12.09.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 112 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 12

Oliver LuksicFDP - Verkehr und digitale Infrastruktur

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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „ Deutschland außer Betrieb“, das hat die „Welt“ gerade getitelt, und das ist ein Stück weit auch die Zustandsbeschreibung der Verkehrspolitik: Wir haben das Dieseldesaster – das geht weiter; Millionen Dieselfahrer werden enteignet –, wir haben das Thema Maut – darauf muss ich leider noch ausführlich eingehen –

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Es war bis jetzt eine so schöne Debatte!)

und eine Infrastruktur, die an ganz vielen Ecken und Enden zerbröckelt und zerbröselt. Das ist ja das Kernproblem: Die Ausgaben im Bundeshaushalt gehen massiv nach oben; die Investitionslinie bleibt trotz steigender Baukosten aber flach, und die Investitionsquote sinkt. Es müsste aber mehr investiert werden in Innovationen und in Infrastruktur.

(Beifall bei der FDP – Thomas Jurk [SPD]: Da müssen Sie mal in den Haushalt gucken!)

Bei der Straße müssen wir feststellen, dass die Zahl der Schlaglöcher und Staus hoch bleibt; das hat auch der ADAC gerade wieder berechnet.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ein Quatsch! Was erzählen Sie denn da? – Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Unsinn!)

Immerhin, beim Thema Mobilfunk gibt es einen sinnvollen Vorschlag, den auch die FDP vorangetrieben hat, und zwar das Thema Weiße-Flecken-Auktion; das macht Sinn. Denn wir können es uns als Industriestandort doch nicht leisten, dass nicht nur die Zahl der Schlaglöcher, sondern auch die der Funklöcher so hoch bleibt. Es kann einfach nicht sein, dass die Mobilfunkabdeckung bei uns so ist wie in Albanien. Es kann nicht sein, dass weiter in Vectoring investiert wird. Wir müssen es uns als Industriestandort leisten können, die beste Infrastruktur zu haben. Davon sind wir meilenweit entfernt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)

Wir erleben derzeit, dass sich der Minister bei manchen heißen Eisen einfach nicht traut, zuzupacken. Ich habe eben genau zugehört, was Kollege Bartol zum Thema Luftverkehrsabgabe gesagt hat. Da ist mir der Kurs der Bundesregierung noch nicht ganz klar.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Eindeutig ist der!)

Auch Herr Dobrindt sagt ja, man müsse die Luftverkehrsabgabe, die Minister Scheuer immer senken wollte, erhöhen. Ich weiß nicht: Geht es da um einen Wettbewerb? Will das eine große deutsche Airline? Oder geht es um den Klimaschutz?

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Es geht darum, dass wir das Bahnfahren attraktiv machen!)

Ich glaube, dass Ihre Forderungen in einer Zeit, in der in China 40 neue Flughäfen gebaut werden, nicht ganz durchdacht sind. Deswegen will ich wissen: Was ist da die Haltung des Bundesverkehrsministers? Mir ist das unklar, und auch die Branche erwartet dazu eine klare Haltung.

(Beifall bei der FDP)

Auch beim Thema Schiene geht es ja drunter und drüber. Der Güterverkehr geht zurück. Es gibt ein Gutachten, das dem Bundestag aber nicht vorliegt. Die Pünktlichkeitsrate im Personenverkehr ist weiterhin unglaublich gering. Jetzt müssen wir erfahren, dass es bei der Deutschen Bahn eine neue Berateraffäre gibt. Wir erwarten, dass die Unterlagen, die der Aufsichtsrat diskutieren wird, dem Bundestag zur Verfügung gestellt werden. Man merkt: Der Minister geht die heißen Eisen nicht an.

(Lachen des Abg. Michael Donth [CDU/CSU])

Das kann nicht sein. Das ist doch die falsche Politik. Bei der Bahn muss endlich für Klarheit gesorgt werden. Es kann doch nicht sein, dass Sie noch mehr Staatskonzern wollen.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Wer hat denn das Gutachten in Auftrag gegeben? Was soll denn das? Das haben nicht Sie in Auftrag gegeben, sondern der Minister!)

Man sieht doch: Es kommt noch mehr Mauschelei dabei heraus. Es ist einfach ein Fehler, die einzige Aktiengesellschaft der Welt, die keinen Gewinn machen soll, schaffen zu wollen. Das wird nicht funktionieren!

(Beifall bei der FDP)

Bei einem einzigen Thema hat der Minister mal Mut gehabt und entschieden, nämlich bei der Pkw-Maut im letzten Jahr. Da hat er leider falsch entschieden.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Ach!)

Angesichts der Landtagswahl in Bayern hat er den ersten Auftrag vergeben, um damit das Zeichen zu setzen: Die Maut kommt – koste es, was es wolle. Ein Gutachten der FDP-Bundestagsfraktion von einer Anwaltskanzlei, die mit dem BMVI zusammengearbeitet hat, unter Mitwirkung eines ehemaligen Referenten der Unionsfraktion, kommt zu dem Schluss, dass man das Ganze mit jemandem vergleichen muss, der ins Kasino geht, bei einer „50:50“-Chance schwarz oder rot setzt und sich dabei verzockt. Ich bin der Überzeugung: Wir können es uns nicht leisten, dass Steuergelder in Deutschland verzockt werden, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es ist ja ganz klar: Im Herbst letzten Jahres war die Maut tot. Wir wissen jetzt: Es lag ein einziges Angebot über 3 Milliarden Euro vor. Der Haushaltsgesetzgeber hat aber leider nur 2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Wir können der Aktenlage entnehmen, dass der Rat ganz klar war: Sowohl aus Gründen des Vergabe- als auch des Haushaltsrechts hätte man zum Bundestag gehen und sagen müssen: Wir brauchen mehr Zeit und mehr Geld. – Aber das wollte der Minister natürlich nicht. Vielleicht hätte die SPD das nicht mitgemacht. Ich weiß es nicht.

Er hat entschieden, das Vergaberecht zu biegen, wahrscheinlich auch zu brechen. Er hat entschieden, die Kosten über die dynamische Vergütung am Haushalt vorbei in die Zukunft und an Toll Collect zu schieben. Das ist der springende Punkt: Er hätte zum Haushaltsgesetzgeber gehen müssen, statt am 30. Dezember, an einem Sonntag vor Neujahr, einen solchen Milliardenvertrag unterschreiben zu lassen. Er hat sich verzockt. Das ist der Fehler, den wir hier dringend ansprechen müssen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Stephan Kühn [Dresden] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es wäre ja in Ordnung gewesen. Fehler passieren. Das Urteil hätte auch anders lauten können. Aber man hätte einen Fehler einfach einräumen können. Stattdessen werden jetzt Vorwürfe gegen die Betreiber laut. Wir müssen lesen, dass wegen einer Schlechtleistung gekündigt wurde. Auf die Frage im Verkehrsausschuss, ob man auch ohne das EuGH-Urteil gekündigt hätte, war aber die Antwort Nein. Das muss man sich mal vorstellen! Man kündigt wegen einer Schlechtleistung, sagt aber eindeutig, man hätte ohne das EuGH-Urteil nicht gekündigt. Wie glaubwürdig ist denn eine solche Begründung?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der zweite grobe Fehler war, zu sagen: Auf einmal fallen Verträge vom Himmel; 600 Millionen Euro werden gefordert. – Dabei sind diese in dem Auftrag angelegt, und zwar im Formblatt 3. Sie wurden zwischendrin zumindest zum großen Teil genehmigt. Es wurde uns zwischenzeitlich schriftlich bestätigt, dass sieben Aufträge genehmigt wurden. Über den achten Auftrag und über die Höhe der Forderungen wird man diskutieren müssen. Der springende Punkt ist, dass hier suggeriert wurde, es wäre im Geheimen an der Maut gearbeitet worden und es würden plötzlich Verträge vom Himmel fallen. Was mich besonders ärgert, ist, dass wir ein Formblatt bekommen, wo das aufgeführt ist, und dann erfahren müssen, dass das Dokument nicht korrekt ist. Es wäre schön, wenn wir mal alle Unterlagen bekommen würden, um es nachvollziehen zu können. Und wenn Sie schon etwas ins Internet hochladen, sollte es auch das Richtige sein.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Sven-Christian Kindler [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Es bleibt leider wahr: Sie müssen in der Verkehrspolitik dringend die wichtigen Themen anpacken. Der Minister ist wegen der Maut ein Stück weit gelähmt. Es kann nicht sein, dass wegen der Fehlentscheidung in Bezug auf die Maut für den Ausbau von Straßen, der digitalen Infrastruktur und der Bahn Hunderte Millionen Euro fehlen. Deswegen werden wir weiter kritisch nachfragen müssen.

(Beifall bei der FDP)

Der Kollege Victor Perli ist der nächste Redner für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7388298
Wahlperiode 19
Sitzung 112
Tagesordnungspunkt Verkehr und digitale Infrastruktur
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