Niema MovassatDIE LINKE - Justiz und Verbraucherschutz
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lambrecht, Sie haben als neue Justizministerin als eine der ersten Maßnahmen einen Gesetzentwurf für ein schärferes Unternehmenssanktionsrecht angekündigt. Wir Linke hatten das hier vor Kurzem mit einem Antrag gefordert. Dieselbetrug, Gammelfleischskandal, der massive Steuerklau durch Cum/Ex: Es gibt viele gute Gründe, nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Unternehmen strafrechtlich zu belangen, wenn sie Gesetze brechen. Ich bin sehr gespannt auf Ihren endgültigen Entwurf, Frau Ministerin. Ich hoffe, dass er von der CDU/CSU nicht zu sehr verwässert wird. Wir brauchen in Deutschland endlich eine klare Sanktionierung für kriminelle Unternehmen.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber, Frau Lambrecht, es gibt noch sehr viele Punkte, bei denen Sie als Ministerin aktiv werden sollten.
Erstens. Herr Minister Seehofer setzt, wie seine Vorgänger, auf immer mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden und Geheimdienste sowie eine immer weitere Schleifung des Asylrechts. Ihre Vorgänger im Justizministerium, Herr Maas und Frau Barley, haben leider oft nur zugeschaut, wie Grundrechte eingeschränkt worden sind. Dabei ist es eine ureigene Aufgabe Ihres Ministeriums, die Bürger- und Menschenrechte zu wahren. Gebieten Sie also Herrn Seehofers immer neuen Angriffen auf die Grundrechte Einhalt.
(Beifall bei der LINKEN)
Zweitens. Dem „Handelsblatt“ haben Sie gesagt, dass der Schwerpunkt Ihrer Arbeit auf der Stärkung des Rechtsstaates und der wehrhaften Demokratie liegen soll. Als Mittel dazu haben Sie auf den Pakt für den Rechtsstaat verwiesen, der 2 000 neue Stellen für Richter und Staatsanwälte vorsieht. Doch ich sage Ihnen: Die Stärkung des Rechtsstaates und den Kampf gegen den Rechtsruck im Land,
(Martin Reichardt [AfD]: Die einzige Gefahr für die Demokratie steht da vorne!)
der eine Gefahr für die Demokratie ist, gewinnt man nicht nur mit neuen Stellen in der Justiz, dafür brauchen wir eine demokratische Offensive. Wir müssen die Zivilgesellschaft, Menschen und Vereine, die sich gegen rechte Hetze und Antidemokraten stellen, mehr unterstützen, vor allem auch im ländlichen Raum. Wir brauchen deshalb eine starke Justiz und eine starke Zivilgesellschaft. Hier ist deutlich mehr Engagement, auch finanziell, Ihres Hauses notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)
Drittens. Wir brauchen eine Entrümpelung des Strafrechts. Wir sollten nur das bestrafen, was wirklich strafwürdig ist. Deshalb ist weiterhin eine ersatzlose Streichung des § 219a Strafgesetzbuch notwendig.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieser verbietet Ärzten, über Methoden des Schwangerschaftsabbruchs zu informieren. Trotz der kürzlichen Änderung des § 219a durch Union und SPD wurden jetzt wieder zwei Ärzte hier in Berlin wegen § 219a verurteilt.
(Martin Reichardt [AfD]: Zu Recht wahrscheinlich!)
Es ist völlig inakzeptabel, wenn Ärzte bestraft werden, weil sie über legale medizinische Eingriffe informieren.
(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Schwarzfahren ist ein weiteres Beispiel für eine nötige Entkriminalisierung. Bundesweit wurden 2018 213 000 Ermittlungen wegen Schwarzfahrens geführt. Wenn jede Ermittlung nur eine Stunde gedauert hätte, wären das 213 000 Stunden, in denen Richter, Polizei und Staatsanwälte Sinnvolleres hätten tun können.
(Beifall bei der LINKEN)
5 000 Menschen kommen pro Jahr ins Gefängnis, weil sie kein Ticket für ein paar Euro gekauft haben. Nur 350 Menschen kommen pro Jahr wegen Steuerhinterziehung in den Knast, obwohl sie dem Staat Milliarden Euro rauben. Das ist wahnwitzig. Wer schwarzfährt und erwischt wird, zahlt 60 Euro und hat obendrauf noch ein Strafverfahren. Das wirkt wie eine Doppelbestrafung. Deshalb gehört Schwarzfahren entkriminalisiert.
(Beifall bei der LINKEN)
Zuletzt will ich als Beispiel noch die Entkriminalisierung von Menschen nennen, weil sie geringe Mengen Cannabis besitzen. Die Verbotspartei CSU beherrscht die Regierungsdrogenpolitik seit Jahren, eine Drogenpolitik fern von Fakten und Evidenz. Dabei haben über 100 Strafrechtsprofessoren schon vor Jahren gesagt, dass das Cannabisverbot die Bürgerrechte verletzt. Sie könnten sich als Justizministerin für eine bundeseinheitliche geringe Eigenbedarfsmenge von Cannabis einsetzen, beispielsweise bei 15 Gramm. Das wäre ein deutlicher Fortschritt.
Sie sehen, es gibt für Sie als Ministerin viele Baustellen. Ich wünsche Ihnen alles Gute für Ihre Arbeit.
(Beifall bei der LINKEN)
Für Bündnis 90/Die Grünen hat das Wort die Kollegin Tabea Rößner.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7388282 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 112 |
Tagesordnungspunkt | Justiz und Verbraucherschutz |