Burkhard LischkaSPD - Inneres, Bau und Heimat
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Curio, eigentlich wollte ich auf Ihre Rede nicht eingehen,
(Lachen bei der AfD)
aber weil das heute meine letzte Rede ist, seien mir doch noch zwei Bemerkungen gestattet:
Erste Bemerkung. Ich habe mich bei Ihrer Rede wirklich ernsthaft gefragt, ob das nicht exakt dieselbe Rede wie vor einem Jahr gewesen ist.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich mich auch gefragt!)
Die Platte hat inzwischen aber einen Sprung, Herr Curio.
(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ziemlich ähnlich!)
Zweite Bemerkung. Frau Weidel, Ihre Fraktionsvorsitzende, hat hier gestern an der gleichen Stelle gesagt, wir seien mittendrin in der Krise. Wenn ich Sie hier reden höre, muss ich sagen: Sie hat recht. Die Mutter aller Krisen sitzt hier rechts von mir.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Jürgen Braun [AfD]: Sie haben offenbar nur das AfD-Problem! Sonst geht es Ihnen gut! – Gegenruf der Abg. Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Sie haben ein Problem! Mit ihren ganzen Rechten! Kalbitz und Konsorten!)
Jetzt kommen wir mal ganz einfach wieder zur Innenpolitik. Was macht eigentlich eine gute Innenpolitik aus? Eine gute Innenpolitik setzt auf einen starken Staat, auf einen Staat, der präsent ist, der Regeln durchsetzt, der konsequent auftritt und der seine Bürgerinnen und Bürger schützt. Wenn ich mal ganz ehrlich bin: Hätte ich das – starker Staat – vor acht, neun oder zehn Jahren hier an gleicher Stelle bei einer Haushaltsdebatte gesagt, dann hätten hier manche mit den Augen gerollt, und Einzelne hätten gesagt: Was? Starker Staat? Brauchen wir nicht. – Das war die Zeit, als gerade auch im Sicherheitsbereich viele Dinge privatisiert wurden, weil der Markt das ja alles besser machen kann. Das waren die Marktgläubigen. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums gab es immer welche, die sagten: Nein, starke Polizeibehörden sind generell verdächtig. – Sie haben immer wieder versucht, hier den Eindruck zu erwecken, als ginge es vor allen Dingen darum, die Bürgerinnen und Bürger ständig vor der Polizei und nicht vor Verbrechern zu schützen.
Die Folgen dieser Politikansätze haben unsere Polizeibehörden vor vielen Jahren wirklich zu spüren bekommen. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass wir, als ich 2009 als neuer Bundestagsabgeordneter in den Bundestag gekommen bin, Haushaltsdebatten hatten, in denen es verantwortliche Innenminister hingenommen haben, wenn Polizisten in Großeinsätzen ihre durchgeschwitzten Schutzwesten tauschen bzw. weitergeben mussten, weil nicht genügend da waren. Es gab Einsatzfahrzeuge, die 25 Jahre und mehr auf dem Buckel hatten, und in manchen Polizeirevieren standen noch Commodore-Computer der ersten Generation. Ich muss sagen: Das waren wirklich Zeiten zum Fremdschämen.
Wenn ich mir den heutigen Haushaltsentwurf – und die der letzten zwei, drei Jahre – anschaue, dann muss ich wirklich sagen: Gut, dass diese Tage der Vergangenheit angehören. Die Innenpolitik ist bei den Koalitionsfraktionen, bei SPD, CDU und CSU, in den letzten Jahren in guten Händen gewesen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Wir haben Tausende neue Stellen bei der Polizei, beim Bundeskriminalamt und beim Verfassungsschutz geschaffen und Milliardeninvestitionen in die Sicherheits- und IT-Technik, in Schutzausstattungen und in Einsatzfahrzeuge vorgenommen. Man kann von dieser Großen Koalition wirklich halten, was man will, aber ich glaube, das, was wir gerade im Bereich der inneren Sicherheit auf den Weg gebracht haben, kann sich wirklich sehen lassen.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das glaube ich auch!)
Das ist durchaus erfolgreich gewesen.
Ich will mal ein prominentes Beispiel herausgreifen: Vor vier Jahren haben wir uns auch hier in der Haushaltsdebatte die Köpfe über ein Problem heißgeredet, von dem sehr viele Menschen betroffen waren. Es gab vor vier Jahren nämlich 167 000 Wohnungseinbrüche. Dann kamen die neuen Stellen bei der Polizei, dann gab es spezielle Ermittlungsgruppen, dann gab es eine moderne IT-Technik, dann gab es eine bessere europäische Zusammenarbeit, dann gab es millionenschwere Förderprogramme für den Einbruchschutz.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Warum denn so spät? Warum nicht eher?)
Die Folge ist: Im vergangenen Jahr gab es statt 167 000 Wohnungseinbrüchen 97 000. Das war die niedrigste Zahl seit 1997, also seit über 20 Jahren. Insofern: Das, was wir in den letzten Jahren angepackt haben, wirkt.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das macht uns als Koalitionsfraktionen nicht selbstzufrieden – wir lehnen uns da auch nicht zurück –, das sollte eben ein Ansporn für uns sein, auf diesem Weg konsequent weiterzumachen; denn es gibt tatsächlich ein großes Problem, das es zu beackern gilt: Auf der einen Seite – Herr Minister Seehofer hat darauf hingewiesen – haben wir zwar die niedrigste Kriminalitätsbelastung seit 1992, also so wenige Straftaten wie schon seit fast 30 Jahren nicht mehr, auf der anderen Seite fühlen sich aber über 21 Prozent unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger in ihrer Stadt und in ihrem Wohnumfeld nicht sicher, und sie machen sich Sorgen um die innere Sicherheit in unserem Land.
