Frank JungeSPD - Förderung von Unternehmensgründungen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst ebenfalls die Gelegenheit nutzen und all denen entgegentreten, die die Entwicklung im Osten per se so schlechtreden, wie wir das hier von rechts und von links gehört haben.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der FDP)
Schaut man auf klare Indikatoren, schaut man auf Beschäftigungsentwicklungen, Investitionen, auf die Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes und auch auf die Löhne, dann sieht man, dass im Osten seit der Wende enorm viel passiert ist, und das ist vor allen Dingen ein Verdienst der Menschen im Osten. Das darf man nicht schlechtreden.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)
Ihr Antrag, liebe FDP-Fraktion, ist leider, seitdem wir ihn im Juni das erste Mal diskutiert haben, nicht besser geworden. Ich sage das so ganz klar, weil Sie mit Ihren Freiheitszonen im Kern fordern, dass – Sie haben es ja, Herr Kemmerich, ausgeführt – für das Ziel, Unternehmensneugründungen vorzunehmen und um einen Aufschwung Ost zu kämpfen –, wie Sie sagen, bundesrechtliche Regulierungen und Vorschriften gelockert und beseitigt werden sollen, dass unnötige bürokratische Hemmnisse abgeschafft werden sollen und dass Ausnahmen zugelassen werden sollen, mit denen – um das Kind beim Namen zu nennen – dann im Kern auch der Verschlechterung von Arbeitsbedingungen Tür und Tor geöffnet werden kann.
(Thomas L. Kemmerich [FDP]: Das hat keiner gesagt!)
– Man muss ja nur Ihren Antrag lesen.
Solche Sonderwirtschaftszonen, wie Sie sie in Ihrem Antrag fordern, führen nicht nur zu Abgrenzungs- und Wettbewerbsproblemen zwischen den Regionen, sondern sie sind auch EU-rechtlich problematisch, und sie bedeuten eine Abkehr von unserem Steuer- und Rechtssystem. Vor allem aber steht zu befürchten, dass mit der Einführung der von Ihnen geforderten Sonderwirtschaftszonen Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards, die wir zusammen mit den Gewerkschaften über eine lange Zeit hart erkämpft haben, beschnitten und ausgehöhlt werden. Das darf es so nicht geben. Das wird es mit der SPD-Bundestagsfraktion so nicht geben.
(Beifall bei der SPD)
Ein Unterlaufen von Kündigungsschutz, eine Lockerung bei Regelungen in der Leih- und Zeitarbeit oder eine Unterschreitung des Mindestlohns kann doch niemand in diesem Haus ernsthaft wollen.
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Was ist der Unterschied zwischen Leih- und Zeitarbeit? Sagen Sie das bitte!)
Oder ist das bei Ihnen der Fall? Dabei haben wir solche Experimente gar nicht nötig; denn Deutschland hat bereits eine hervorragende Förderkulisse, um Wirtschaftsstandorten und benachteiligten Regionen zu helfen, und sie entfalten seit Jahr und Tag ihre Wirkung. Eine der wertvollsten Förderkulissen ist und bleibt hier die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, mit der jährlich ungefähr 600 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Allein in den Jahren 2012 bis 2017 sind insgesamt 5 Milliarden Euro in verschiedene Regionen Deutschlands geflossen. Es wurden Investitionen von über 30 Milliarden Euro angestoßen, und 80 Prozent dieser Mittel sind dabei an kleine und mittelständische Unternehmen in den neuen Ländern gegangen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das ist ein Sachverhalt, der auch im Osten entsprechend Wirkung gezeigt hat. Damit ist das eine riesige Erfolgsgeschichte.
Herr Junge, erlauben Sie eine Bemerkung oder Zwischenfrage von Herrn Kemmerich?
Ja bitte, Thomas.
Herr Kemmerich.
Herr Junge, Sie führen aus, dass Sonderwirtschaftszonen Europarecht widersprechen könnten. Ich denke, wir beide wissen, dass Sonderwirtschaftszonen in Polen, also in unmittelbarer Nachbarschaft zu den teilweise benachteiligten Gebieten in Ostdeutschland, existieren; insofern besteht ein Wettbewerbsnachteil für die Gebiete auf deutschem Boden. Ich denke, dass Sie da falschliegen. Bitte, bestätigen Sie, dass Sonderwirtschaftszonen europarechtlich möglich sind.
Ich habe, Herr Kemmerich, nicht gesagt, dass sie nicht möglich sind. Ich habe in den vorherigen Sätzen ganz klar beschrieben, dass es so, wie Sie es in Ihrem Antrag fordern, nicht geht. Wäre es so, wie Sie es fordern, würde es bedeuten, dass wir unter diesen Umständen vor allen Dingen arbeitsrechtliche und soziale Standards in Mitleidenschaft ziehen würden. Dagegen verwahren wir uns ausdrücklich.
(Beifall bei der SPD)
Das ist der Hauptkritikpunkt an dem, was ich hier zum Tragen bringen will.
(Falko Mohrs [SPD]: Der will doch nur den Mindestlohn schleifen!)
Lassen Sie mich meine Rede in den restlichen Sekunden zu Ende bringen. Ich habe darauf verwiesen, dass die GRW aus meiner Sicht eine Erfolgsgeschichte für den Osten ist. Wer es demnach also wirklich ernst meint mit dem weiteren Voranbringen der neuen Bundesländer, wer es ernst meint mit einem Aufschwung Ost, der sollte mit uns zusammen dafür sorgen, dass gerade solche Förderkulissen zukünftig weiter gestärkt und ausgebaut werden.
Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, bringt den Osten voran. Ich denke, Ihre Freiheits- oder, besser gesagt, „Sonderwirtschaftszonen“ bringen das nicht.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Frank Junge. – Nächster Redner: Uwe Kamann.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7390802 |
Wahlperiode | 19 |
Sitzung | 115 |
Tagesordnungspunkt | Förderung von Unternehmensgründungen |