Anke Domscheit-BergDIE LINKE - Freiheit im Internet
Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
(Abg. Jürgen Braun [AfD] spricht mit Abgeordneten der CDU/CSU und FDP)
Herr Braun, wir sind übrigens gerade in einer Debatte. Hier redet gerade eine Kollegin. Wenn Sie Ihre Quergespräche führen wollen, möchte ich Sie bitten, das draußen zu tun. Jetzt hat das Wort Frau Domscheit-Berg für die Fraktion Die Linke.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank. – Liest man den Antrag der AfD ohne Kontext, findet man durchaus einige sinnvolle Forderungen, die auch die Linksfraktion schon sehr lange aufstellt.
(Tankred Schipanski [CDU/CSU]: Oioioi!)
Wir haben uns im Bundestag schon gegen Vorratsdatenspeicherung eingesetzt, da gab es noch gar keine AfD-Fraktion. Gleiches gilt für die Forderung nach verbindlichen Sicherheitsstandards, nach Netzneutralität, mehr IT-Sicherheitsforschung, mehr Verschlüsselung und für ein modernes Urheberrecht, das ohne Uploadfilter auskommt – um nur ein paar Punkte zu nennen.
(Beifall bei der LINKEN)
Bei Sicherheitslücken fordern wir allerdings nicht nur, dass der Staat sie nicht auf dem grauen Markt kauft, um sie später auszunutzen. Die Linksfraktion fordert auch eine generelle Meldepflicht; denn nur wenn Sicherheitslücken bekannt werden, können Hersteller dafür sorgen, dass sie schnell geschlossen werden, und damit die IT-Sicherheit für uns alle erhöhen.
(Beifall bei der LINKEN)
Anders als die AfD sind wir auch gegen jegliche Formen von Staatstrojanern; denn auch für einen einmaligen Einsatz von Staatstrojanern müssen diverse Sicherheitslücken auf Halde und geheim gehalten werden. Sicherheitslücken gibt es aber nicht nur auf den IT-Geräten von irgendwelchen Terroristen, sondern auch auf den gleichen IT-Geräten von ganz normalen Bürgerinnen und Bürgern. Wer deshalb wissentlich Sicherheitslücken geheim hält, gefährdet unser aller Sicherheit, gerade in einer digitalen Gesellschaft, in der vom Krankenhaus über Behörden bis zu Unternehmen alles von der Integrität informationstechnischer Systeme abhängt.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich warne aber davor, den Antrag der AfD ohne Kontext zu lesen. Darin wird zum Beispiel behauptet – das haben wir auch gerade in der Rede gehört –, dass es der AfD-Fraktion vor allem um die Presse- und die Meinungsfreiheit geht. Was die AfD allerdings unter diesen beiden Begriffen versteht, weicht doch sehr stark von dem ab, was Konsens in der Gesellschaft ist.
(Beifall bei der LINKEN)
Sie will faktisch einen Freifahrtschein für die eigene rassistische Hetze.
(Norbert Kleinwächter [AfD]: Ach Gott!)
Seriöse Medien diskreditiert sie systematisch als „Lügenpresse“, sperrt unliebsame Journalistinnen und Journalisten von Parteitagen aus, toleriert seelenruhig, dass ihre Anhänger Pressevertreter auch tätlich angreifen und bei der Arbeit behelligen.
(Jürgen Braun [AfD]: Erstunken und erlogen!)
Bei einer Demonstration der AfD in Magdeburg wurden Journalisten aus der Demo heraus mit Pfefferspray angegriffen, darunter auch ein Kameramann des ZDF. So sieht Pressefreiheit also aus, wenn die AfD sie definiert.
(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Braun [AfD]: Nichts davon ist wahr! – Zuruf von der LINKEN: Unglaublich!)
Fake News werden am liebsten von ihr selbst verbreitet, zum Beispiel die Behauptung, Mohammed sei der am häufigsten vergebene Name für männliche Neugeborene in Berlin.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ja, eine glatte Lüge!)
Es ist der Faktenfinder der ARD-„Tagesschau“,
(Jürgen Braun [AfD]: Der Faktenerfinder der „Tagesschau“! – Gegenruf der Abg. Kathrin Vogler [DIE LINKE]: Er macht es schon wieder!)
der solche Fake News regelmäßig entlarvt. Leider verbreiten sich solche Desinformationen aufgrund des profitorientierten Geschäftsmodells sozialer Netzwerke besonders breit und richten Schaden an. Sie sind zwar nicht strafbar, aber perfide und demokratiefeindlich.
(Beifall bei der LINKEN)
Mit Meinungsfreiheit meint die AfD natürlich auch nicht die Freiheit Andersdenkender, die zum Beispiel ihre Hassreden als rassistisch und rechtsextrem bezeichnen. So klagte die AfD, empfindsam wie sie ist, gegen die Meinungsäußerung, sie sei eine rechtsextreme Partei – und hat leider verloren.
(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der LINKEN: Oh!)
Nicht die AfD, sondern Gerichte haben die Meinungsfreiheit verteidigt.
Selbst die wenigen Grenzen, die die Meinungsfreiheit in Deutschland hat, möchte die AfD aufweichen. AfD-Politiker wurden bereits wegen Volksverhetzung verurteilt. Auch Bundestagsabgeordnete wie Weidel und von Storch reizen aus, wie weit sie gehen können, ohne wegen Volksverhetzung verurteilt zu werden, mit Äußerungen, die so abstoßend sind, dass ich sie hier nicht wiederholen möchte.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der AfD)
Gleichzeitig beschwert sich die empfindsame Frau von Storch über ungerechtfertigte Twitter-Meldungen durch Dritte und fordert – ich zitiere –:
Warum sperrt Twitter die nicht einfach … Ratzfatz wäre dieser totalitäre Sumpf trockengelegt.
Meinungsfreiheit à la AfD!
(Zuruf von der LINKEN: Das freie Netz, was?)
Diese einseitige Version hat mit unserem Verständnis von demokratischen Grundrechten einfach gar nichts zu tun. Zum Glück sehen das viele auch so. Es gilt der schlichte Fakt: Wir sind mehr.
(Beifall bei der LINKEN – Karsten Hilse [AfD]: Wir sind noch mehr!)
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Informationen zu Schwangerschaftsabbrüchen nichts im Strafrecht verloren haben. § 219a gehört abgeschafft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Vielen Dank, Anke Domscheit-Berg. – Nächster Redner in der Debatte: Dr. Konstantin von Notz für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7356034 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 101 |
Tagesordnungspunkt | Freiheit im Internet |