und das sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Post, die harte Arbeit leisten und das unter guten tariflichen Bedingungen. Diese Gruppe interessiert Sie offensichtlich überhaupt nicht. Ich würde mir wünschen, dass Sie den Beschäftigten in diesem Land einmal sagen, wer Ihnen wirklich egal ist.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN – Zuruf des Abg. Leif-Erik Holm [AfD])

Aber, meine Damen und Herren, wir sortieren jetzt einfach mal gemeinsam; das hatte ich ja vorhin versprochen. Wir reden einmal über den Punkt Portoerhöhungen, was übrigens überhaupt kein parlamentarisches Verfahren ist; aber dazu kommen wir gleich. Wir kommen zu den Arbeits- und Sozialbedingungen bei der Post und den Wettbewerbern im Brief- und Paketbereich. Natür lich müssen wir auch über die üblichen Privatisierungsfantasien der FDP sprechen, wobei die AfD offensichtlich fleißig mitmacht.

Ich sage an dieser Stelle aber eines vorweg: Für uns als SPD ist völlig klar: Wir wollen eine gute Post, wir wollen gute Postdienstleistungen, und vor allen Dingen wollen wir eine Post, die gute Arbeitsplätze schafft und sichert, die tariflich abgesichert sind. Das ist für uns als SPD in diesem Land wichtig: eine gute Postversorgung in Stadt und Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das, was für einige der antragstellenden Oppositionsfraktionen offensichtlich Ausgangspunkt war, ist die Veränderung der Post-Entgeltregulierungsverordnung, also ein Beschluss des Kabinetts. Was ist da eigentlich passiert? Vielleicht müssen wir die Aufregung ein bisschen runterkochen. Das, was dort gemacht wurde, ist, dass der Vergleichsmaßstab angepasst wurde. Das heißt, in den Vergleich „Wie viel Gewinn darf die Post eigentlich machen?“ werden ab sofort nur noch die Postdienstleistungen der Dienstleister aus dem europäischen Ausland einbezogen, die von der Struktur her ähnlich sind wie die Deutsche Post, also nicht hundertprozentige Staatsmonopole. Das, meine Kolleginnen und Kollegen, ist der richtige Vergleichsmaßstab, wenn es darum geht, zu bewerten: Welches Geld braucht die Post für gute Arbeitsplätze und für Investitionen in die Zukunft?

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erklären Sie doch mal, warum!)

– Frau Dröge, dass Sie das falsch finden, habe ich Ihrem Antrag entnommen. Sie kritisieren, dass wir viel zu wenig Wettbewerb im Postmarkt haben.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! Erklären Sie, warum!)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Meiser?

Das machen wir, und danach komme ich auf Frau Dröge zurück.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann bin ich gespannt, ob Ihnen eine Antwort eingefallen ist!)

Vielen Dank, Herr Mohrs. – Sie haben das technisch sehr gut beschrieben. Vielen Dank dafür. Mir hat die Zeit gefehlt, um das aufzudröseln.

Würden Sie mir zustimmen, dass klar war, dass mit den Veränderungen des Vergleichsmaßstabes die Umsatzrendite, die dem Postkonzern für den Briefbereich zugestanden wurde, von etwas über 3  Prozent im vergangenen Jahr auf über 7 Prozent steigen musste? Dafür konnte übrigens auch die Bundesnetzagentur nichts. Von daher trifft unsere Kritik nicht die Bundesnetzagentur, sondern mit voller Wucht die Bundesregierung. Würden Sie mir zustimmen, dass das absehbar war und dass sich die Umsatzrendite von etwas über 3 Prozent durch die Änderung der Bundesregierung mehr als verdoppelt hat?

