Jörg CézanneDIE LINKE - Grundsteuerreform
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Gesetzespaket der Großen Koalition zur Grundsteuer vertieft die Steuerungerechtigkeit, wird viele Mieterinnen und Mieter zusätzlich belasten und belohnt die politische Sektiererei der CSU und des Landes Bayern. Offensichtlich konnte die CSU die Koalitionspartner bei der Grundsteuer weiter erpressen. Sie konnte eine Öffnungsklausel durchsetzen, durch die in Bayern bei der Grundsteuer anderes Recht gelten soll als im restlichen Bundesgebiet.
(Dr. h. c. [Univ Kyiv] Hans Michelbach [CDU/CSU]: Auch in anderen Ländern!)
Dies stellt die vom Grundgesetz geforderte Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse weiter infrage. Wir lehnen solche Kleinstaaterei ab.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Dabei erleben wir bei der Pkw-Maut gerade, in welches Desaster solche CSU-Extrawürste führen.
(Beifall bei der LINKEN)
Hier hatte sich die CSU mit ihrer Ausländermaut erst inhaltlich völlig verrannt, hat dann mit quasi erpresserischen Mitteln eine allgemeine Pkw-Maut gegen die Kanzlerin, gegen die Schwesterpartei, gegen den Koalitionspartner, gegen die Mehrheit der deutschen Bevölkerung durchgesetzt, und am Ende hat CSU-Minister Scheuer noch einen Schaden für den Bundeshaushalt von wahrscheinlich mehreren Hundert Millionen Euro verursacht. Wenn der Herr Finanzminister zu Recht fordert, man solle um seine Verantwortung wissen, dann müsste die CSU vielleicht mal was dazulernen.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Zusammenhang mit der Grundsteuer ist natürlich die vielleicht allerwichtigste Frage, wie Mieterinnen und Mieter als schwächste Teilnehmer am Immobilienmarkt entlastet oder zumindest vor weiteren Belastungen geschützt werden könnten. Bezahlbarer Wohnraum ist in den Großstädten zur zentralen sozialen Frage geworden. Zum Beispiel berichtet das Statistische Bundesamt, dass der Anteil am Einkommen, den Menschen für Wohnkosten aufwenden müssen, bei armutsgefährdeten Personen bei 48 Prozent liegt, bei armutsgefährdeten allein lebenden Personen sogar bei 57 Prozent. Die Schmerzgrenze ist hier seit Langem überschritten.
(Beifall bei der LINKEN)
Ein einfacher Weg, im Zusammenhang mit der Grundsteuer hier für Entlastung zu sorgen, wäre – das hat jetzt mit der Grundsteuer direkt nichts zu tun, steht aber damit im Zusammenhang –, die Überwälzung der Grundsteuer über die Nebenkostenabrechnung auf die Mieterinnen und Mieter endlich abzuschaffen.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Marco Buschmann [FDP]: Dann wird halt die Miete erhöht statt der Nebenkosten! So ein Blödsinn!)
Gegen diese Überwälzung der Grundsteuer spricht nicht nur die ohnehin hohe Belastung der Mieterinnen und Mieter. Wenn, wie im Modell des Bundesfinanzministers, die Miethöhe in die Berechnung der Grundsteuer einbezogen wird, dann zieht eine Mieterhöhung auch gleich noch eine Nebenkostenerhöhung wegen gestiegener Grundsteuer nach sich. Herr Innenminister – er ist dafür zuständig –, ändern Sie die Betriebskostenverordnung! Schaffen Sie die Umlagefähigkeit der Grundsteuer auf die Mieten ab!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Aber auch das bayerische Modell der Flächensteuer hat erhebliche Nachteile für Mieter: Zukünftig wird 1 Quadratmeter Wohnfläche in einer Luxusvilla am Starnberger See kaum mehr Grundsteuer kosten als die Sozialwohnung in München, weil eben nur die Fläche, aber nicht das darauf stehende Gebäude angerechnet werden soll. Die Gesamteinnahmen sollen am Ende im Land Bayern aber gleichbleiben. Sie können ja selber mal versuchen, nachzurechnen, wer höhere Grundsteuer zahlen wird. Selbstverständlich, mit Wahrscheinlichkeit, zahlen die Villenbesitzer weniger und die Sozialmieter mehr. CSU: Christlich-Soziale Ungerechtigkeit.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Für die Städte und Gemeinden – das ist ja jetzt schon deutlich geworden, und das haben wir auch immer betont – ist die Grundsteuer eine wesentliche Einnahmequelle. Sie ist von zentraler Bedeutung. Sie haben selbst Einfluss auf deren Höhe. Das ist halbwegs demokratisch kontrolliert über Wahlen, über Bürgerbeteiligung. Man ist vor Ort näher dran als der Deutsche Bundestag. Insofern ist es gut und richtig, dass es zu einer Einigung gekommen ist.
Der Verkehrs- oder Marktwert wäre nach unserer Meinung die gerechteste Bemessungsgrundlage für die Grundsteuer, gerade wenn die Vermieter die Grundsteuer selbst bezahlen müssen. Denn der Verkehrswert spiegelt Wert und Nutzung des Grundstücks und der darauf stehenden Gebäude umfassend wider. Bereits 2012 hatte die OECD Deutschland empfohlen, Immobilien stärker anhand dieses Verkehrswertes zu besteuern. Und sie hat recht.
(Beifall bei der LINKEN)
Insofern haben wir die Wertorientierung im Grundsteuermodell von Herrn Scholz immer unterstützt. Wir hätten sie gerne verstärkt, weil damit die Finanzämter endlich mal eine vernünftige öffentliche Erfassung der Immobilienvermögen im Land durchführen müssten. Vielleicht scheut Bayern ja auch deshalb jede Werterfassung bei der Grundsteuer, weil dort die Ungleichheit in der Verteilung der Immobilienvermögen wahrscheinlich noch schlimmer ist als im Rest der Republik.
Abschließend zur Grundsteuer C. Es gibt eine große Zahl von baureifen Grundstücken, die von den Eigentümern aber nicht bebaut werden. Das hat nicht nur, aber auch mit Spekulation auf steigende Grundstückspreise zu tun. Es erschwert aber auch die optimale Nutzung von Bauland und zwingt an manchen Stellen zu zusätzlichem Flächenverbrauch. Die im Gesetzespaket enthaltene Grundsteuer C bewirkt eine höhere Steuer für solche baureifen Grundstücke und ist richtig. Wir schlagen vor, den Steuermessbetrag für diese Grundstücke endlich anzuheben, um diese Wirkung zu verstärken.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich erteile das Wort dem Kollegen Stefan Schmidt, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7367070 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Grundsteuerreform |