Nils SchmidSPD - Aktuelle Stunde zur Eskalation in der Golfregion
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ohne Zweifel – darauf ist zu Recht verschiedentlich hingewiesen worden – spielt der Iran eine aggressive Rolle in der Region und stellt die internationale Sicherheit und den Frieden in der Region auf eine schwere Probe, zuletzt durch diese Angriffe, die die saudi-arabische Infrastruktur getroffen haben. Man muss mit Blick auf die Region aber auch feststellen, dass die Politik des maximalen Drucks aus Washington maximal gescheitert ist. Deshalb ist es gut, dass die Europäer in dieser Region eine eigenständige Politik verfolgen. Gerade die asymmetrische Kriegsführung des Iran und seiner Proxys in der Region belegen einmal mehr die Notwendigkeit, eine politische Lösung für die Probleme in der Region anzustreben, und dass eine militärische Lösung ein Irrweg ist. Deshalb – bei allem Verständnis für die Sicherheitsbedürfnisse von Saudi-Arabien –: Die Lösung kann auch nicht sein, dass wir in dieser Situation neue Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien genehmigen.
(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Nein, gerade weil es um asymmetrische Kriegsführung geht, ist die Reaktion von Saudi-Arabien, von den Vereinigten Arabischen Emiraten in den letzten Tagen und Wochen so begrüßenswert, aber auch plausibel und nachvollziehbar. Sie setzen darauf, dass Dialog und Deeskalation ihre eigene Stabilität, den Strukturwandel, den die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien – weg vom Öl hin zu einer diversifizierten Volkswirtschaft – anstreben, unterstützen. Denn eines ist klar: Wenn der Krieg am Golf erst einmal losbricht, dann gibt es keine Kreuzfahrtschiffe mehr, dann ist der Traum, eine Logistikdrehscheibe zu werden, ausgeträumt. – Deshalb gibt es auch sehr viele rationale Argumente dafür, dass gerade die Golfstaaten in dieser Situation nicht auf eine militärische Lösung setzen. Deshalb ist jetzt, nach der Zuspitzung am Golf durch die Angriffe auf saudi-arabische Ölanlagen, die Chance für eine politische Lösung aus meiner Sicht mehr denn je gegeben. Deshalb ist es so wichtig, dass die Europäer mit der E-3-Erklärung von dieser Woche noch einmal deutlich gemacht haben, wie sie eine politische Lösung angehen wollen. Leider können wir – das ist der Unterschied zum iranischen Atomabkommen – in dieser Frage auf die Unterstützung der Amerikaner nur sehr begrenzt zählen. Steinmeier hatte John Kerry an seiner Seite; Heiko Maas Mike Pompeo – Fragezeichen?
(Alexander Graf Lambsdorff [FDP]: Rolf Mützenich!)
Deshalb ist die Einigkeit der europäischen Haltung besonders wichtig; das ist in dieser Erklärung noch einmal deutlich geworden.
Jawohl, die Verantwortung des Irans für die Angriffe ist plausibel. Seien wir einmal ehrlich: Es kommt letzten Endes nicht entscheidend darauf an, ob es der Iran selbst war, der den Angriff organisiert hat, oder seine Proxys. In dieser Situation war es wichtig, dass auch die Europäer dem Iran Grenzen aufgezeigt haben, was seine Aktivitäten in der Region anbelangt. Zwei Absätze der Erklärung waren der Deeskalation und dem Dialog gewidmet, der Bewahrung des iranischen Atomabkommens und dem Bekenntnis zu diesem Abkommen als Grundlage für Frieden und Stabilität in der Regierung. Übrigens: Von den Europäern sind keine neuen Sanktionsdrohungen ausgesprochen worden. Deshalb ist jetzt mehr denn je die Stunde für diplomatische Anstrengungen.
Dass heute weder Niels Annen noch Heiko Maas dieser Aktuellen Stunde beiwohnen können, hat damit zu tun, dass die deutsche Außenpolitik zusammen mit den Europäern die Vollversammlung der Vereinten Nationen jetzt dazu nutzt, um Gespräche zu führen. Natürlich redet die Bundesregierung – aktuell in dieser Woche, aber auch in den Monaten davor – mit allen Seiten: Heiko Maas mit Zarif und al-Jubeir, Niels Annen war selbst in der Region unterwegs, und – Premiere! – die Bundeskanzlerin trifft zum ersten Mal den iranischen Präsidenten zu einem direkten Gespräch. Das zeigt doch an, dass in Abstimmung mit den anderen Europäern die Bundesregierung gerade in dieser Woche die Chance für Deeskalation und Dialog nutzen will.
Für uns ist eines klar: Bilaterale Gespräche zwischen USA und Iran sind zur Entspannung der Situation notwendig. Wir brauchen aber auch einen regionalen Sicherheitsdialog über alle Aspekte der Spannungen in der Region, nicht nur über die atomare Bewaffnung des Irans. Deshalb ist es gut, dass die Joint Commission des JCPoA heute ebenfalls tagt, wenn auch leider ohne die USA. Aber das zeigt an, dass gerade für die Lösung der regionalen Sicherheitsprobleme dieses iranische Atomabkommen immer noch der richtige Rahmen ist; die anderen Fragen müssen ausgehend von diesem Rahmen geklärt werden. Dafür sollten wir uns in Deutschland alle gemeinsam einsetzen.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7390575 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 114 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde zur Eskalation in der Golfregion |