Helin Evrim SommerDIE LINKE - Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Die Sektkorken brauchen nicht zu knallen, obwohl wir ein 25-jähriges Jubiläum feiern können. Im September 1994 fand in Kairo die erste Weltbevölkerungskonferenz statt. Aber die Ziele, die man sich damals gesetzt hatte, wurden bislang leider verfehlt.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste! Das Bevölkerungswachstum hat sich dramatisch verstärkt. Jedes Jahr kommt einmal Deutschland dazu, das heißt jährlich 80 Millionen Menschen zusätzlich, die vor allen Dingen in den niedrig entwickelten Ländern unter erbärmlichsten Bedingungen auf die Welt kommen. Man kann sich natürlich an dieser Stelle fragen: Was hat das eigentlich mit Deutschland zu tun? Eine Menge, kann ich Ihnen sagen.
Lieber Entwicklungsminister Müller, Ihr Etat umfasst gut 10 Milliarden Euro. Aber Ihre Ausgaben für das dringlichste Problem der wenig entwickelten Länder sind beschämend: Nur ein winziger Bruchteil von diesen 10 Milliarden Euro fließt in die Familienplanung – mit unglaublichen Folgen. Südlich der Sahara kann jede vierte Frau nicht verhüten, obwohl sie es will. Weltweit führt das jährlich zu 74 Millionen ungewollten Schwangerschaften. Wir müssen junge Frauen unterstützen, damit sie eine selbstbestimmte Entscheidung über ihre Sexualität, Gesundheit und Verhütung treffen können.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist ihr eigenes reproduktives Recht, und das ist auch im gesamtwirtschaftlichen Interesse. Familienplanung und berufliche Bildung müssen miteinander vereinbar sein. Nur Frauen, die selbst über ihre Sexualität entscheiden können, sind auch in der Lage, selbst Geld zu verdienen und langfristig zur Volkswirtschaft beizutragen. Nur so können wir ein wichtiges Ziel der globalen Nachhaltigkeitsagenda erreichen.
Da wir jetzt schon mal bei Zahlen sind: Wir müssen mindestens 0,2 Prozent unseres Bruttonationaleinkommens für die wenig entwickelten Länder aufwenden.
(Beifall bei der LINKEN)
Bislang geben wir nur die Hälfte aus. Dabei bleibt dann die Unterstützung armer Länder beim Aufbau des Gesundheits- und Bildungssystems auf der Strecke. An der UN-Messlatte – das wurde hier schon erwähnt –, 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung für Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen, scheitern wir weiterhin, und das seit mehr als 40 Jahren.
Hören Sie endlich auf, sich um das Thema „reproduktive Rechte der Frauen“ zu drücken. Es steht sowieso bei jeder Diskussion über Entwicklungszusammenarbeit im Raum wie ein unsichtbarer Elefant. Wer meint, Afrika helfen zu wollen, ohne über Familienplanung zu sprechen, der ist kein Freund Afrikas, der ist mindestens ein Feind der afrikanischen Mädchen und Frauen, die auf ein anderes Leben hoffen. Stocken wir die Gelder für die reproduktiven Rechte auf, und nehmen wir die Frauenrechte ernst, und vielleicht gibt es dann zum 50-jährigen Jubiläum der Kairoer Weltbevölkerungskonferenz etwas zu feiern.
In diesem Sinne vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)
Das Wort hat die Kollegin Anja Hajduk für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7388064 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 111 |
Tagesordnungspunkt | Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung |