Matthias MierschSPD - Klimaschutzprogramm 2030
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Abgeordneter Hilse, wie Sie über andere Menschen hier reden, das ist wirklich unmenschlich, unerträglich und verletzt aufs Empfindlichste die Würde dieses Hauses.
(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Meine sehr verehrten Damen und Herren, an der Debatte heute sehen Sie, was es heißt, eine der größten Menschheitsaufgaben in der Demokratie anzugehen. Wir haben gesehen, dass einige am Anfang der Legislaturperiode nicht die Kraft hatten, einen Konsens, einen Kompromiss zu suchen. Deswegen sage ich: Natürlich ist auch dieses Paket ein Kompromiss, aber es ist eine gute Grundlage, um die Ziele zu erreichen, nämlich den Zusammenhalt dieser Gesellschaft und die Einhaltung der Klimaziele.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich will etwas ganz bewusst sagen, Herr Lindner, weil Sie hier fordern: Der Markt soll es klären. – Wer sagt: „Über eine CO
(Dr. Marco Buschmann [FDP]: Der Deckel!)
der nimmt soziale Spaltung in Kauf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen sagen wir: Unsere Antwort ist das Klimaschutzgesetz; der Primat der Politik. Dass wir jährlich sehen, ob wir unsere Ziele erreichen, das ist die Garantie. Das ist politisches Handeln.
(Beifall bei der SPD – Zuruf von der AfD: 5 Prozent!)
Ich finde es schon interessant, dass hier bis jetzt an keiner Stelle erwähnt worden ist, dass in diesem Paket etwas drinsteckt, was eine völlige Umwandlung unserer Energiepolitik bedeutet, nämlich: Neben dem Ausstieg aus der Atomenergie steigen wir auch aus der Kohle aus,
(Beifall bei der SPD)
und dies auf einem Weg, bei dem die IG BCE, der Bundesverband der Deutschen Industrie, Greenpeace und auch Potsdamer Forscher zusammengewirkt haben. Nur so geht Transformation. Nur so geht Zusammenhalt.
(Beifall bei der SPD – Martin Reichardt [AfD]: Wie viele Arbeiter haben Sie dabei? Wo ist der Arbeiter? Sie haben doch die kleinen Leute verraten!)
Ein weiterer Punkt – er ist hier schon angesprochen worden –: das Thema der erneuerbaren Energien. Da, lieber Toni, ist das, finde ich schon, ein bisschen, na ja, auf Kante genäht.
Herr Kollege Miersch, die Kollegin Baerbock würde gern eine Zwischenfrage stellen.
Selbstverständlich.
(Martin Reichardt [AfD]: Wie viele Kobolde sind in Ihren Batterien? – Gegenruf der Abg. Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Liebe Leute!)
Wenn Sie Englisch sprechen können, wissen Sie auch, dass auf Englisch „cobalt“ mit „O“ ausgesprochen wird.
(Lachen bei Abgeordneten der AfD)
Fremdsprachen liegen Ihnen ja nicht so, weil Sie rein deutsch sprechen wollen.
Herr Miersch, vielen Dank für die Zulassung der Zwischenfrage. – Ich finde es vollkommen richtig, dass Sie unterstreichen, dass man mit dem Preis allein das Klima nicht retten kann. Das würde weder sozial funktionieren, noch würde es mit Blick auf die Mengen, die wir reduzieren müssen, funktionieren.
(Zuruf von der AfD: Kobold!)
Deswegen kann der CO
Mit Blick auf das Klimaschutzgesetz habe ich jetzt eine Frage. Wir alle wissen: Die Bundeskanzlerin hat gerade bei der Ehrung von Klaus Töpfer noch mal deutlich gemacht, dass im Umwelt-, Natur- und Klimaschutz das eigentliche Instrument das Ordnungsrecht ist. Daher die Frage: Warum haben Sie hier die ordnungsrechtlichen Instrumente nicht verankert, die notwendig sind, damit wir das 2030-Ziel erreichen, sowohl mit Blick auf den Verkehrssektor – emissionsfreie Autos – als auch mit Blick auf den Kohleausstieg, den Sie erwähnt haben, der hier aber nicht in Gesetzesform gegossen ist und auch nicht erwähnt wird, als auch mit Blick auf das Klimaschutzgesetz? Das Wort „Klimaschutzgesetz“ taucht hier nicht auf, sondern nur „Klimaschutzplan“. Ich hatte es auch erst überlesen, Sie gelobt; dann wurde ich korrigiert, dass da nur „Plan“ steht.
