13.09.2019 | Deutscher Bundestag / 19. EP / Session 113 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 11

Uwe WittAfD - Arbeit und Soziales

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Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste des Hohen Hauses! Herr Minister Heil, wenn ich Ihre Haushaltspläne dieser Legislatur lese, insbesondere diesen, dann frage ich mich, warum Sie Helmut Schmidts Aussage „Rate den Mitbürgern nicht das Angenehmste, sondern das Beste“ mal wieder nicht beachtet haben. Wieder mal doktern Sie an einem maroden System herum und setzen auf bereits zigmal gescheiterte Projekte. Das ist so, als wenn Sie mit einem Fahrzeug mit kapitalem Motorschaden in die Werkstatt fahren und man den Motor noch tunt, anstatt ihn auszutauschen.

Der Haushalt des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist nicht nur der größte Einzelhaushalt. Vor allen Dingen ist er derjenige, von dem direkt und indirekt die meisten Menschen in diesem Land betroffen sind. Daher ist das Motto „Weiter so“ gerade bei diesem Haushaltsplan eine Katastrophe für die Bürger dieses Landes.

(Beifall bei der AfD)

Denn die Zeichen stehen auf Sturm. Die Experten haben düstere Prognosen. Die Zahl derer, die auf Unterstützungsleistungen aus dem Ministerium von Herrn Heil angewiesen sind, wird sich in den kommenden Jahren deutlich, wenn nicht sogar dramatisch, erhöhen.

(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Echt?)

Sie sollten doch wissen, was sich da am Horizont schon deutlich zusammenbraut. Allein die DAX-Konzerne wollen 150 000 Stellen in den nächsten zwölf Monaten abbauen.

Aber es wird noch schlimmer. Durch Ihre verkorkste Klimapolitik stehen besonders viele Stellen in Deutschlands Schlüsselbranche, dem Automobilbau, auf dem Spiel. Ford, Volkswagen, Audi, BMW wollen bis 2021 an ihren deutschen Standorten über 50 000 Stellen streichen. Wie Sie alle wissen, sind dann immer auch die Zulieferbetriebe mit Zehntausenden von Mitarbeitern betroffen. Continental zum Beispiel rechnet mit deutlich fünfstelligem Personalabbau. Mahle hat sein Werk in Öhringen bereits geschlossen. Meine Damen und Herren, die deutsche Autoindustrie beschäftigt 800 000 Arbeitnehmer in unserem Vaterland. Nach der aktuellen Oliver-Wyman-Analyse benötigen die Autokonzerne durch Digitalisierung in den nächsten zehn Jahren 30 Prozent Mitarbeiter weniger. Herr Heil, Digitalisierung ist das Thema, das Sie und die Bundesregierung verschlafen haben.

(Beifall bei der AfD)

Dazu kommt noch der Arbeitsplatzabbau aus Gründen der verkorksten Klimapolitik und der Rezession. Ich mag gar nicht daran denken, was passiert, wenn hier 45 Prozent von insgesamt 800 000 Arbeitsplätzen abgebaut werden. Sie aber, Herr Heil, rechnen in Ihrem Haushaltsentwurf mit Einsparungen von über 900 Millionen Euro, gerade beim Arbeitslosengeld II, obwohl Sie wissen müssten, was sich in Deutschland zusammenbraut. Wer erinnert sich nicht an Konzerne wie Schlecker, Air Berlin, Quelle AG, den Baukonzern Philipp Holzmann AG und den Autobauer Karmann, die von heute auf morgen vom Markt verschwunden sind.

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: So ist das in der sozialen Marktwirtschaft nun mal!)

Analysten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung gehen bereits jetzt von einem Schrumpfen der Wirtschaft aus.

(Dagmar Ziegler [SPD]: Zählen Sie mal die neuen Unternehmen auf! Das dauert länger!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie wissen, was das bedeutet: Rezession. Rezession bedeutet sinkende Steuereinnahmen und erhöhten Druck auf die Rentenversicherung, weil die Einnahmen sinken und die Ausgaben durch die Babyboomer immer weiter steigen werden. Weiter bedeutet Rezession aber auch sinkende Einnahmen bei der Arbeitslosenversicherung, und zwar – hören Sie genau zu, Herr Heil – bei gleichzeitig steigenden – nicht sinkenden – Ausgaben des Staates.