Wie passt das zusammen? Darauf gibt es sicherlich viele Antworten. Aber ich glaube, einzelne Antworten sind vielleicht auch gar nicht so schwierig. Natürlich haben in den letzten Jahren beispielsweise die Menschen mitgekriegt, dass es da einen IS-Kämpfer gab, Anis Amri. Der war auf dem Radar unserer Sicherheits- und Polizeibehörden, der war als Gefährder eingestuft. Und dann verschwand er vom Radar und hat vor knapp drei Jahren diesen schrecklichen Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt hier in Berlin begangen.
Natürlich kennen viele Mitbürgerinnen und Mitbürger gerade in den Großstädten mindestens einen Platz, eine Straße, wo man in den Abendstunden besser nicht hingehen sollte. Das wissen auch alle in diesen Städten.
Es gibt Wirtschaftskriminelle, ja, da hat man das Gefühl: Wenn die erwischt werden, die kümmern sich nicht groß drum; die bezahlen die Geldbußen, die Ordnungsgelder aus der Portokasse. Es ist übrigens gut, wenn das durch die Bundesjustizministerin geändert wird.
(Beifall bei der SPD)
Das sind die Baustellen, an denen wir arbeiten müssen. Ich bin mir sicher: Erst wenn die übergroße Mehrheit in unserem Land wieder das absolute Vertrauen in unseren Rechtsstaat hat, dass dieser Staat seine Regeln, die ja unsere Regeln sind, gegenüber allen durchsetzen kann, dann wird auch dieses Misstrauen in die innere Sicherheit schwinden, dass nämlich dieser Staat gegen Steuerkriminelle genauso vorgeht wie gegen den arabischen Familienclan, gegen den Neonazi, der andere Menschen im Internet mit dem Tod bedroht, genauso wie gegen den marokkanischen Drogendealer. Es darf eben keine rechtsfreien Räume geben,
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Sie regieren doch!)
weder im Internet noch an der Börse, nicht am Hauptbahnhof und auch nicht in Wirtschaftsunternehmen.
Ich finde, da haben wir uns als Regierungsfraktionen in den letzten Jahren wirklich auf einen guten Weg gemacht, während andere bis heute – die Rede von Herrn Curio eben war das beste Beispiel dafür – nur Ängste schüren, aber keine konkreten Vorschläge machen, um einfach ihr politisches Süppchen weiterzukochen. Wir haben in den letzten Jahren einfach unsere Arbeit gemacht.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sehen die Bürger anders! Ihr habt so gut wie nichts gemacht!)
Ich fand bei dieser Regierungskoalition vor allen Dingen gut, dass wir da, wo es Fehler gab, diese offen benannt haben. Wir haben uns aber Stück für Stück daran gemacht, diese Dinge wieder zu beheben und zu verbessern.
(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Das sehen die Bürger anders!)
Da das, wie gesagt, meine letzte Rede heute im Deutschen Bundestag ist, möchte ich mich recht herzlich bedanken, natürlich zunächst einmal bei allen Innenpolitikern, unabhängig davon, ob sie nun einer Regierungsfraktion oder einer Oppositionsfraktion angehören. Ich habe es weitestgehend so wahrgenommen, dass wir uns immer bemüht haben, sachlich um den besten Weg zu ringen –
(Jürgen Braun [AfD]: Sind Sie jetzt SPD-Vorsitzender?)
im Sinne der inneren Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger. Man sehe es mir nach, dass mein besonderer Dank natürlich an die Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen geht.
(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Das sehe ich nach!)
Wir haben in den letzten Jahren, glaube ich, sehr viel getan. Ich kann mich erinnern: Vor allen Dingen in der letzten Legislaturperiode – Armin Schuster nickt schon – haben wir fast im Wochentakt Sicherheits- und Asylpakete geschnürt. Es war mir persönlich jedenfalls eine Freude, mit euch zusammenzuarbeiten.
Wenn ich noch einen kleinen Ratschlag geben kann, auch nach manchen Sommerdebatten, die wir hatten – daran sollte man vielleicht immer wieder denken –: Weniger lamentieren, sondern ganz einfach seine Arbeit machen. Denn wie heißt es so schön: Hinten kackt die Ente.
(Heiterkeit)
In diesem Sinne euch alles Gute!
Danke.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege Lischka, da Sie gesagt haben, dies sei Ihre vermutlich letzte Rede in diesem Bundestag – das weiß man nie so ganz genau –, möchte ich die Gelegenheit nutzen, Ihnen für Ihre zehnjährige Arbeit in diesem Hohen Haus zu danken und Ihnen für Ihren neuen Lebensabschnitt im Namen des ganzen Hauses alles Gute zu wünschen.
(Beifall)
Jetzt hat das Wort der Kollege Dr. Stefan Ruppert, FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7388253 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Inneres, Bau und Heimat |