28.06.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 108 / Tagesordnungspunkt 28

Christian Lange - Rehabilitierung von Opfern von SED-Unrecht

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Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir blicken in diesem Jahr auf das 30-jährige Jubiläum der Friedlichen Revolution in der DDR zurück. Dies ist nicht nur Anlass, der Friedlichen Revolution zu gedenken und die gelungene Wiedervereinigung zu loben, es ist auch Anlass, der Opfer des SED-Unrechtregimes zu gedenken. Sie haben unter diesem Regime gelitten. Sie haben aber auch dazu beigetragen, das geteilte Deutschland in Freiheit zu einen. Ihnen gebührt unser aller Anerkennung.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD, der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung setzt die Koalitionsvereinbarung um und enthält unter anderem Verbesserungen für ehemalige DDR-Heimkinder. Wir heben zunächst sämtliche Antragsfristen auf, die in den Rehabilitierungsgesetzen für Anträge auf Rehabilitierung und für die Geltendmachung von Leistungsansprüchen vorgesehen sind. Bei Erlass dieser Fristen war die Erwartung, dass die Rehabilitierung von Opfern politischer Verfolgung innerhalb eines bestimmten Zeitraums abgeschlossen und die juristische Aufarbeitung des SED-Systemunrechts beendet sein würde. Diese Erwartung hat sich nicht erfüllt. Es besteht vielmehr weiter Bedarf an der Möglichkeit zur Antragstellung. Zahlreiche Betroffene beschäftigen sich – möglicherweise aufgrund verfolgungsbedingter Traumatisierung oder Verdrängung der eigenen Geschichte – erst im Rentenalter mit einer möglichen Rehabilitierung. Betroffenen, die erst spät den Mut finden, sich mit ihrer Geschichte auseinanderzusetzen, soll nicht die Möglichkeit genommen werden, doch noch eine Rehabilitierung durchzusetzen.

Über die Entfristung der Rehabilitierungsgesetze hinaus werden mit dem Gesetzentwurf zudem Regelungen eingeführt, mit denen die rechtlichen Grundlagen für DDR-Heimkinder verbessert werden. Diese Regelungen sind: Zum einen wird die strafrechtliche Rehabilitierung von DDR-Heimkindern erleichtert. Zum Zweiten wird ein neuer zusätzlicher Anspruch auf Unterstützungsleistungen für eine bestimmte Gruppe von DDR-Heimkindern nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz eingeführt.

Wir haben mit den Regierungen der ostdeutschen Bundesländer sowie mit dem Land Berlin intensiv über Möglichkeiten beraten, die rechtlichen Grundlagen für DDR-Heimkinder zu verbessern. Es stellte sich heraus, dass es vorrangig spezifische Probleme der Sachverhaltsaufklärung sind, die eine strafrechtliche Rehabilitierung von DDR-Heimkindern erschweren. Personen, die als Kinder oder Jugendliche in einem Heim untergebracht wurden, können aus eigener Erfahrung kaum Anhaltspunkte für die gerichtliche Aufklärung ihres Verfolgungsschicksals liefern. Auskunftspersonen können sie kaum benennen, ehemals zuständige Stellen werden ihnen nicht bekannt sein. Zudem wird ihnen auch oft der Grund ihrer Unterbringung schon allein wegen ihres damaligen Alters nicht mitgeteilt worden sein. Die Zusammenhänge ihrer Heimeinweisung waren für sie also kaum oder gar nicht zu verstehen. Ohne ausreichende Erinnerung können sie aber auch nicht von der Möglichkeit Gebrauch machen, eine eidesstattliche Versicherung abzugeben und dadurch den Sachverhalt glaubhaft zu machen.

Der Gesetzentwurf schafft deshalb eine Regelung zur erleichterten gerichtlichen Sachverhaltsermittlung. Die Gerichte können künftig bereits dann die Zielrichtung einer Heimunterbringung als politische Verfolgung oder sonst zu sachfremden Zwecken für festgestellt erachten, wenn dies nach erfolgter Sachverhaltsaufklärung nur wahrscheinlich ist. Schwierigkeiten der Sachverhaltsaufklärung im Hinblick auf die Zielrichtung der Heimunterbringung sollen – anders als bisher – nicht stets zulasten der Betroffenen gehen. Da die Schwierigkeiten bei der Sachverhaltsaufklärung alle DDR-Heimkinder in gleichem Maße betreffen, soll die Regelung zur erleichterten Sachverhaltsermittlung zudem allen zugutekommen und nicht nur den DDR-Heimkindern, deren Eltern in Haft waren.

Der Gesetzentwurf belässt es aber nicht bei einer solchen Regelung der erleichterten Sachverhaltsermittlung. Er schafft vielmehr darüber hinaus zusätzlich einen neuen Anspruch auf Unterstützungsleistungen. Dieser neue Anspruch steht Betroffenen zu, die als Kinder oder Jugendliche zwar in ein DDR-Heim eingewiesen wurden, aber deren Einweisung nicht in rechtsstaatswidriger Weise erfolgte und die deshalb bislang nicht rehabilitiert werden. Dies betrifft zum Beispiel Kinder und Jugendliche, bei denen zwischen der Unterbringung und einer etwa gegen die Eltern gerichteten Verfolgungsmaßnahme nur ein ursächlicher zeitlicher Zusammenhang besteht, etwa weil sie während der Inhaftierung ihrer Eltern nicht bei Verwandten untergebracht werden konnten. Diese DDR-Heimkinder erhalten erstmals soziale Ausgleichsleistungen nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz. Dies gilt unabhängig davon, ob ihre strafrechtliche Rehabilitierung vor oder nach Inkrafttreten der neuen Regelungen abgelehnt wurde oder wird.

Meine Damen und Herren, es handelt sich um einen Gesetzentwurf, der viele Schicksale betrifft. Ich meine, wir haben Ihnen einen ausgewogenen Lösungsvorschlag zur Verbesserung der rechtlichen Grundlagen für DDR-Heimkinder unterbreitet. Ich bitte deshalb um Unterstützung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Als nächster Redner hat der Kollege Roman Reusch, AfD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7368135
Wahlperiode 19
Sitzung 108
Tagesordnungspunkt Rehabilitierung von Opfern von SED-Unrecht
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