Diese Veränderungen am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft können genauso hart einschlagen wie seinerzeit in den schon nicht mehr so neuen Bundesländern: deindustrialisierte Landstriche, klamme Kommunen, Niedriglohnsektor. Noch heute ist der Lohnunterschied zwischen Ost und West eklatant,

(Dr. Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Zwischen Nord und Süd doch auch!)

und noch immer ist eine Lohnangleichung zwischen Ost und West in weiter Ferne. Es kann doch nicht sein, dass ein Facharbeiter aus dem Bereich Metallbau im Osten 35 Prozent weniger Lohn erhält als der Metallbauer im Westen. Womit soll man das rechtfertigen?

(Beifall bei der AfD)

Sie reden zwar ständig von sozialer Gerechtigkeit, aber Ihre Interpretation von sozialer Gerechtigkeit verstehen Ihre ehemaligen Wähler schon lange nicht mehr, Herr Heil.

(Beifall bei der AfD)

Daher ist es verdammt noch mal unsere Pflicht und Schuldigkeit gegenüber dem Steuerzahler, mit mehr als kritischem Blick den Haushaltsentwurf für Arbeit und Soziales, den Sie hier vorstellen, zu hinterfragen, beispielsweise das Programm für den sozialen Arbeitsmarkt, das sich einreiht in eine lange Reihe bereits gescheiterter Vorgängerprogramme. Sie investieren in einen fiktiven sozialen Arbeitsmarkt, und der tatsächliche Arbeitsmarkt bricht zusammen.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Da stellt sich die Frage: Wissen Sie eigentlich überhaupt, was Sie da machen, Herr Heil,

(Michael Donth [CDU/CSU]: Wissen Sie eigentlich, was Sie da reden?)

oder spielen Sie Vogel Strauß? Das hat doch nichts mit gesundem Optimismus zu tun. Da ist eine Rezession im Anmarsch, und Herr Heil macht Sandkastenspiele mit dem Versuch eines sozialen Arbeitsmarktes, obwohl nachweislich alle vorherigen ähnlichen Versuche gescheitert sind.

(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollen Sie denn machen? – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch keine Ahnung!)

Ich gehe nicht so weit wie Ihr Genosse Kahrs in seiner Rede vorgestern mit seinen Aussagen über die AfD.

(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gute Rede! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber Sie haben doch programmatisch gar nichts drauf bei der Sozialpolitik! Wieso haben Sie Ihren Parteitag abgesagt?)

Aber, liebe SPD, wenn man mit kurzsichtiger sozialistischer Politik aus dem einst blühenden Wirtschaftsstandort Deutschland ein Land der Bauern und Hartz-IV-Empfänger machen will, dann gehören Sie als Regierungspartei verboten. Und ich hoffe schnellstens auf Neuwahlen!

(Beifall bei der AfD – Michael Groß [SPD]: Sie haben ja überhaupt keine Ahnung! – Sven Lehmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben überhaupt keine Ansätze! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll; denn Sie verkennen die Zeichen der Zeit und gehen weiterhin von einer guten Konjunktur für Deutschland aus. Anders kann man diesen von Ihrem Ministerium vorgelegten Haushaltsplan nicht interpretieren.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit der Rente? Was haben Sie denn da für ein Konzept? Gar keins!)

Dieser Haushaltsentwurf hält vor dem Hintergrund der gravierendsten Veränderungen, die uns ins Haus stehen, einer kritischen Prüfung nicht stand, insbesondere da nicht in ausreichendem Maße Vorsorge für diese Veränderungen getroffen wurde.

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Eines gebe ich Ihnen, Herr Minister Heil, noch mit auf den Weg:

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch gar kein Konzept in der Sozialpolitik!)

Dieses Land kann es sich nicht leisten, einen Vorschlag nicht ernsthaft zu prüfen, nur weil er vermeintlich von den Falschen, nämlich von der AfD, kommt.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Sozialparteitag absagen, weil man Angst vor der eigenen Courage hat! Gar kein Plan!)

Nächster Redner ist der Kollege Hermann Gröhe, CDU/CSU.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Electoral Period 19
Session 113
Agenda Item Arbeit und Soziales
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