Das ist genau das, was durch den Vergleich mit den anderen europäischen Postdienstleistern doch Teil des Prüfgegenstandes war, Herr Kollege. Aber vor allem müssen Sie doch eins verstehen: Wenn Sie – es wundert mich, dass Sie das nicht getan haben – sich mit dem Betriebsrat der Post und mit Verdi, die als Gewerkschaft die Post betreut, auseinandergesetzt hätten, dann wüssten Sie, dass sowohl Betriebsrat wie auch Gewerkschaft diese Veränderung aus zwei wichtigen Gründen unterstützt haben, erstens weil die Post deutlich mehr investieren muss, beispielsweise in die Technik in den Zustellbetrieben, in den Sortierbetrieben, und zweitens weil die Post 8 500 neue, tariflich abgesicherte gute Arbeitsplätze geschaffen hat. Das war der Grund, warum sowohl Gewerkschaft als auch Betriebsrat das unterstützt haben. Ich finde es interessant, dass ich Ihnen als Linkem erklären muss, dass Sie mit Betriebsrat und Gewerkschaft reden und nicht nur auf die Bundesnetzagentur hören sollten. Ich würde mir wünschen, dass Sie diese Aspekte mitbetrachten. Ich glaube, dann wäre Ihnen das Ganze auch klarer geworden, Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme auf Sie zurück, Frau Dröge. Mit meiner Antwort gerade habe ich auch Ihnen schon zum größten Teil geantwortet. Sie kritisieren in Ihrem Antrag, dass viel zu wenig Wettbewerb herrscht. Schauen wir uns mal an, was dort passiert ist, wo Wettbewerb herrscht, beispielsweise im Paketbereich. Da gab es eine Abwärtsspirale bei der tariflichen Absicherung.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben schon unseren Antrag gelesen?)

– Ich habe Ihren Antrag gelesen. Schauen Sie einmal auf Seite 2; dort fordern Sie mehr Wettbewerb, Frau Dröge. – Da gibt es eine Abwärtsspirale bei den Arbeitsbedingungen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie den Paketmarktteil des Antrags gelesen?)

– Wissen Sie, Frau Dröge, Sie müssen mir schon zuhören, wenn ich hier rede. Sie sind ja gleich dran und können es klarstellen. Eine Sache würde ich mir wünschen: Dass Sie klarstellen, dass Sie mit „mehr Wettbewerb“ nicht meinen, dass es auch einen solchen Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten, wie er in der Paketbranche üblich ist, im Postbereich geben soll.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vor allem soll nicht das passieren, was in anderen Unternehmen als Folge der Privatisierung geschehen ist, beispielsweise bei der Deutschen Bahn, nämlich dass es ein Auseinanderfallen der Qualität zwischen Stadt und Land gibt. Frau Kollegin Dröge, erklären Sie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Menschen in unserem Land, was Sie mit mehr Wettbewerb meinen.

(Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das steht alles im Antrag drin!)

Dass Sie offensichtlich die gleichen Privatisierungsfantasien verfolgen wie die FDP, war mir neu. Wenn Sie das allerdings nicht wollen, dann distanzieren Sie sich gleich in aller Klarheit.

Wir erleben doch, was dort passiert, wo gute starke Betriebsräte und Gewerkschaften mit am Werk sind. So ist bei der Post Folgendes passiert: Delivery, die heftig kritisierte Tochtergesellschaft der Post, wird als Ergebnis des letzten Tarifvertrages aufgelöst, und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden wieder in den Tarif der Deutschen Post übernommen. Das sorgt übrigens dafür, dass die Kolleginnen und Kollegen dort ein 13. Monatsgehalt haben, dass sie insgesamt eine bessere Bezahlung haben, dass sie eine betriebliche Altersvorsorge haben und dass sie vom Kündigungsschutz profitieren.

Meine Kolleginnen und Kollegen, was, wenn nicht das, ist eigentlich der beste Beweis dafür, dass gute Mitbestimmung, gute Tarifverträge und starke Gewerkschaften vor allem für gute Arbeitsplätze – in dem Fall bei der Deutschen Post – sorgen? Das ist ein großer gewerkschaftlicher Erfolg, über den wir als SPD uns freuen.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben im Paketbereich – ich habe das eben kurz erklärt, Frau Dröge – als Folge des Wettbewerbs erlebt, wie das in einer Abwärtsspirale zu deutlich schlechteren Arbeitsbedingungen geführt hat. Deswegen ist es wichtig, dass wir der Scheinselbstständigkeit, die man sich dort zunutze gemacht hat, entgegengetreten sind und diese Woche – es wurde von meinem Kollegen erwähnt – im Koalitionsausschuss beschlossen haben, dass es eine Nachunternehmerhaftung geben wird.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat das mit Scheinselbstständigkeit zu tun? Überhaupt nichts!)

Das ist wichtig, um eine gute Versorgung der Kolleginnen und Kollegen in der Paketbranche – Stichwort: Sozialversicherung – sicherzustellen.

Noch einmal zu der Frage, ob ich Ihren Antrag gelesen habe. Sie sollten ein bisschen besser recherchieren, Frau Dröge. Sie kritisieren dort nämlich, dass auf dem deutschen Markt nicht die gleichen arbeitsrechtlichen Bedingungen für Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausland herrschen. Frau Dröge, ich empfehle Ihnen, einfach einmal in die Entsenderichtlinie der Europäischen Union aus dem Mai 2018 zu schauen. Denn dort heißt es: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann muss die Bundesregierung erst mal handeln!)

Das, meine Damen und Herren, ist richtig und wichtig und eine gute Absicherung für gute Arbeit in Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gilt ja noch gar nicht in Deutschland! Was behaupten Sie da eigentlich?)

Wir müssen also nicht mehr Wettbewerb fordern, sondern wir müssen die Tariftreue stärken. Wir müssen vielleicht sogar darüber nachdenken – ich habe das an anderer Stelle schon erwähnt –, die Unternehmen, die eine gute Mitbestimmung haben, so zu stärken, dass es für alle Unternehmen entsprechend attraktiv ist, gute tarifliche Absicherung für die Kolleginnen und Kollegen zu erbringen.

Meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Sie fordern die vollständige Privatisierung der Post.

(Christian Dürr [FDP]: Ja, dringend!)

Wir sind es ja von Ihnen gewohnt, dass Sie alles privatisieren wollen.

(Christian Dürr [FDP]: Ganz schlimm!)

Ich sage Ihnen noch einmal das, was ich eben schon erwähnt habe: Wir erleben beispielsweise bei der Deutschen Bahn, was als Folge der Teilprivatisierung passiert ist.

(Christian Dürr [FDP]: Die gehört dem Staat! Wo ist denn da Privatisierung? Die sehe ich nicht!)

Das Ergebnis ist, dass Strecken im ländlichen Raum stillgelegt wurden.

(Christian Dürr [FDP]: Herr Mohrs, wo ist die Bahn privatisiert? Die gehört dem Staat!)

– Sie melden sich bitte, um eine Zwischenfrage zu stellen, oder der Kollege, der gleich redet, kann es ausführen. – Dort gab es einen stärkeren Wettbewerb auf der Schiene. Das hat zu einem erhöhten Kostendruck geführt. Das führt dazu, dass im ländlichen Raum Strecken stillgelegt werden.

(Christian Dürr [FDP]: Er kritisiert ein Staatsunternehmen! Das ist spannend!)

Die Folge ist, dass beispielsweise der Service im öffentlichen Personenverkehr zwischen Stadt und dem ländlichen Raum auseinanderklafft. Wenn Sie das auch bei der Post wollen, dann bekennen Sie Farbe. Sagen Sie das, wenn das die Folge Ihrer Privatisierungsfantasien sein soll.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])

Für uns steht fest: Wir wollen eine flächendeckende Post mit tariflich gut abgesicherten Arbeitsplätzen. Das hat für uns höchste Priorität. Insofern, meine Damen und Herren, freue ich mich auf die Beratungen in den Ausschüssen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Für die FDP-Fraktion hat das Wort der Kollege Reinhard Houben.

(Beifall bei der FDP)

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