(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Gesetze machen wir ja hier!)
Vor allen Dingen: Das Eigentliche, was ein Gesetz beinhaltet, nämlich Sanktionsmaßnahmen, die Frau Schulze auch vorgeschlagen hatte – es geht darum: was passiert eigentlich, wenn die Klimaschutzziele, die jährlich überprüft werden, nicht eingehalten werden, damit sich was ändert? –, findet man auch nicht. Also: Wie soll der Klimaschutzplan ohne jegliche Sanktionen bei einer Überprüfung überhaupt Wirkung zeigen? Was passiert, wenn Sie 2026 feststellen, dass Sektoren noch kein CO
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Vielen Dank, Frau Kollegin Baerbock, dass Sie mir die Möglichkeit geben, dieses Instrument noch mal ein bisschen ausführlicher zu erläutern.
Aber lassen Sie mich zunächst darauf hinweisen: Sie sind ja nicht ganz weit gekommen bei Jamaika.
(Zuruf der Abg. Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
– Jetzt müssen Sie auch aushalten, dass ich Ihnen antworte.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Ich habe mir das ganz genau angeguckt. Sie haben einiges versucht. Aber uns jetzt vorzuwerfen, dass der Begriff des Klimaschutzgesetzes so nicht im Eckpunktepapier steht, sondern der Mechanismus, den ich Ihnen gleich erkläre, das geht gar nicht. Denn Sie sind bei Jamaika nicht mal darauf gekommen;
(Beifall bei der SPD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ordnungsrecht war die Frage!)
in allen Papieren ist von diesem Mechanismus oder von einem Klimaschutzgesetz überhaupt nicht die Rede.
Jetzt will ich Ihnen das erklären, und die Bundeskanzlerin wird das sicherlich mit Kopfnicken gleich noch bestätigen, dass wir das machen.
(Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel nickt mit dem Kopf – Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
Das schließt daran an, dass wir, wie der Kollege Brinkhaus gesagt hat, Regierung und Parlament an dieser Stelle vereinigen. Wir werden jedes Jahr von der Bundesregierung Rechenschaft darüber abgelegt bekommen, und zwar für jedes Ministerium,
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In jeder Tonne oder mit blumigen Worten?)
ob die jährlichen Einsparziele erreicht worden sind oder nicht. Werden sie nicht erfüllt – nicht die Bundesregierung beurteilt das, sondern ein Expertengremium, das beim Umweltbundesamt angesiedelt ist –, folgt ein Mechanismus.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann wird wieder einer entlassen!)
– Sie müssen es ertragen, und es wird noch schlimmer für Sie.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaube ich nicht!)
Erfüllt ein Minister diese Verpflichtung nicht, dann muss er binnen drei Monaten selbst Vorschläge machen, wie er die Lücke schließt. Ich sehe jetzt schon die Schweißperlen bei Andi Scheuer, aber gut.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)
Wenn das nicht reicht, dann greift und hilft uns die Europäische Union;
(Martin Reichardt [AfD]: Das dauert aber 30 Jahre!)
denn daneben bekommen wir das sogenannte Effort Sharing. Bei Nichterreichen der Ziele kommen Milliardenforderungen auf die Bundesrepublik Deutschland zu.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Deswegen haben wir hier, glaube ich, richtig Druck auf dem Kessel, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wenn wir das beherzigen, was der Kollege Brinkhaus uns vorgeschlagen hat, dass das nicht nur eine Sache der Bundesregierung ist, sondern auch hier im Parlament die Debatte über Nachsteuerung stattfindet – einschließlich der Frage von Ordnungsrecht –, dann, glaube ich, haben wir das erste Mal die Dynamik, die ein Riesenfortschritt für die Klimapolitik der Bundesrepublik Deutschland ist, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Jetzt kommen wir nach dem Kohleausstieg, nach dem Klimaschutzgesetz zum dritten Part. Anton, ich finde es wirklich unredlich von dir, wenn du hier – erstens – sagst, wir würden den Photovoltaik-Deckel anheben. Dieser Deckel wird aufgehoben, und das ist ein Riesenerfolg.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Du sprichst – zweitens – davon, dass man eigentlich finanzielle Anreize bei Windkraft geben müsste. Genau das steht in diesem Eckpunktepapier, genau diese finanziellen Anreize wollen wir. Warum erwähnst du das nicht? Warum verschweigst du es?
