Katrin BuddeSPD - Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unbestritten: Der Kulturetat wächst, und es ist auf den ersten Blick auch ein wirklich solider Entwurf – mit Aufwuchs eben. Das ist gut so. Geht man dann ins Detail, werden wir ihn wahrscheinlich unterschiedlich beurteilen.
Neben vielen guten Verstetigungen – Sie haben sie selber aufgeführt –, neben der Umsetzung von Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag wie dem Förderprogramm „Jugend erinnert“, neben der vereinbarten Ausweitung von Geldern in West und Ost, der gesamten Republik, einem Aufwuchs von 20 Millionen Euro, den Verbesserungen für die Deutsche Welle und dem „Zukunftsprogramm Kino“ fällt aber eben auch etwas anderes ins Auge, und das halte ich für sehr problematisch.
Ich will daran erinnern, dass am Montag dieser Woche vor 30 Jahren die Menschen in Leipzig zum ersten Mal aus der Kirche heraus und auf die Straße gegangen sind. Es hat dann vier Wochen gedauert, bis die friedliche Revolution am 9. Oktober im Grunde überall in der DDR Fahrt aufgenommen hat. Ich muss sagen, es ist sehr unverständlich für mich, dass ich in dem Haushaltsentwurf lesen muss, dass die Mittel für die Bundesstiftung Aufarbeitung, eine Bundesstiftung, um 1 Million Euro gekürzt werden sollen. Wir hatten in den letzten Haushaltsberatungen etwas anderes vereinbart. Wir hatten vereinbart, zumindest für die beiden Jubiläumsjahre jeweils 1 Million Euro draufzulegen und darüber zu reden, wie die Bundesstiftung fortentwickelt werden kann. Nun fehlt das Geld hier im Etat.
(Otto Fricke [FDP]: Das wollte doch Ihr Finanzminister nicht!)
Ob ich da an ein Versehen glaube, weiß ich nicht. Auf jeden Fall gehört das verändert. Ich finde, das ist echt eine Sauerei – um das deutlich zu sagen.
(Otto Fricke [FDP]: Das war doch Ihr Finanzminister!)
– Erst einmal ist das ein Haushalt der BKM, und wie das in der Regierung abgeklärt worden ist, ist etwas anderes.
(Otto Fricke [FDP]: Ja, da sollten Sie dafür sorgen, dass das abgeklärt wird!)
Schöne Worte sind jedenfalls nicht ausreichend. Vielmehr ist es wichtig, dass auch entsprechende Mittel im Haushalt vorgesehen sind.
Der Bereich Kultur und Medien hat ja zu Recht seinen Platz in der Generaldebatte; denn man muss sagen: Kunst und Kultur, das Wissen, woher wir kommen, wo wir heute sind, wie wir unsere Umgebung gestalten, die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, mit der Gegenwart und mit der Zukunft und auch das Lernen daraus, das Verständnis und die Vielfalt der Menschen finden in unseren Regionen statt und prägen Menschen und Gesellschaft. Kunst und Kultur sind wesentliche Lebenselixiere für uns Menschen und die gesamte Gesellschaft.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Hartmut Ebbing [FDP])
Wenn wir uns dessen bewusst sind, folgt daraus eigentlich die nächste Frage: Für wen machen wir denn Kunst und Kultur? Für die Menschen, die in den Zentren leben, für die Touristen, die herkommen, weil sie von den kulturellen Zentren angezogen werden? Ja klar, das ist cool, das ist toll. Es braucht diese Leuchttürme der Kultur und eine Vielfalt der Stadtkultur – aber eben nicht nur. Vielmehr braucht es jetzt und in der Zukunft eben auch in der Kultur ein Selbstverständnis wie im Sport, bei dem wir selbstverständlich sagen, dass es den Spitzen- und den Breitensport geben muss. Wir brauchen Kunst und Kultur auch in der Fläche.
(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Ich will die Frage ganz offen stellen, die ja unter der Hand von vielen diskutiert wird: Brauchen wir ein zusätzliches neues Museum der Moderne? Es wäre cool, es wäre toll, wenn wir es hätten. Aber wenn das zulasten von allen anderen Projekten geht, dann möchte ich die Regierung wirklich bitten, zu überlegen, ob man da nicht Begrenzungen der Ausgaben einführt,
(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU] und Hartmut Ebbing [FDP])
und dann darüber nachzudenken, wie das in die Fläche gegeben werden kann; denn wir sind ein Land, das seit Jahrhunderten und Jahrtausenden Kunst und Kultur, große und bedeutsame nationale Orte und Bewegungen in der Fläche pflegt. Das Geld dafür reicht schon lange nicht mehr.
(Beifall der Abg. Gitta Connemann [CDU/CSU])
Kulturpolitik ist Länderpolitik. Ja, aber das gilt eigentlich schon lange nicht mehr. Wir haben kulturelle Schätze en gros. Es sind ganz viele; das ist das Tolle. Aber unfreundlich formuliert: Es wächst den Regionen, den Dörfern, den Städten, den Kommunen und den Ländern über den Kopf. Das heißt, wir müssen das in der Bundeskulturpolitik mit abbilden.
Wir haben schon viel getan. Ich nenne als Beispiele den Fonds für Soziokultur, den Deutschen Literaturfonds und den Deutschen Übersetzerfonds. Sie sind gut, gehören aber weiter gestärkt; denn sie arbeiten in der Fläche. Auch TRAFO ist ein tolles Modell, um kulturelle Bewegungen aufzunehmen, Regionen zu verändern, die Menschen mitzunehmen und ihnen nichts überzustülpen, aber eigentlich brauchen wir dafür auch mehr Geld. Es gibt mehr Anträge, als wir überhaupt bewilligen können.
Es gibt also ganz viel, was wir unterstützen können, um die Kultur zu stärken und die Gesellschaft zu entwickeln. Ich finde, es ist auch eine Gerechtigkeitsfrage, dass der Zugang zu Kunst und Kultur immer vorhanden ist. Deshalb: Lassen Sie uns diese Gerechtigkeitsfrage im Haushalt der BKM stärken. Das würde der Staatsministerin gefallen und uns auch, glaube ich.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Vielen Dank, Frau Kollegin Budde. – Als Nächstes spricht zu uns die Kollegin Patricia Lips, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU – Johannes Kahrs [SPD]: Großartige Kollegin! – Sonja Amalie Steffen [SPD]: Jetzt muss aber was kommen!)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7388012 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 111 |
Tagesordnungspunkt | Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt |