Susann RüthrichSPD - Änderung des Grundgesetzes - Kinderrechte
Kommen wir aus dem Kabarett wieder in den Bundestag zurück.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kinder sind unsere Zukunft – ja, aber nicht nur; sie sind ja schon da.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Genau!)
Genau genommen geht es nicht einmal um uns, sondern um sie, um die Kinder, und zwar um ihrer selbst willen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Es geht um das heutige Leben von allen Kindern in unserem Land, wenn wir fordern: Kinderrechte müssen endlich den Stellenwert bekommen, den die Kinder verdienen. Sie müssen auf Augenhöhe mit den anderen Grundrechten kommen. Wir haben gerade den 70. Geburtstag unseres Grundgesetzes gefeiert, und am 1. Juni hatten wir den Kindertag. Mit Kinderrechten im Grundgesetz wäre jeder Tag Kindertag; denn um das Wohlergehen der Kinder und ihre Entwicklung hat es uns allen an jedem Tag im Jahr zu gehen.
Da wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten mit Ihnen, liebe Grüne und Linke, einig sind, freue ich mich, dass wir heute diese Debatte führen. Noch mehr freue ich mich aber, dass wir uns auch in der Regierung einig sind. Deswegen hat die SPD mit der CDU/CSU im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen. In der Kinderkommission des Bundestages haben wir uns schon in der letzten Legislaturperiode unter meinem Vorsitz angeschaut, wie es um die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland bestellt ist. Da gibt es noch eine ganze Menge zu tun; denn es kommen nicht alle Kinder zu ihrem Recht, wie es eigentlich möglich und nötig wäre.
Kinder, deren Eltern wenig Geld haben, sind oft ausgeschlossen, haben schlechtere Chancen in der Schule, sind weniger gesund. Ja, Kinderarmut hat Folgen.
(Martin Reichardt [AfD]: Das kommt von Hartz IV, wenn ich mich richtig entsinne! Das habt ihr doch beschlossen!)
Ich persönlich setze mich daher schon lange für eine Kindergrundsicherung ein und will, dass kein Kind in Deutschland mehr arm ist. Wir schauen aber beispielsweise auch auf die Kinder mit Behinderungen. Welche Kämpfe müssen sie und ihre Eltern ausstehen, um endlich zu ihrem Recht zu kommen? Sie haben aber das Recht, gleichberechtigter Teil unserer Gesellschaft zu sein. Davon sind wir noch viel zu weit entfernt, trotz all der großen Schritte, die wir unzweifelhaft getan haben.
Kinder mit Migrationsbiografien – entweder bei sich selbst oder in ihren Familien – erleben weiterhin Diskriminierung. Das geht nicht. Flüchtlingskinder sind sogar an vielen Stellen viel zu lange abgeschottet und ausgeschlossen. Sie spielen im Asylverfahren de facto kaum eine Rolle. Auch das geht nicht. Solange Kinder, deren Geschlecht nicht eindeutig Junge oder Mädchen ist, wie es die Mehrheitsgesellschaft oft erwartet, sogenannte Interkinder, immer noch unnötigerweise geschlechtsangleichenden Operationen ausgesetzt sind,
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Wir haben einen Antrag dazu vorgelegt!)
müssen wir uns um die Kinderrechte und das Recht auf körperliche Unversehrtheit und freie Entwicklung der Identität der Kinder weiterhin sorgen; denn diese Kinder können sich nicht wehren.
Nur einmal nebenbei: Das Recht auf Spiel und frei gestaltete Zeit für Kinder ignorieren wir Erwachsenen umso lieber und sehr gern. Nachdem wir die Kinder mit unseren ökonomisch geprägten Leistungsanforderungen so richtig schön vollgestopft haben, behaupten wir hinterher immer noch, dass die Jugend von heute quasi kaum noch lesen und schreiben könne. Was für ein fürchterliches Bild zeichnen wir häufig von unseren Kindern und Jugendlichen?
(Zurufe von der AfD)
– Hören Sie doch einmal auf, immer dazwischenzuquatschen. Sie wollten hierher, also müssen Sie mir jetzt auch zuhören.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Als Mutter von drei kleinen Kindern und als jemand, die Bildungsarbeit in Schulen mit jungen Ehrenamtlichen gemacht hat, als ehemalige Vorsitzende eines Kinder- und Jugendverbandes kann ich nur sagen: Unsere Kinder sind großartig. Jeder junge Mensch ist wunderbar und in unserer Gesellschaft herzlichst willkommen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Da wir dies hier deutlich machen können, freue ich mich über die heutige Debatte. Nachdem Kinder- und Jugendverbände, Kinderärzteverbände und andere, auch zusammen mit vielen in den Parteien, lange Zeit für die Kinderrechte im Grundgesetz gekämpft haben, wird es in diesem Jahr hoffentlich endlich so weit sein,
(Martin Reichardt [AfD]: Im neunten Monat abtreiben ist in Ordnung, ja? Wo sind da die Kinderrechte?)
wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, sich hier einen Ruck geben und mit uns zusammen Ja sagen.
Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe arbeitet und wird uns hoffentlich in diesem Jahr einen Formulierungsvorschlag vorstellen. Über die Bundesländer werden auch Sie, liebe Grüne und Linke, die Möglichkeit haben, Ihre Formulierungsvorschläge einzubringen. Ich gehe davon aus, dass Sie das tun werden. Ich erwarte, dass wir dann hier im Parlament über einen umfassenden Vorschlag diskutieren und nicht über den kleinsten gemeinsamen Nenner, auf den sich die Mitglieder der Arbeitsgruppe irgendwie einigen konnten. Was wir nicht brauchen, ist, jetzt Formulierungen zu beschließen, wodurch wir mehrere parallele Verfahren hätten. Den Formulierungsvorschlag der Arbeitsgruppe können wir, wenn wir ihn endlich bekommen und kennen, mit unseren umfassenden Formulierungsvorschlägen und Vorstellungen abgleichen.
Es geht um Schutz, Förderung, Entwicklung und Beteiligung. Ohne Beteiligung ist das Wohl des Kindes überhaupt nicht zu ermitteln.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Genau!)
Ohne Beteiligung funktioniert auch Kinderschutz nicht. Ein Kind muss erfahren und erlebt haben, dass seine Meinung, seine Rede eine Wirkung hat, damit es sich im Ernstfall auch an Erwachsene wendet, wenn ihm etwas zugestoßen ist oder ihm etwas angetan wurde.
(Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE]: Richtig!)
Es geht auch nicht um irgendeine Förderung, um irgendeinen Schutz, sondern um den bestmöglichen. Das ist der Geist, den die Kinderrechtskonvention atmet. Es muss unser Anspruch und unser Versprechen sein, dass wir jedem Kind und jeder Familie die bestmöglichen Bedingungen schaffen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE] – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
Wir stärken mit den Kinderrechten die Eltern; denn sie sind die Sachwalter der Rechte ihres Kindes. Sie sollten nicht kämpfen müssen, um mit ihrem Kind zu ihrem Recht zu kommen. Geben Sie sich also einen Ruck. Lassen Sie uns die Kinderrechte ins Grundgesetz aufnehmen, unserem Grundgesetz die Kinderrechte schenken; denn die Kinderrechte stünden unserem Grundgesetz unheimlich gut.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat der Kollege Matthias Seestern-Pauly für die FDP-Fraktion.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7361478 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 104 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Grundgesetzes - Kinderrechte |