(Beifall bei der SPD – Dr. Georg Nüßlein [CDU/CSU]: Er hat es nicht gelesen!)
Ich finde, solche Angriffe muss man eben auch mit dem eigenen Handeln vergleichen.
Zur 1000-Meter-Regelung. Ich hätte mir auch etwas Besseres vorstellen können, als in der Nacht mit Peter Altmaier im Kanzleramt darüber zu verhandeln.
(Heiterkeit bei der SPD – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bitte keine Details!)
Wir wollten keine bundesweite Abstandsregelung, aber letztlich ist das ein Kompromiss, und der Kompromiss sieht vor, dass Länder und Kommunen nach unten abweichen können. Die 1 000 Meter, die ihr mit Robert Habeck an der Spitze kritisiert, habt ihr in vielen, vielen Landesregierungen selbst vereinbart; daher finde ich das doppelzüngig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gelogen! – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht, Matthias!)
Und jetzt versucht Robert Habeck noch, sich zu retten – der Koalitionsvertrag ist eindeutig; lest ihn euch durch –,
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Ich kenne ihn!)
indem er sagt: Na ja, die 1 000 Meter gelten ja nur, wenn wir die Ausbauziele erreichen.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aha!)
Weil ihr mir anscheinend nicht glaubt, will ich euch sagen: Es ist in Schleswig-Holstein noch viel schlimmer. Ich zitiere mal den Landesgeschäftsstellenleiter des Bundesverbandes WindEnergie – vielleicht glaubt ihr dem –:
Sie
– die schleswig-holsteinische Landesregierung –
muss daher jetzt alles dafür tun, dass ein den eigenen Zielen entsprechender Zubau gewährleistet wird.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Ja! Vögel weg! Alles weg!)
Wenn der Zubau wie aktuell weiterläuft, wird diese Legislaturperiode ein Totalausfall für den Klimaschutz.
(Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört!)
Schleswig-Holstein muss seine Hausaufgaben machen. Die Landesregierung macht es sich zu leicht, wenn sie die Verantwortung an die Bundespolitik in Berlin weiterreicht.
(Ulli Nissen [SPD]: Hört! Hört!)
Die Verantwortung beim Zubau Erneuerbarer Energien in Schleswig-Holstein liegt in erster Linie bei der Landesregierung.
Meine Damen und Herren, dem ist nichts hinzuzusetzen.
(Beifall bei der SPD – Annalena Baerbock [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 220 Prozent Erneuerbare in Schleswig-Holstein!)
Daran, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen Sie sich messen lassen. Sie können hier in der Opposition nicht so reden und dann anders handeln. Ich glaube, nur gemeinsam geht es.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie müssten es besser wissen!)
Lassen Sie mich zum Schluss noch sagen: Neben dem Kohleausstieg, neben dem Klimaschutzgesetz, neben dem Thema „erneuerbare Energien“ ist das vierte Thema, dass dieser Staat zukunftsfit gemacht werden muss,
(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])
und das ist das Entscheidende für uns Sozialdemokraten. Ja, mit der Natur können wir nicht verhandeln; die Ziele müssen eingehalten werden.
(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Werden sie aber nicht durch das Paket!)
Aber wir dürfen auf diesem Weg niemanden zurücklassen, und deswegen brauchen wir eine ganz starke staatliche Infrastruktur, die Mobilität der Zukunft für jeden gewährleistet.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Insofern begrüßen wir ausdrücklich das Milliardeninvestitionsprogramm für die Zukunft.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Beste Rede heute!)
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Lukas Köhler, FDP.
(Beifall bei der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7390772 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Klimaschutzprogramm 2030 |