Alexander NeuDIE LINKE - NATO-Beitritt der Republik Nordmazedonien
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Präsident! Heute reden wir mal wieder über eine NATO-Osterweiterung. Diesmal geht es um die Republik Makedonia. Es geht um die räumliche Ausdehnung der NATO, es geht um die Sicherung von Einflusssphären der NATO, es geht um harte Machtpolitik. Das sind geopolitische Machtspielchen, wie sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schon einmal stattgefunden haben und bekanntermaßen zu zwei Katastrophen, den Weltkriegen, führten. Dass Deutschland als treibende Kraft dabei ist, macht uns schon fassungslos.
Statt, wie versprochen, die NATO nicht auszudehnen, statt das gemeinsame Haus Europa für gemeinsame Sicherheit und Frieden für alle Staaten Europas zu bauen, sehen wir eine Fortsetzung der Politik der geteilten Sicherheit, deren Ergebnis Aufrüstung und Säbelrasseln sind. Das ist verantwortungslose Außen- und Sicherheitspolitik, sehr geehrte Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN – Zuruf des Abg. Peter Beyer [CDU/CSU])
Es ist beobachtbar: Seitdem Russland die Weltbühne wieder betreten hat und eigene Interessen formuliert, prescht die NATO mit der Osterweiterung massiv voran. Militärisch ist die Aufnahme von Makedonien – wie die von Montenegro in der Vergangenheit – überhaupt kein Gewinn. Aber geostrategisch ist sie ein großer Zugewinn. Der südosteuropäische Raum wird nämlich unter die Kontrolle der NATO genommen. Offensichtlich akzeptiert die US-geführte NATO keine neutralen souveränen Staaten in Südosteuropa, sondern übt massiven Druck auf Staaten aus, die sich den euroatlantischen Strukturen nicht freiwillig unterordnen und sich nicht in diese einordnen wollen.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Was?)
Herr Neu, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Aggelidis?
Wenn es dem Erkenntnisgewinn dienlich ist, dann gerne.
(Tino Chrupalla [AfD]: Kann man ja vorher nicht wissen!)
Bitte sehr.
Genau, es hängt von Ihrer Antwort ab, ob das dem Erkenntnisgewinn dienlich ist oder nicht.
(Dr. Norbert Röttgen [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Trotzdem vielen Dank, Herr Dr. Neu, dass Sie die Frage zulassen. – Ich habe mich, gerade als jemand, dessen Wurzeln im griechischen Teil Mazedoniens bzw. in Nordgriechenland liegen, schon gefragt, wie jemand von einer Partei, die angeblich so sehr für Frieden ist, auf die Idee kommt, nachdem die beiden Staaten sich auf einen Namen geeinigt haben, der Frieden, Aussöhnung und Stabilität in diese Region bringen soll, hier im Deutschen Bundestag ganz bewusst eben nicht von der Republik Nordmazedonien zu sprechen, sondern den anderen Namen zu verwenden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Es würde mich schon interessieren, wieso Sie dieses Bemühen der beiden Länder um eine friedliche Koexistenz missachten und ein Stück weit ad absurdum führen und wie Sie die Anmaßung begründen, mit der Sie quasi die Entscheidungshoheit der beiden Länder oder des Landes Nordmazedonien darüber, wie das Land zu heißen hat, infrage stellen.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Peter Beyer [CDU/CSU]: SED-Nachfolge! – Stephan Brandner [AfD]: Die hetzen und spalten! Das ist doch typisch!)
Sehr geehrter Kollege, Ihnen dürfte bekannt sein, dass es ein Referendum zur Verfassungsänderung gab. Zwei Drittel der Bevölkerung des Landes haben das Referendum politisch aktiv boykottiert. Dennoch sind die Regierung Makedoniens und die Regierung Griechenlands zu diesem Abkommen gelangt, das heißt gegen den demokratischen Willen der Mehrheit der Bevölkerung.
(Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Jetzt gehen wir über ganz glattes Eis! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU, der SPD und der FDP)
Sehr geehrte Damen und Herren, zum Thema Makedonien. Griechenland hat den größten geografischen Teil Makedoniens in seinem Staatsgebiet. Es gibt einen Teil Makedoniens in Bulgarien, und es gibt einen Teil Makedoniens, der den Staat Makedonien heutzutage umfasst. Also, welches Problem haben Sie damit?
(Niels Annen [SPD]: Das Parlament hat entschieden! – Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD]: Ich bin fassungslos!)
Welches Problem haben Sie damit?
(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)
Wir haben hier jetzt aber keine Dialogveranstaltung, sondern fahren in der Debatte fort. Die Frage ist beantwortet.
Vielen Dank. Dann wollen wir fortsetzen. – Die Befürworter einer NATO-Erweiterung beten ja ständig das Mantra herunter, dass jeder souveräne Staat in Europa selbst über seine Bündnisfrage entscheiden müsse.
(Dr. Tobias Lindner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat Gorbatschow eingeführt!)
Das suggeriert, dass die NATO Staaten aufnehmen müsse. Diese Aussage ist bewusst irreführend und unterliegt auch einer Faktenreduktion; denn der Aufnahmewunsch eines Staates ist nicht gleichzusetzen mit der Aufnahmeverpflichtung der NATO. Erstens.
Zweitens. Kleine Staaten in Europa, vor allem in Osteuropa, entscheiden nur sehr begrenzt mit darüber, ob sie Mitglied der NATO werden wollen. Diese Entscheidung des Wollens obliegt Washington und Brüssel. Die entscheiden über die Schicksale der Staaten Osteuropas.
(Zuruf von der FDP: So ein Unsinn!)
Nun gibt es einige Fakten, die man benennen kann. Es gibt einige NATO-Propagandabüros in Moldawien, Makedonien und Montenegro, die die Bevölkerung in der Vergangenheit auf NATO-Zustimmung trimmen sollten. Es gab erheblichen Druck auf die politische Klasse bzw. auf Teile der politischen Klasse, wenn die NATO-Begeisterung nicht so groß war, wie es erwartet wurde, wie zum Beispiel in Makedonien, in der Ukraine – dort endete es mit einem Regime Change – oder in Moldawien.
(Stephan Brandner [AfD]: Das kennen wir in Deutschland von der Flüchtlingsbegeisterung!)
Das Referendum in Makedonien habe ich gerade angesprochen. Es wurde sehr großzügig uminterpretiert durch die prowestliche makedonische Regierung und unseren NATO-Generalsekretär. Im weiteren Verfahren – das war ganz interessant – im makedonischen Parlament kam eben keine Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung zustande. Daraufhin wurden die entsprechenden acht Abgeordneten vom US-Botschafter in Skopje eingeladen – nein, vorgeladen – und gemaßregelt, wie makedonische Zeitschriften berichteten, und es wurde entsprechend Druck ausgeübt, wonach sie zugestimmt haben.
(Peter Beyer [CDU/CSU]: Die Rolle des russischen Botschafters in Nordmazedonien ist auch sehr beleuchtenswert!)
Das Fazit, sehr geehrte Damen und Herren, ist doch, dass im geopolitischen Kampf
(Josip Juratovic [SPD]: Unter aller Sau!)
– wunderbar –, in der sich herausbildenden multipolaren Weltordnung die NATO offensichtlich skrupellos vorangeht, wenn es um ihre Erweiterung geht. Der Anspruch auf Souveränität oder die Respektierung demokratischer Entscheidungen von unwilligen Staaten oder der unwilligen Bevölkerung stören da nur und werden missachtet. Die nächsten Staaten im Visier der NATO sind Bosnien, die Republik Serbien und Moldawien. In der Gedankenwelt des Westens gibt es offensichtlich keine Alternativen zur NATO, wie auch im Gesetzentwurf auf Seite 2 festgehalten ist. Wir, Die Linke, sehen Alternativen. Wir sagen: Stabilität und Frieden durch gemeinsame Sicherheit von Lissabon bis Wladiwostok statt NATO-Expansion.
Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN – Jürgen Hardt [CDU/CSU]: Müder Beifall bei der Linken! – Manuel Sarrazin [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Linkspartei tritt auch bald der NATO bei, wenn es so weitergeht!)
Vielen Dank. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Jürgen Trittin für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7361454 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 104 |
Tagesordnungspunkt | NATO-Beitritt der Republik Nordmazedonien |