Sonja SteffenSPD - Schuldenbremse
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Schon der Titel des Antrages, meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ist verwirrend. Ich zitiere ihn einmal: „Schuldenbremse stärken und keine Lobby-Politik zulasten kommender Generationen“.
(Christian Dürr [FDP]: Genau!)
Da fragt man sich: Seit wann hat ausgerechnet die FDP etwas gegen Lobbypolitik?
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Genau!)
Richtig schlau wird man aus Ihrem Antrag aber auch nicht, wenn man weiterliest. Dabei fangen Sie ganz gut an.
(Otto Fricke [FDP]: Vielleicht haben Sie einfach nur Vorurteile!)
Genau, es stimmt, Sie haben richtig festgestellt – vielen Dank dafür –:
Die Schuldenbremse hat nicht nur den öffentlichen Haushalten, sondern auch der politischen Kultur unseres Landes gutgetan.
Da hat die FDP richtig dazugelernt; denn – Sie haben es schon gehört – damals, im Mai 2009, als die Schuldenbremse hier im Parlament beschlossen wurde mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit,
(Christian Dürr [FDP]: Das habe ich doch gerade schon geklärt!)
weil wir dazu das Grundgesetz ändern mussten, hat sich die FDP kraftvoll enthalten. Heute sagen Sie, Herr Dürr: weil Sie es noch härter haben wollten. – Was für ein Quatsch! Sie haben sich damals schlicht vom Acker gemacht.
(Beifall bei der SPD – Andreas Schwarz [SPD]: Wie wahr! Das können sie!)
Zutreffend in Ihrem Antrag ist auch die Schlussfolgerung: „Die Schuldenuhr des Bundes läuft inzwischen rückwärts“. Und nicht nur die des Bundes, sondern auch die vieler Länder und vieler Kommunen. Das ist sehr erfreulich.
Frau Steffen, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke?
Nein, lieber nicht. Ich möchte die Rede erst zu Ende halten. Aber Sie können hinterher eine Kurzintervention machen.
(Christian Dürr [FDP]: Aber von mir vielleicht? Ich habe ein schönes Zitat von Ihrer Fraktion! 30 Sekunden!)
Nach Ihren klugen Einsichten am Anfang des Antrags wird es allerdings zunehmend nebulöser. Sie reden davon – ich zitiere jetzt noch einmal –, „dass sich … eine parteiübergreifende politische Bewegung für eine Einschränkung oder Abschaffung der Schuldenbremse zu bilden scheint.“ Ab jetzt befinden wir uns tatsächlich mitten im Land der Verschwörungstheorien.
(Christian Dürr [FDP]: Das ist großartig!)
Da ist von Gerüchten aus dem BMF die Rede,
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Unglaublich!)
von unbemerkten Versuchen, die Schuldenbremse aufzuweichen,
(Ingo Gädechens [CDU/CSU]: Nein!)
von dubiosen Runden und Vereinbarungen von Landesfinanzministern mit unserem Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Nein, meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, Ihr Antrag ist weiß Gott kein Highlight Ihrer bisherigen Fraktionsarbeit.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Ingo Gädechens [CDU/CSU])
Und was bitte schön meinen Sie mit „Wohlfühl-Programmen“ der Bundesregierung? Etwa das Gute-KiTa-Gesetz, mit dem wir 5,5 Milliarden Euro in den Ausbau von Kitas und in die Beitragsfreiheit investieren?
(Christian Dürr [FDP]: Frau Kollegin Steffen, was sagen Sie denn dazu, dass die Kollegin Esdar die Schuldenbremse abschaffen will?)
Oder die Wiederherstellung der Parität in der gesetzlichen Krankenversicherung? Oder die Erhöhung des Kindergeldzuschlages? Mit diesen Maßnahmen entlasten wir Beschäftigte und Familien erheblich.
(Beifall bei der SPD)
Mit diesen Gesetzen wird das Leben der Menschen besser. Übrigens tragen diese Gesetze – ich darf es an dieser Stelle einmal sagen – eindeutig die Handschrift der SPD.
(Christian Dürr [FDP]: Wo ist denn die Kollegin Wiebke Esdar? Die will die Schuldenbremse abschaffen! Die Kollegin Esdar will die Schuldenbremse abschaffen! Das steht hier! – Gegenruf des Abg. Andreas Schwarz [SPD]: Individualmeinung!)
