07.06.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 105 / Tagesordnungspunkt 23

Martin RabanusSPD - Vermeintliche Hetzjagden in Chemnitz

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Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Rasierte Köpfe, die Arme zum stilisierten oder gar ganz offenen Hitlergruß ausgestreckt, teilweise vermummt, leuchtende, qualmende Bengalos, hasserfüllte Gesichter, Aggression, Gewaltbereitschaft in Pose, in Gestik und in Mimik: Das sind keine Fantasien, sondern das sind Beschreibungen von dem, was wir an unterschiedlichen Stellen – fotografisch und in tatsächlich mehr als nur einem Video, das hier als umstritten bezeichnet wurde, festgehalten – haben sehen können. In dieser Situation kommt die AfD mit der Chemnitz-Lüge um die Ecke. Das ist jämmerlich. Sie sollten sich was schämen!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Um das gleich zu Beginn deutlich zu machen: Selbstverständlich ist es durch nichts zu entschuldigen und nicht hinnehmbar, dass ein Mord geschieht, dass ein Mensch stirbt.

(Udo Theodor Hemmelgarn [AfD]: Bei der Oberbürgermeisterin hat das lange gedauert! – Weiterer Zuruf der AfD: Hört! Hört!)

Auch in diesem Moment gehört unser Mitgefühl den Angehörigen des Opfers. Das rechtfertigt aber gar nichts und erst recht nicht, dass sich auf Straßen und Plätzen Menschen zusammenrotten

(Karsten Hilse [AfD]: Ganz genau: SED 89! Zusammenrotten!)

– ich sage das ganz bewusst – und anderen absprechen, Mensch zu sein. Das ist das, was im Kern passiert.

(Karsten Hilse [AfD]: Unfug, was Sie hier erzählen!)

Andersdenkende, Andersaussehende werden tatsächlich zu Niemanden erklärt, und das dürfen wir nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei der SPD – Karsten Hilse [AfD]: Daran sieht man, dass Sie die SED-Nachfolgerin werden wollen! Nationale Einheitsfront!)

Um klarzumachen, worüber wir hier eigentlich streiten: Die Aussage von Steffen Seibert, dem Sprecher der Regierung, die hier in der Kritik steht, lautete – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten –:

Was gestern in Chemnitz zu sehen war ... hat in unserem Rechtsstaat keinen Platz. Solche Zusammenrottungen, Hetzjagden auf Menschen anderen Aussehens und anderer Herkunft ... nehmen wir nicht hin.

Damit hat er recht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Abg. Thomas Ehrhorn [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Rabanus, gestatten Sie eine Zwischenfrage der AfD?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfragen. – Die AfD sieht in dieser Wortwahl einen Schaden für die Bundesrepublik Deutschland, für Sachsen und für die Bürger der Stadt Chemnitz. Ich sage Ihnen: Das, was Sie machen, schadet Deutschland und ist auch eine Schande für unser Deutschland.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Während Sie von der AfD die freien Medien als fremdgesteuerte Lügenpresse diffamieren, will ich für die SPD und sicherlich auch für die ganz große Mehrheit in diesem Haus klipp und klar sagen: Wir sind nicht gegen die freie Presse, sondern wir sind für die freie Presse, und wir sind für die Stärkung der Presse- und Medienfreiheit in unserem Land.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen wirklich aufpassen, dass sich nicht mehr und mehr ein Klima verbreitet, das die Arbeit der freien und unabhängigen Medien erschwert oder gar infrage stellt. Ich erinnere an die Fake-News-Hysterie.

Übrigens habe ich ein Beispiel für Fake News der AfD mitgebracht: Die AfD Kinzigtal hat nämlich ein Bild gepostet und darüber „Chemnitz im September 2018“ geschrieben. Dieses Bild ist aber tatsächlich bei der friedlichen Revolution in Leipzig 1989 entstanden.

(Der Redner hält ein Schaubild hoch)

Ich finde es besonders perfide, dass eine solche Instrumentalisierung stattfindet.

(Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber das wundert schon gar nicht mehr!)

Das darf nicht sein. Wir wollen die freien Medien, die Meinungsfreiheit und die Demokratie schützen und die Rahmenbedingungen dafür schaffen, dass man ungehindert berichten kann. Das ist auch vor dem Hintergrund von 30 Jahren Friedlicher Revolution ein wichtiges Signal.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wie gestern bereits meine Kollegin Katrin Budde in der Debatte zu unserem Antrag mit dem Titel „30 Jahre Friedliche Revolution“ ausgeführt hat: wir Demokratinnen und Demokraten dürfen den Ruf von 1989 „Wir sind das Volk“ bzw. „Wir sind ein Volk“ nicht den Populisten überlassen.

Die Demokratie lebt von Diskussionen,

(Karsten Hilse [AfD]: Sehr gut!)

von der Presse- und Meinungsfreiheit und von der Kontroverse, aber ganz sicher nicht von Gewalt und Populismus.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Herzlichen Dank. – Der Kollege Thomas Ehrhorn von der AfD erhält Gelegenheit zu einer Kurzintervention.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7362287
Wahlperiode 19
Sitzung 105
Tagesordnungspunkt Vermeintliche Hetzjagden in Chemnitz
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