Bernd WestphalSPD - Wirtschaft und Energie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aktuell wird so intensiv wie lange nicht mehr über Gesellschaft, über grundlegende Fragen der Wirtschaftspolitik, über Klimaschutz und Mobilität im 21. Jahrhundert, aber auch über die Fragen diskutiert, wie und von was wir zukünftig leben wollen, welche gestaltende Rolle die Politik hat und welche Rahmenbedingungen sie für die Wirtschaft setzt. Wir müssen reflektieren, was in unserem Land gut und was nicht so gut läuft, und wir müssen eine Antwort darauf finden, wie wir die epochalen Umbrüche unserer Zeit begleiten und gestalten wollen.
Nach einem über zehn Jahre andauernden Aufschwung geht es jetzt um eine Wirtschaftspolitik, die zur Stärkung des Standortes beitragen muss. Wir brauchen wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen durch ein langfristig und nachhaltig wirkendes Gesamtkonzept. Vor allem brauchen wir einen klaren Kurs; das erwarten Wirtschaft und Gesellschaft zu Recht.
(Beifall des Abg. Andreas Rimkus [SPD])
Unsere Beschäftigung liegt auf Rekordniveau. Die realen Einkommen steigen, und die Wirtschaft wächst trotz jüngster Eintrübung. Vor diesem Hintergrund erscheint es paradox, dass das Armutsrisiko trotzdem gestiegen ist und dass Arbeit nicht automatisch vor Armut schützt, vor allem wenn man weiblich und alleinerziehend ist. 9 Millionen Menschen arbeiten im Niedriglohnsektor. Gleichzeitig stehen immer weniger bezahlbare Wohnungen zur Verfügung.
Wohlstand für alle – dieses Versprechen der sozialen Marktwirtschaft gilt leider nicht mehr uneingeschränkt. Daher müssen wir – daran sollte auch der Bundeswirtschaftsminister ein großes Interesse haben – dafür sorgen, dass die Tarifbindung wächst. Nach Tarif bezahlte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer: Das gibt Sicherheit, sichert den Lebensunterhalt, sichert die Renten, schafft sozialen Zusammenhalt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD)
Mit dem Haushalt 2020 erhöhen und verstetigen wir die öffentlichen Investitionen. Damit schaffen wir die Grundlage für zukünftiges Wachstum und für Wohlstand.
Ich finde allerdings, dass es an der Zeit ist, ein neues Bündnis für eine nachhaltige Wirtschaft zu schmieden. Es ist an der Zeit, das Industrieland Deutschland zu stärken, die Rahmenbedingungen für den Mittelstand, das Handwerk und für die Start-up-Szene neu zu justieren. Es ist an der Zeit, der Wirtschaft klare Rahmenbedingungen auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 an die Hand zu geben. Wir brauchen eine Innovations- und Investitionsoffensive statt einer Politik, die nur Ausstiegsszenarien entwirft und Verbote ausspricht. Wir brauchen Angebote für klimaschonende und nachhaltige Investitionen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Industrie- und Mittelstandspolitik ist dabei von hoher Relevanz. Deutschland ist Industriestandort und soll es auch bleiben.
(Zuruf von der AfD: Ach!)
Industrie und Mittelstand stehen für die Innovationen, die wir für den Erhalt der Wertschöpfungsketten hier in Deutschland dringend benötigen. Der Markt allein wird die notwendigen Investitionen und Innovationen nicht zeitnah realisieren können. Deshalb ist staatliche Unterstützung notwendig, und zwar bei Forschung und Entwicklung, ja, auch bei Batteriezellenproduktion. Aber, Herr Altmaier, wir brauchen die Unterstützung auch für die Wasserstoffwirtschaft.
(Beifall bei der SPD)
Damit verbunden ist eine Technologieoffensive für Elektroingenieure, für den Leitungs- und Rohrbau, für handwerkliche Betriebe und andere, mit einer leistungsfähigen, digitalisierten Infrastruktur, mit Investitionen in Aus- und Weiterbildung, mit einer funktionierenden Fachkräftezuwanderung, aber auch mit der Abschaffung von Hemmnissen für den internationalen Handel.
Wir brauchen einen neuen wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Konsens. Dass das gelingen kann, hat die sogenannte Kohlekommission gezeigt. Viele Zielkonflikte wurden dort gelöst und haben zu Kompromissen geführt.
Was allerdings nicht geht, ist, dass wir bei den wichtigen Projekten wie der Energiewende auf halbem Wege stehen bleiben. Klimapolitik ist immer eng verbunden mit dem Thema Energie. Die Energiewende eröffnet daher ein Feuerwerk an Chancen. Um sie zu nutzen, brauchen wir eine strategiefähige Politik. Der globale Energieverbrauch wird weiter steigen. Das heißt für uns, eine Strategie zu entwickeln, die die Erderwärmung unter 2 Grad hält und den Wohlstand für alle mit der ökologischen Tragfähigkeit unseres Planeten in Einklang bringt.
(Beifall bei der SPD)
Dafür müssen wir, die Industriestaaten, bis 2050 klimaneutral werden. Ein radikaler Umbau der Industriegesellschaft ist dafür notwendig. Das wird mit einem massiven Ausbau der erneuerbaren Energien, effizienten Technologien und klaren Strategien gelingen.
Strategiefähigkeit zeigt sich aber auch in der Umsetzung von Politik. Bei den Themen „Ziele ernst nehmen“ und „beschließen, welche Maßnahmen notwendig sind“ gibt es sicherlich einige Dinge, bei denen wir besser werden müssen.
Wind- und Sonnenenergie werden langfristig die Säulen unserer Energieversorgung bilden. Da der Ausbau der Windenergie wegen fehlender Akzeptanz fast zum Erliegen gekommen ist, brauchen wir jetzt dringend Taten in Ländern und Bund, um eine Zukunftsbranche wie die Windenergie und wichtige zukunftsfähige Arbeitsplätze zu erhalten. Wir brauchen also mehr Dynamik und Verlässlichkeit, einen klaren Kurs und Überzeugungskraft, damit wir hier für mehr Akzeptanz sorgen.
Die schon heute sichtbaren Schäden in der Natur, in den Wäldern, in der Landwirtschaft, das Niedrigwasser in den Flüssen werden Konsequenzen für die Wirtschaft haben. Wenn wir nichts machen, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird es richtig teuer. Deshalb ist es jetzt notwendig, Maßnahmen für Investitionen zu ergreifen und für Akzeptanz zu sorgen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen einen neuen Blick auf die Wirtschaftspolitik, der Nachhaltigkeit und Lebensqualität ins Zentrum rückt, der Wettbewerbsfähigkeit stärkt, der soziale Fortschritte wie mehr Zeitsouveränität und veränderte Erwerbsbiografien abbildet. Unser Anspruch als Sozialdemokraten ist, dass die Digitalisierungsdividende auch bei den Beschäftigten ankommt. Uns geht es um ein inklusives und nachhaltiges Wachstum, das unsere Lebensgrundlagen erhält, von dem die ganze Bevölkerung profitiert.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Herr Westphal, Sie können selbstverständlich weitersprechen, tun das aber auf Kosten Ihrer Kollegen.
Nein, Frau Präsidentin, ich bin am Ende meiner Rede. – Albert Einstein hat mal gesagt: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Deshalb werden wir als Sozialdemokraten neue Impulse für die Wirtschaftspolitik setzen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Karsten Klein das Wort.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7387923 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 110 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaft und Energie |