07.06.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 105 / Tagesordnungspunkt 23

Frank Müller-RosentrittFDP - Vermeintliche Hetzjagden in Chemnitz

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Sehr geehrter Herr Präsident Liebe Kolleginnen und Kollegen! Chemnitz ist mit 250 000 Einwohnern eine der prosperierendsten Städte und eine der führenden Forschungs- und Entwicklungsstandorte Deutschlands.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Seit 1995 sind in der Region über 7 000 neue Unternehmen entstanden. Zahlreiche Hidden Champions haben ihren Sitz in der Stadt am Fuße des Erzgebirges. Junge Start-ups, vor allem im Bereich des autonomen Fahrens, beschäftigen heute mehrere Tausend Mitarbeiter aus der ganzen Welt. Chemnitz ist Sitz einer hervorragenden Technischen Universität mit einem sehr hohen Anteil ausländischer Studierender. Chemnitz ist vielfältig, lebenswert und Heimat zahlreicher Künstler internationalen Formates wie zum Beispiel Jean Schmiedel. Chemnitz hat eine lebendige Zivilgesellschaft und ist weder grau noch braun.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Um all dies zu erhalten, brauchen wir Fachkräfte aus dem In- und Ausland. Wer den Wohlstand unserer Bürger erhalten und ausbauen möchte, muss alles dafür tun, dass Chemnitz eine der attraktivsten und lebenswertesten Städte in Deutschland wird.

Umso widerlicher finde ich es, wie die AfD das Ansehen der Stadt mit Aggressivität, gezielten Falschmeldungen und Aufruf zum Hass nachhaltig beschädigt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die selbsternannte Stimme des Volkes, von der übrigens bei der letzten Stadtratswahl 83 Prozent überhaupt gar nicht vertreten werden wollten, spaltet die Gesellschaft, wo immer es geht, und das ist sehr hässlich.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Durch Ihre Aktion sind Sie maßgeblich dafür verantwortlich, dass der Ruf meiner Stadt in den Dreck gezogen wird. Jeder Rassist ist Mist. Da ist es völlig egal, ob er von rechts oder von links kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Dass Chemnitz seit vergangenem August weltweit mehrfach Sinnbild für rechtsradikale Ausschreitungen war, ist maßgeblich die Folge Ihrer permanenten Aufhetzung.

(Beifall bei der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Die Kanzlerin ist schuld!)

Ja, auch mich hat die Tötung eines jungen Menschen betroffen. Doch Sie instrumentalisieren die Tötung. Die Debatte hier über die Hetzjagd ist für Sie doch nur eine willkommene Gelegenheit, das Thema zu instrumentalisieren. Auch ich würde den Begriff „Hetzjagd“ so nicht verwenden. Ja, und vielleicht haben Teile der Medien in der Berichterstattung etwas überzogen.

(Zuruf von der AfD: Etwas?)

Aber Übergriffe auf Migranten und auf das jüdische Restaurant „Schalom“ gab es sehr wohl.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Keiner weiß, wer das war!)

Doch die Begrifflichkeit ist völlig irrelevant; denn nicht der Kameramann, der die Bilder filmte, sorgte für das schlechte Image, sondern das, was vor der Linse passierte.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

Mitten unter den Demonstranten war Ihr Bundestagsabgeordneter Hansjörg Müller, der sich mitten in der rechten Menge vor laufender Kamera offen gegen unsere freiheitliche Demokratie geäußert hat. Schämen Sie sich! Das ist nicht die Partei, von der sich die Chemnitzer regieren lassen wollen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt genügend belegte Übergriffe am Rande von Demonstrationen, begleitet von Sprüchen wie „Haut ab, ihr Kanaken!“ oder „Für jeden toten Deutschen einen toten Ausländer!“

Herr Müller-Rosentritt, gestatten Sie eine Zwischenfrage von den Linken?

Ja, bitte.

Lieber Kollege, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben eben gesagt, es sei Ihnen egal, woher der Rassismus kommt, ob von rechts oder von links, und haben dabei auf uns gezeigt.

Also der Extremismus.

Nehmen Sie zur Kenntnis, dass es in unserer Fraktion keine Rassisten gibt?

(Lachen bei der AfD)

Würden Sie Ihre Aussage zurücknehmen? Ich finde, ein paar Spielregeln sollten wir einhalten. Wir können gemeinsam gegen rechts kämpfen, aber dass Sie auch die Linksfraktion als Rassisten bezeichnen, ist eine Frechheit. Könnten Sie sich dafür entschuldigen?

(Beifall bei der LINKEN)

Ich entschuldige mich dafür. Ich meinte den Begriff „Extremisten“;

(Sylvia Kotting-Uhl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben „Rassisten“ gesagt!)

denn ich habe mit eigenen Augen gesehen, als wir als Stadträte zusammenstanden, dass linke Extremisten ihre schwarzen Kappen heruntergezogen haben und von berittenen Polizisten quasi zurückgehalten werden mussten.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Wie in Hamburg!)

Es gibt Gewalt sowohl von links als auch von rechts.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Durch von lokalen AfD-Politikern verbreitete Falschmeldungen über angebliche Vergewaltigungen durch Asylbewerber am Morgen nach dem Vorfall wurde die Stimmung entscheidend aufgeheizt. Sie und Ihre demokratiefeindlichen Freunde haben dafür gesorgt, dass Chemnitz ein enormer Schaden entstanden ist. Meine Botschaft ist daher: Niemand sollte sich von rassistischen Scharfmachern in die Irre führen lassen. Chemnitz ist eine weltoffene und moderne Stadt, in der ich mit meiner Frau und meinen drei Töchtern gerne lebe. Wer mit dem Regierungshandeln unzufrieden ist, muss nicht Nationalismus, Rassismus und Abschottung wählen, sondern er kann sich auch, wie ich, aus Frust wegen Stillstand für Pluralismus, Fortschritt und Weltoffenheit entscheiden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vielen Dank. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Monika Lazar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7362283
Wahlperiode 19
Sitzung 105
Tagesordnungspunkt Vermeintliche Hetzjagden in Chemnitz
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