Helge LindhSPD - Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Polat, nur Insider verstehen Ihren Hinweis auf den Sachverständigen Thym, der da lautete, er rücke Sie in die Nähe der populistischen AfD. Wenn Sie so etwas behaupten, ist es unklug, den irrlaufenden Gedanken von einzelnen Abgeordneten, das Nationale mit dem Sozialen zu verbinden, auf unsere heutige Gesetzgebung zu beziehen. Denn das ist nichts anderes als billiger Populismus, den Sie eben gerade vorgeführt haben.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Philipp Amthor [CDU/CSU]: So ist es! Sehr richtig!)
Sie belegen, was Sie inkriminieren: keine kluge Strategie. Insgesamt muss ich bei Ihren Ausführungen und auch bei den Ausführungen von Frau Jelpke leider sagen: Ich verstehe die Absicht, aber ich vermisse jeglichen Sinn in Ihren Ausführungen.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich finde es atemberaubend, mit welchen Girlanden und relativ abstrakten Verrenkungen Sie es geschafft haben, uns hier zu erklären, warum wir keinen Ausschluss der Einbürgerung bei Mehr- und Vielehe vornehmen sollten. Und ganz schnell, innerhalb von einer Sekunde, waren alle geschlechterrechtlichen Fragen vom Tisch gewischt.
(Burkhard Lischka [SPD]: Ja, genau!)
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kollegen, ich kann das nicht nachvollziehen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Ich finde es auch, ehrlich gesagt, merkwürdig, dass Sie heute uns, die wir diesen Gesetzentwurf unterstützen, vorwerfen, wir würden hinter die Modernität zurückfallen. Ich würde eher behaupten: Die Art, in der Sie diese Debatte skandalisieren, ist ein Rückfall in eine vormoderne Gesellschaft und tut so, als lebten wir nicht in einer modernen, selbstbewussten Migrationsgesellschaft.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf von der LINKEN)
Meine These lautet zugespitzt: Sie verwechseln mutwillig einen Verwaltungsakt, einen rechtsstaatlichen Akt wie zum Beispiel die Identitätsfeststellung mit der Frage der vielgestaltigen sozialen Identität von Menschen. Das eine hat aber nichts mit dem anderen zu tun. Sie aber begehen diesen Kategorienfehler bewusst. Wenn man das von so einem relativ hohen moralischen Ross aus macht, in der Überzeugung, die richtige Gesinnung zu haben, und in der Überzeugung, wir müssten ein schlechtes Gewissen haben, dann müssen Sie sich auch gewisse Kritik anhören.
Es wirft meines Erachtens in der Tat eine Frage auf, wenn man versucht, gegenüber Akten der Intoleranz – das ist für mich IS, das sind für mich terroristische Vereinigungen, das ist die Idee der Vielehe – allzu viel Toleranz zu entwickeln. Allzu viel Toleranz gegenüber der Intoleranz mündet im Ende der Toleranz.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Erstaunlicherweise klagen Sie uns im Tone der Toleranz an. Wenn aber die Prediger der Toleranz gegenüber den Andersdenkenden so intolerant sind, dann herrscht die Intoleranz, und Sie begehen ein kategorisches Eigentor.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Das ist doch Gelaber! – Dr. Konstantin von Notz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Amthor! – Weitere Zurufe von der LINKEN)
Wenn leider, wie wir heute erlebt haben, von rechts außen behauptet wird, es gäbe keinen Rechtsextremismus, dann ist das eine zutiefst erschütternde Karikatur unserer Gesellschaft. Wenn Sie aber umgekehrt behaupten und unterstellen, unsere Gerichte, unsere Ausländerbehörden und die Innenministerien würden alle von dem Muff von tausend Jahren durchdrungen sein, dann ist auch das eine zutiefst fragwürdige Karikatur unserer modernen rechtsstaatlichen Gesellschaft.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Jan Korte [DIE LINKE]: Was ist das für ein Gelaber hier?)
Sie machen genau das, wenn Sie in diesen Kategorien denken. Wenn Sie behaupten, wir würden als Mehrheitsgesellschaft die Minderheitsgesellschaft diskriminieren, dann machen Sie genau das: Sie reduzieren Menschen auf ihre Gruppenkategorien, und Sie zeichnen eine Karikatur von Menschen, und das ist absurd.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP – Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wird es aber langsam schwierig!)
Es wurde durch Rechtsprechung, Anwendungshinweise, die Gesetzeslage – § 9 – deutlich gemacht – Frau Högl hat es getan –,
(Dr. Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Berechtigte Kritik aus der Opposition kann hier nicht mit „rechtsradikal“ gleichgestellt werden!)
worauf der Begriff „Einordnung in die deutschen Lebensverhältnisse“ zielt. Aber wenn wir jetzt einfach mal allgemeinsprachlich nachdenken würden, –
(Zuruf des Abg. Jan Korte [DIE LINKE]
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
– stellten wir fest, dass dieses Land mit seinen heutigen deutschen Lebensverhältnissen
(Jan Korte [DIE LINKE]: Ein paar Stichworte könnten bei der Rede hilfreich sein!)
ein modernes, offenes, liberales Land ist. Und in einem offenen, modernen, liberalen Land ist es kein Problem, sich in diese Verhältnisse einordnen zu können.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Nein, es ist unsere Aufgabe, im Sinne –
Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.
– einer Leitkultur, die einen Namen hat – Grundgesetz –, genau dies zu verteidigen und zu vertreten. Nichts anderes macht dieses Gesetz.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Der nächste Redner: für die CDU/CSU-Fraktion der Kollege Philipp Amthor.
(Beifall bei der CDU/CSU – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viel ist vorgegeben! Jetzt mal nach! – Gegenruf des Abg. Burkhard Lischka [SPD]: Nur kein Neid!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7367588 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 107 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes |