13.09.2019 | Deutscher Bundestag / 19. WP / Sitzung 113 / Tagesordnungspunkt 1 Epl 15

Bärbel BasSPD - Gesundheit

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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, der Haushaltsentwurf, der uns vorliegt, zeigt deutlich, welche Prioritäten wir gesetzt haben. Ein Thema – das wurde schon angesprochen – ist natürlich der Bereich Pflege: Mit 13 000 Stellen, die wir geschaffen haben, haben wir einen wichtigen Punkt gesetzt. Ich sage für meine Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion aber auch, dass wir jetzt genau hinschauen müssen, ob wir diese Stellen auch besetzt kriegen.

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, dass diejenigen, die diese Anträge bearbeiten, ein bisschen zögerlich sind, unseren politischen Willen umzusetzen. Das sage ich auch in Richtung der Vertragspartner und der Krankenkassen. Es ist wichtig, dass wir hier noch einmal genau hinschauen, im Zweifel sogar nachbessern; denn wir wollen, dass diese 13 000 Stellen besetzt werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Gemeinsam ist uns auch wichtig, dass wir die Angehörigen jetzt entlasten. Das Gesetz dafür bringen wir bald auf den Weg. Viele haben Angst davor, dass sie in eine Situation geraten, in der sie mit ihrem Einkommen und ihrem privaten Vermögen für die vollstationäre Pflege von Angehörigen haften müssen. Es ist, glaube ich, ein wichtiger Schritt, das anzugehen. Wir haben vorhin schon davon gesprochen, wie wir die Bürgerinnen und Bürger entlasten können. Wir setzen hier einen wichtigen Punkt und geben den Menschen eine Möglichkeit, sicher für die Pflege zu sorgen. Wir ziehen die Grenze bei 100 000 Euro Jahreseinkommen. Erst ab dieser Grenze sollen die Sozialämter auf die Angehörigen zurückgreifen können. Bis dahin stellen wir die Bürgerinnen und Bürger frei und entlasten sie im Pflegefall von einer finanziellen Sorge.

(Beifall bei der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird nicht reichen!)

Machen wir uns aber nichts vor: Ein wichtiger Punkt ist auch, dass wir mit der Teilkaskofinanzierung der Pflege – wir haben gerade über die Finanzierung gesprochen – langfristig nicht weiterkommen. Wir alle wollen noch viel mehr in die Pflege investieren. Wir wollen höhere Löhne. Deshalb müssen wir diesen Bereich solidarisch finanzieren. Es wundert mich schon, dass die FDP nicht einmal erwähnt, dass wir im Bereich der privaten Pflegeversicherung Rücklagen in Höhe von 34 Milliarden Euro haben, die nicht in die Versorgung gehen, die nicht abgerufen und nicht für die Pflege genutzt werden. Deshalb ist es sinnvoll, über eine Pflegebürgerversicherung nachzudenken – ob Ihnen das gefällt oder nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es macht keinen Sinn, das Geld dort liegenzulassen.

Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung?

Gerne.

Vielen Dank, dass Sie die Frage erlauben, Frau Kollegin. – Sie haben ja nun eine lange Liste mit Versprechungen vorgetragen – Stichwort „Vollkaskofinanzierung“. Haben Sie eine ungefähre Ahnung, wie viele zig Milliarden das kostet? Wie wollen Sie das finanzieren?

(Beifall bei der FDP – Sabine Dittmar [SPD]: Das hat sie doch gerade eben gesagt!)

Ich glaube, ich habe gerade erläutert, wie wir das finanzieren. Wir werden das auf breitere Füße stellen.

(Christian Dürr [FDP]: Geht es noch ein kleines bisschen konkreter?)

Wenn alle Menschen, die von Pflege profitieren – das sind alle –, in ein System einzahlen würden, dann hätten wir die Probleme nicht.

(Christian Dürr [FDP]: Das ist nachhaltig falsch!)

Wir müssen diese 34 Milliarden in die Pflege stecken. Es müsste eigentlich auch ein Anliegen der privaten Pflegeversicherung sein, dass das Geld in die Versorgung fließt; denn auch die Privatversicherten profitieren davon.

(Beifall bei der SPD)

Die Leistungen sind gleich. Bei der Bürgerversicherung, der Krankenversicherung, sehe ich ein, dass das Konstrukt nicht ganz einfach umzusetzen ist. Bei der Pflege ist es einfach. Die Leistungen sind gleich. Das kann man relativ schnell machen.

(Christian Dürr [FDP]: Und damit sind alle Probleme gelöst?)

– Von allen habe ich nicht gesprochen, aber ich kann Ihnen noch ein paar auflisten.

(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Es klingt aber so!)

Ich werde Ihnen noch ein paar Probleme nennen. Im Gegensatz zu Ihnen sind wir in der Regierung.

(Beifall des Abg. Falko Mohrs [SPD])

Wir setzen uns nicht nur mit Fantasien auseinander, sondern wir lösen auch die Probleme.

(Beifall bei der SPD – Christian Dürr [FDP]: Doch! Das war gerade Fantasie, was Sie gesagt haben!

– Das ist Ihre Fantasie, weil Ihnen das nicht schmeckt. Ich bin aber gerne bereit, das weiter fortzuführen. Ich weiß, dass Sie das reizt. Deswegen habe ich das auch gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Christian Dürr [FDP]: Nein, es ist halt einfach nur falsch! Wir sind sehr relaxt! Es ist nur falsch, was Sie sagen!)

Ich nenne Ihnen ein zweites Beispiel, das uns zeigt, dass der Markt versagt. Wir haben, glaube ich, gestern im Fernsehen sehen können, welche Probleme die Antibiotikaforschung macht. Da haben wir als Staat deutlich versagt, ja. Wir haben der Pharmaindustrie den Bereich der Forschung an wirklich lebenswichtigen Medikamenten allein überlassen. An diesem Punkt müssen wir etwas korrigieren.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Da geht es doch um Rahmenbedingungen! Das muss man auch sagen!)

– Nein, es geht nicht nur um Rahmenbedingungen.

(Tino Sorge [CDU/CSU]: Aber auch!)

Man kann daran sehen, dass wir ein Risiko eingehen, wenn wir alles dem Markt überlassen. Wenn ein Sprecher dieser Branche den Menschen, die mit einem Keim infiziert sind, gegen den kein Antibiotikum hilft, ins Gesicht sagt: „Das rentiert sich nicht für mich; da mache ich keinen Gewinn“, dann ist das menschenverachtend und zynisch. Wir müssen an dieser Stelle deutlich reagieren und diese Forschung mit staatlichen Mitteln wieder ins Leben rufen; denn sonst kostet es Menschenleben.

(Beifall bei der SPD)

Ein weiteres Thema: Ich bin dem Minister sehr dankbar dafür, dass er davon gesprochen hat, dass wir wieder Vertrauen schaffen wollen. Im Moment ist ein Referentenentwurf zu einem Gesetz im Fokus, bei dem es um Menschen in der ambulanten Intensivpflege geht. Ich sage hier ganz deutlich für die SPD-Fraktion: Mit uns wird es keine Umkehr des Vorrangs von ambulanter vor stationärer Pflege geben.

(Beifall bei der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wahlfreiheit!)

Ich möchte den Menschen heute sagen, dass wir natürlich darauf achten, dass auch bei ambulanter Intensivpflege Qualitätsstandard gewährleistet werden. Natürlich wollen wir auch, dass Menschen von Langzeitbeatmung entwöhnt werden.

(Beifall des Abg. Rudolf Henke [CDU/CSU])

Darüber werden wir uns einigen. Aber der Punkt, über den wir uns nicht einigen werden – das sage ich hier voraus –, ist, der stationären Pflege den Vorrang zu geben. Ich möchte einer Familie mit einem schwerstbehinderten Kind, das von seinen Eltern zu Hause gepflegt werden will, nicht sagen müssen: Das geht in Zukunft nur noch stationär.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Angst müssen wir den Menschen nehmen, und das möchte ich heute tun.

Ich bedanke mich fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Wort hat der Kollege Tino Sorge für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7388745
Wahlperiode 19
Sitzung 113
Tagesordnungspunkt Gesundheit
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