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP,
(Christian Dürr [FDP]: Warum redet die Kollegin Esdar nicht? – Gegenruf des Abg. Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Weil es nicht die Fraktionsmeinung ist! Deswegen! Ja, so einfach ist das!)
wir von der SPD wollen auch die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung. Dafür werden wir kämpfen. Ich sage Ihnen auch gerne, warum. Es ist einfach ungerecht, wenn eine Friseurin 35 Jahre hart arbeitet und mit 500 Euro Rente nach Hause geht. Da ist es uns völlig egal, ob sie mit einem Chefarzt verheiratet ist oder nicht.
(Beifall bei der SPD)
Aber zurück zu Ihren Forderungen. Ihre erste Forderung lautet, die Schuldenbremse auf alle privatrechtlichen Beteiligungsgesellschaften der öffentlichen Hand auszudehnen. Ja, die Kollegin Hajduk hat es schon gesagt, da wundert man sich doch sehr, dass das ausgerechnet von der FDP kommt. Ich weise Sie aber auch gerne darauf hin – mein Kollege Schwarz hat es schon getan; ich fand es übrigens ziemlich eindeutig, aber ich möchte es noch einmal betonen –: Unser Finanzminister hat die Gründung einer privaten Gesellschaft zur Finanzierung öffentlicher Investitionen längst öffentlich ausgeschlossen.
(Zuruf des Abg. Michael Theurer [FDP])
Sie fordern als Zweites – und jetzt wird es richtig spannend – einheitliche und öffentlich kontrollierbare Maßstäbe und Berechnungsmethoden für den Bund und alle Länder. Jetzt folgt ein kurzer Grundkurs im Staatsrecht; ich hoffe, es wird nicht zu langweilig: Für den Bund gibt es diese Regelung bereits, nachzulesen – übrigens sehr ausführlich formuliert – in Artikel 115 des Grundgesetzes. Für die Länder kann der Bund selbstverständlich diese einheitlichen Maßstäbe nicht festlegen. Deshalb gibt es in Artikel 109 Absatz 3 nur die Festlegung, dass die Haushalte von Bund und Ländern grundsätzlich „ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“ sind.
Übrigens haben fünf Bundesländer bislang noch keine Schuldenbremse in das Verfassungsrecht aufgenommen.
(Christian Dürr [FDP]: Ja, zum Beispiel Niedersachsen, weil die SPD nicht will!)
– Ja, Herr Kollege Dürr, das ist bedauerlich.
(Christian Dürr [FDP]: Ja!)
Aber ob uns das an der ein oder anderen Stelle passt oder nicht: Der Föderalismus verbietet es uns schlicht,
(Christian Dürr [FDP]: Er verbietet nicht, dass die SPD schlechte Politik macht!)
verbindliche Maßstäbe der Schuldenbremse für die Länder festzulegen.
(Christian Dürr [FDP]: Ihr wollt in Niedersachsen nicht!)
Meine Kolleginnen und Kollegen von der FDP, ich weiß ja, dass Sie viele Juristinnen und Juristen in Ihrer Fraktion haben.
(Bettina Hagedorn, Parl. Staatssekretärin: Stimmt!)
Und dabei ist wirklich auch der ein oder andere richtig gute Jurist dabei. Es hätte Ihnen doch auffallen müssen, dass Sie an diesem Punkt staatsrechtlich wirklich völlig neben der Spur liegen.
(Beifall bei der SPD)
Wie Sie dann die weitere Forderung in Ihrem Antrag umsetzen wollen, nämlich Verstöße gegen die Schuldenbremse automatisch – so heißt es wirklich im Antrag: „automatisch“ – zu sanktionieren, verraten Sie uns erst gar nicht. Herr Dürr, ich dachte, Sie machen das vielleicht in Ihrer Rede; aber das ist dann leider auch nicht passiert.
Fazit: Der Antrag ist überflüssig.
(Beifall der Abg. Dr. Daniela De Ridder [SPD])
Die Schuldenbremse wird im Bund und in den Ländern eingehalten, und zwar so gut, dass sie in den letzten Jahren so gewirkt hat, dass der Bund und die meisten Bundesländer Schulden abbauen konnten. Einen Gesetzentwurf zur Stärkung der Schuldenbremse braucht es nicht, und zwar deshalb nicht, weil sie funktioniert.
Und noch etwas: Die Koalition unter einem sozialdemokratischen Finanzminister Olaf Scholz geht verantwortungsvoll mit dem Geld unserer Bürger um, und zwar zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger, und das immer mit Blick auf künftige Generationen. Dazu braucht es Ihren Antrag nicht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank. – Nächster Redner ist der Kollege Otto Fricke für die Fraktion der FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7361423 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 104 |
Tagesordnungspunkt | Schuldenbremse |