27.06.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 107 / Tagesordnungspunkt 9

Thomas LutzeDIE LINKE - Gründungspolitik in Ostdeutschland

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja, es ist so: Es stehen drei Landtagswahlen in Ostdeutschland an, und die FDP entdeckt in der Tat ihr Herz für den Osten. Herzlich willkommen im Klub! Wir begrüßen außerordentlich, dass Sie sich auch darüber jetzt hier im Parlament Gedanken machen.

Die FDP konzentriert sich auf Unternehmensgründungen und auf Start-ups. Das Problem: Die Instrumente, die sie vorschlägt, sind alter Wein in neuen Schläuchen:

Bürokratieabbau in Sonderwirtschaftszonen und Unterstützung von Unternehmensgründungen in Ballungszentren, das klingt alles fast irgendwie modern, hat leider nur zahlreiche Risiken und Nebenwirkungen.

Zum attraktiv klingenden Begriff des Bürokratieabbaus: Es ist im FDP-Antrag vollkommen unklar, welche bürokratischen Hürden konkret wegfallen sollen. Es wird davon gesprochen, dass für neu zu gründende Unternehmen die Möglichkeit geschaffen wird, ein bürokratiefreies Jahr zu bekommen. Heißt das dann konkret, dass dieses Unternehmen keine Steuererklärung mehr machen muss, obwohl es möglicherweise Geld verdient hat?

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Am Ende des Jahres! Deshalb ein freies Jahr!)

Beim Bürokratieabbau hat die FDP einseitig die Unternehmen im Auge; das liegt vielleicht in der Natur der Sache. Was ist aber mit den Menschen, die zum Amt gehen müssen, um Unterstützung zu beantragen? Sie müssen nach wie vor immense bürokratische Hürden nehmen, um zum Beispiel überhaupt Grundsicherung zu bekommen. Zugespitzt gefragt: Wann bekommen eigentlich Hartz-IV-Beziehende ein bürokratiefreies Jahr, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall bei der LINKEN – Thomas L. Kemmerich [FDP]: Je mehr reiche Unternehmen wir haben, desto mehr Arbeitsplätze gibt es!)

Zum Thema „Unterstützung von Gründungen“: In Ostdeutschland haben sich die Zentren mit Universitäten sehr positiv entwickelt; aber in strukturschwachen Regionen und auf dem flachen Land sieht die Welt ganz anders aus. Natürlich ist es gut, wenn es erfolgreiche Gründungen gibt. Aber was an Universitätsstandorten passt, funktioniert in der Regel anderswo weniger. Und es ist auch keine Lösung für die Probleme zum Beispiel in den Braunkohleregionen, wie es die FDP suggeriert. Strukturmaßnahmen dort müssen zukünftig viel eher geplant werden, damit die Leute vor Ort eine sichere Zukunft haben, um auch von ihrer Arbeit ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Dazu brauchen wir Neuansiedlungen auch von Industrieunternehmen und vor allen Dingen eine staatlich geförderte Einkommenssicherung.

(Beifall bei der LINKEN – Thomas L. Kemmerich [FDP]: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?)

Zum Thema „Open Government und digitale Verwaltung“, also „vereinfachter Zugang zu Verwaltungsprozessen und Verwaltungsdaten“: Auch das hört sich gut an, setzt aber eben auch eine gute Internetanbindung bis zur letzten Milchkanne voraus.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Steht im Antrag!)

Im Osten wie auch in vielen Regionen in Westdeutschland zeigen sich in der Fläche immer noch große Lücken beim Breitbandausbau. Nach dem FDP-Konzept würden sich die Unternehmen dort ansiedeln, wo die Infrastruktur stimmt. Ergo, viele Regionen in den Flächen bleiben abgehängt.

(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Steht da nicht drin!)

Leider fordern Sie in Ihrem Antrag nur, dass sich die Genehmigungsverfahren für den Breitbandausbau verbessern. Notwendig ist aber eine großangelegte Investitionskampagne des Bundes, damit wir wenigstens europäisches Mittelmaß erreichen.

Nächster Punkt. Die Anforderungen bei öffentlichen Ausschreibungen zu reduzieren und vergabefremde Kriterien zu minimieren, auch das klingt nach Vereinfachung. Aber haben Sie das wirklich zu Ende gedacht? Aus unserer Sicht muss der sorgsame Umgang mit öffentlichen Geldern auf jeden Fall garantiert werden. Hier sind klare Regeln bei den Ausschreibungen erforderlich. Das garantiert übrigens auch Wettbewerbsgerechtigkeit. Die sollte ja gerade bei der FDP hoch im Kurs stehen.

(Beifall bei der LINKEN – Thomas L. Kemmerich [FDP]: Es geht um die vergabefremden Kriterien!)

Richtig wäre ein Vorschlag zur Förderung von Wagniskapitalfonds für Start-ups.

(Nicole Westig [FDP]: Morgen!)

Sie fordern lediglich eine regional und bedarfsorientierte Gründerförderung. Das ist uns zu wenig. Die Linke unterstützt die staatliche Förderung von Innovationsclustern und Innovationsökosystemen, wie sie auch Herr Altmaier in seiner Industriestrategie will.

Liebe Kolleginnen und Kollegen – letzter Satz; das Zeichen kommt –, wenn „Bürokratieabbau“ meint, dass Unternehmen pauschal weniger Steuern in die öffentlichen Kassen zahlen müssen, dann werden wir nicht mitmachen. Auch Start-up-Unternehmerinnen und ‑Unternehmer brauchen Kindergärten, Krankenhäuser und einen funktionsfähigen ÖPNV, und dieser muss bezahlt werden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Claudia Müller, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7367554
Wahlperiode 19
Sitzung 107
Tagesordnungspunkt Gründungspolitik in Ostdeutschland
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